Landtag
Ausschussprotokoll
Nordrhein-Westfalen 13/572
13. Wahlperiode 06.05.2002
Medienausschuss
21. Sitzung (öffentlich)
6. Mai 2002
Düsseldorf - Haus des Landtags
9.30 Uhr bis 16.50 Uhr
Vorsitz: Claudia Nell-Paul (SPD)
Stenograf(inn)en: Beate Mennekes, Franz-Josef-Eilting,
Christoph Filla,
Eva-Maria Bartylla, Iris Staubermann, Gertrud Schröder-Djug,
Uwe Scheidel, Simona Roeßgen, Heike Niemeyer, Michael Endres,
Otto Schrader, Günter Labes (Federführung)
Verhandlungspunkte und Ergebnisse: Seite
1 Aktuelle Viertelstunde
Hier: NRW Medien GmbH 1
Der Ausschuss nimmt einen Bericht von Staatssekretär Adamowitsch entgegen.
Anschließend werden von den Staatssekretären der Staatskanzlei Fragen der
Abgeordneten beantwortet.
2 Landesmediengesetz Nordrhein-Westfalen (LMG NRW)
Gesetzentwurf der Landesregierung
Drucksache 13/2368
Öffentliche Anhörung von Sachverständigen 9
1 Aktuelle Viertelstunde
Hier: NRW Medien GmbH
Vorsitzende Claudia Nell-Paul teilt mit, die CDU-Fraktion
habe diese Aktuelle Viertelstunde beantragt. Außerdem gebe es von der FDP
ebenfalls zu dem Thema "Entwicklung der NRW Medien GmbH" die Bitte um
einen Bericht. Es habe eine Verständigung darauf stattgefunden, dieses Thema
heute im Rahmen einer Aktuellen Viertelstunde zu behandeln. Nach dem Bericht
der Landesregierung zu diesem Thema erhielten die Fraktionen die Möglichkeit
zur Abgabe einer Stellungnahme. Eine ausführliche Debatte über die Entwicklung
der NRW Medien GmbH solle jedoch auf der nächsten Sitzung am 31. Mai 2002
stattfinden. Dann werde auch der Geschäftsführer der NRW Medien GmbH anwesend
sein.
CdS StS Adamowitsch berichtet:
Die Abgeordneten Hegemann und Dr. Grüll haben für ihre Fraktionen gebeten,
dass die Landesregierung sich zu den Presseveröffentlichungen der letzten Tage
und zu den Perspektiven der NRW Medien GmbH hier im Medienausschuss äußert.
Ich will das tun, nicht zuletzt deshalb, weil ich in der Gründungsphase
- bis Ende 2001 - für das Thema Medien GmbH und die Gestaltung der
entsprechenden Verträge als Chef der Staatskanzlei verantwortlich war. Dies war
zwischen Frau Kollegin Meckel und mir so verabredet, und das ist auch hier im
Medienausschuss bekannt.
Ich denke es ist hilfreich, sich zunächst einmal in Erinnerung zu rufen, dass
die Errichtung der GmbH mehrere Phasen durchlief. Ich verweise auf die
Ausschusssitzung vom 19. Januar 2001, in der ich Ihnen das Grobkonzept erstmals
vorgestellt habe.
In der ersten Phase hat die Landesregierung intern geprüft, wie die
Konstruktion einer Medien GmbH aussehen könnte. Dazu gehörten, neben anderem,
natürlich auch die Finanzierung und die Suche nach einem geeigneten
Geschäftsführer. Am 21. Juni 2001 wurde der Gesellschaftervertrag vor
einem Notar geschlossen.
Kurz danach, zu Beginn der zweiten Phase, übernahm Herr Bauer die
Gründungsgeschäftsführung. Bis zum Ende des Jahres 2001 hat er neben der
Auswahl von ersten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die infrastrukturellen
Voraussetzungen für die Gesellschaft geschaffen.
Mit dem 1. Januar 2002 ist die GmbH - wie geplant - in ihre dritte Phase
eingetreten und hat ihre operative Arbeit aufgenommen.
Bereits am 28. September 2001, das habe ich noch gut in Erinnerung, hatten
Frau Kollegin Meckel und Herr Bauer den Haushalt und die Grundstruktur der
Gesellschaft im Ausschuss vorgestellt. Sie haben auch die zum Teil
komplizierten Verfahren erläutert, die sich aus dem Zusammenwirken einer auf
das operative Geschäft der Medienwirtschaft ausgerichteten privaten
Gesellschaft und der damit veränderten Aufgabe der Staatskanzlei ergeben
können. Ich will einräumen, dass sich daraus Abstimmungsprobleme ergeben haben.
Sie sind Gegenstand dessen, worüber der "Focus" in der letzten Zeit
berichtet hat. Dazu Folgendes: Der "Focus"-Artikel und die
Veröffentlichungen der "Rheinischen Post" beruhen ganz offensichtlich
auf Indiskretionen, die ich nach Art, Umfang und Qualität so in meinem
bisherigen Berufsleben noch nicht erlebt habe. Ich bedauere, dass davon auch
schützenswerte Rechte Dritter betroffen sind.
Bei diesen Indiskretionen spielt ein gelber Klebezettel eine besondere
Rolle. Den hat - damit es hier keinen Zweifel gibt - meine
Persönliche Referentin mir zur Erinnerung an einen Vorgang geheftet, auf den
ich gleich noch eingehen werde. Wie auch immer dieser Klebezettel zum
"Focus" gelangt sein mag auch im Medienausschuss möchte ich
klarstellen: Meine Referentin genießt weiterhin mein Vertrauen. Daran will und
werde ich auch nicht den Hauch eines Zweifels aufkommen lassen.
Dieser Klebezettel sollte mich daran erinnern, dass ich Frau Kollegin Meckel
noch über die Ergebnisse einer Prüfung durch den Justiziar meines Hauses
informieren sollte, um die sie gebeten hatte. Gegenstand der Prüfung war der
Anstellungsvertrag mit Herrn Bauer und die Frage, zu welchen Bedingungen Herr
Bauer den Vertrag vorzeitig auflösen könnte.
Diese Prüfung hatte folgenden Hintergrund: Ich habe eben dargestellt, dass
die Medien GmbH im Januar 2002 ihre operative Arbeit aufgenommen hat. Daraus
hat sich, wie gesagt, ein erheblicher Abstimmungsbedarf zwischen Staatskanzlei
und Medien GmbH ergeben.
Tatsächlich ist es im 1. Quartal 2002 bei den entsprechenden Gesprächen und
bei der Übertragung von Aufgaben der Staatskanzlei auf die Medien GmbH zu
Meinungsverschiedenheiten gekommen. Ich halte dies im Übrigen nicht für
außergewöhnlich, denn immerhin ging es darum, Aufgaben der öffentlichen
Verwaltung in neue Strukturen, zudem in privatrechtlicher Form, zu überführen.
Ich darf einige der aufgetretenen Probleme kurz skizzieren:
Der Geschäftsführer der Medien GmbH hat einen den handelsrechtlichen
Erfordernissen entsprechenden Businessplan vorgelegt. Dieser enthält: Plan-,
Gewinn- und Verlustrechnung, Liquiditätsplanung, Investitionsplanung,
Leasingplanung, Personalplanung und Drei-Jahres-Planung.
Bei einer 100%igen Tochter des Landes wie der Medien GmbH gelten jedoch
zusätzlich die besonderen haushaltsrechtlichen Vorgaben des Landes für die
Erstellung eines Wirtschaftsplanes. Wie sich die Vorgaben des öffentlichen
Rechts, insbesondere der Landeshaushaltsordnung mit den Anforderungen des
Handelsrechts harmonisieren lassen, dazu war eine Reihe von intensiven
Gesprächen notwendig.
Hierzu einige Beispiele, die nach meiner Auffassung deutlich machen, wie die
beiden Welten die der öffentlichen Verwaltung einerseits und die der
Tätigkeit des Staates in privatrechtlicher Form andererseits
aufeinandertreffen:
Erstens. Unabdingbarer Bestandteil eines Wirtschaftsplanes ist grundsätzlich
ein Organigramm, das den organisatorischen Aufbau erkennen lässt und einen
Stellenplan, der die vorhandenen Stellen und die Vergütungsstruktur
widerspiegelt. Seitens der Staatskanzlei wurde deshalb im Interesse
weitestgehender Transparenz zunächst eine stellenscharfe Aufschlüsselung im
Wirtschaftsplan verlangt. Der Geschäftsführer war bereit, der Gesellschafterin
gegenüber die erbetenen Auskünfte im Einzelnen zu geben, regte aber aus
nachvollziehbaren Gründen an, dieses nicht im Wirtschaftsplan dezidiert
veröffentlichen zu müssen. Inzwischen ist dieses Problem in der Weise gelöst,
dass sich die Staatskanzlei und die Medien GmbH auf einen Stellenplan nach
Bandbreiten geeinigt haben.
Zweitens. Die Abgrenzung von Medienqualifikations- und
Medienkompetenzprojekten.
Drittens. Die Übergabe bzw. die Übernahme von Förderprojekten.
Dies alles war für die Beteiligten mit kontroversen Fragen verbunden, aber
diese sind in der Zwischenzeit ausgeräumt.
Lassen sie mich auf die Prüfungsbitte von Frau Kollegin Meckel zurückkommen:
Während dieser Phase intensiver Beratungen gab es zwar keinen konkreten Anlass.
Aber es gehört zur vorausschauenden Planung, sich auch mit der Frage zu
beschäftigen, wie ein Geschäftsführervertrag von welcher Seite auch immer
aufzulösen sei.
Deshalb ist mir der Hinweis wichtig, dass Frau Kollegin Meckel vorsorglich
den von mir erwähnten Prüfauftrag angeregt hat. Ihr war der Vertrag zwar
bekannt, aber schließlich war ich es, der den Vertrag mit Herrn Bauer
ausgehandelt und unterschrieben hat. Dementsprechend habe ich einen Prüfauftrag
an das Justiziariat meines Hauses gegeben.
Zum Vertrag mit Herrn Bauer möchte ich einige Anmerkungen machen. Sie
wissen, dass ich mich zu Einzelheiten von Verträgen nicht äußern darf.
Wie alle Anstellungsverträge enthält auch der mit Herrn Bauer geschlossene
Vertrag die folgenden üblichen Vertragsbestandteile: Regelung der Aufgaben und
Pflichten, Regelung der Vertragsdauer, Regelung der Bezüge und Nebenleistungen,
Nebentätigkeiten, Regelung eines Wettbewerbsverbotes.
Zu den Nebenleistungen gehört auch der im "Focus"-Artikel erwähnte
7er BMW mit Fahrer. Das orientiert sich an der Ausstattung eines
Staatssekretärs. Soweit die Presse berichtet, dass Herr Bauer zunächst einen
Audi A 6 mit Navigationssystem erbeten hat, kann ich Ihnen sagen, dass beide
Fahrzeugtypen in der Landesregierung von Staatssekretären gefahren werden. Die
Leasingkosten beider Autotypen weisen keine wesentliche Differenz auf.
Zum Gehalt von Herrn Bauer möchte ich nicht den "Focus"
kommentieren, sondern Folgendes feststellen:
Die Medien GmbH ist eine erwerbswirtschaftlich ausgerichtete Gesellschaft.
Sie ist nicht als Verwaltungsstelle zur Abwicklung von Förderprojekten
konzipiert. Vielmehr nimmt sie umfangreiche und anspruchsvolle
Dienstleistungsaufgaben wahr, die im Gesellschaftsvertrag spezifiziert sind.
Zur Erfüllung dieser Aufgaben benötigt die GmbH einen Geschäftsführer, der ein
komplexes Anforderungsprofil erfüllen muss. Diese Personen sind nur auf dem
privatwirtschaftlichen Beschäftigungsmarkt zu gewinnen. Dass dort in
Spitzenpositionen durchweg höhere Gehälter gezahlt werden als im öffentlichen
Dienst, dürfte dem Ausschuss bekannt sein. Hinzufügen möchte ich: Die Gehälter
von Geschäftsführern von Landesgesellschaften bewegen sich im Spannungsfeld von
Besserstellungsverbot" und Branchenüblichkeit".
Zum Schluss möchte ich feststellen: Die Landesregierung wird weiterhin an
der Medien GmbH und dem dahinter liegenden Konzept einer modernen
Medienwirtschaftspolitik festhalten. Die NRW Medien GmbH wird weiterhin wie
geplant und unter der Führung von Herrn Bauer die TIMES-Märkte und die
Medienqualifikation in Nordrhein-Westfalen fördern und weiterentwickeln.
In den nächsten Tagen werden die Vorsitzenden Ihrer Fraktionen Briefe
erhalten, in denen Sie gebeten werden, Mitglieder für den Aufsichtsrat der
Medien GmbH zu benennen.
Lassen sich mich noch eine abschließende Anmerkung machen: Gemessen an dem,
was sich zur Zeit an einem anderen Medienstandort an finanziellen und
insolvenzrechtlichen Problemen auftut, bei denen weder ein Ende und die
wirkliche Dimension abzusehen sind noch die politische Verantwortung geklärt
ist, halte ich die derzeitige Berichterstattung über unsere Medien GmbH und die
Medienaktivitäten unseres Landes für bemerkenswert. Dies gilt auch für das, was
Sie heute im "Focus" zu diesem Thema lesen können.
Lothar Hegemann (CDU) erkundigt sich nach den Gründen, die
Frau Meckel bewogen hätten, vier Wochen nach Aufnahme der operativen Arbeit
ganz allgemein zu fragen, wie man sich von einem Geschäftsführer trennen könne.
Außerdem bitte er mitzuteilen, ob diese Indiskretion bereits irgendwelche
Konsequenzen nach sich gezogen habe bzw. ob der Versuch einer Klärung
stattgefunden habe, wie es zu dieser Indiskretion habe kommen können.
Schließlich wolle er erfahren, ob das Medienforum in der vorgesehenen Form
stattfinden werde. Ferner sollte Frau Meckel noch bestätigen, dass die
Verschiebung des Medienforums vorgenommen worden sei, um die Teilnahme Berliner
Prominenz zu ermöglichen, und außerdem mitteilen, welche Mehrbelastungen diese
Tatsache für die NRW Medien GmbH bedeute.
Dr. Stefan Grüll (FDP) möchte mit Hinweis darauf, dass
der Staatssekretär von "dem Vertrag" gesprochen habe, wissen, ob er
mit seiner Annahme falsch liege, dass mindestens zwei Verträge geben müsste,
und zwar einen vom 1. August bis zum 31. Dezember 2001 und einen vom 1.
Januar 2002, der nach dem Bericht des "Focus" eine mehrjährige
Befristung enthalte. Gefragt werden müsse, worauf sich die vorsorgliche Prüfung
bezogen habe und wann diese mit welchem Ergebnis stattgefunden habe. Wenn das Ergebnis
der Prüfung in den zweiten Vertrag Eingang gefunden hätte, würde diese einen
Sinn ergeben.
Zu der vom Staatssekretär mit dem Unterton des Unmutes auf Indiskretion
zurückgeführte kommentierte Berichterstattung des "Focus", müsse er
anmerken, dass er, Grüll, es vorziehe, aus dem "Focus" das Notwendige
zu erfahren, statt, wie bisher, nicht entsprechend informiert worden zu sein.
Dr. Frank Freimuth (SPD) warnt vor einer zu starken
Personalisierung in dieser Debatte. Die "klebrige Geschichte" aus dem
"Focus" wolle er aus heutiger Sicht auch gar nicht weiter
kommentieren. Der Bericht des Staatssekretärs habe deutlich gemacht, dass es
eine arbeitsfähige NRW Medien GmbH gebe mit den Zielen: Beratung der
Landesregierung und Stärkung des Medienlandes Nordrhein-Westfalen. Diese
Einrichtung habe man mit den entsprechenden finanziellen Mitteln ausgestattet.
Als Gegenleistung werde vor allem anständige Arbeit erwartet. Aus Sicht der
Sozialdemokraten müsse aber eine parlamentarische Kontrolle gewährleistet sein.
Deshalb bitte er noch einmal um eine klare Bestätigung, dass es in absehbarer
Zeit die Aufsichtsratslösung geben werde.
Oliver Keymis (GRÜNE) betont, Presseartikel nicht zu
kommentieren. Ärgerlich empfinde er aber, was man erfahre. Ihn überrasche
schon, dass solche Verträge geschlossen würden. In der "Rheinischen
Post" werde unter der Überschrift "Clement: Manche Manager zu
gierig" genau dieses Thema aufgegriffen. Nach seinem Eindruck hänge ein
Teil der jetzt zu führenden Diskussion damit zusammen, dass jemand sehr
gutwillige Verträge habe abschließen können. Er bitte die Frage zu beantworten,
ob zutreffe, dass Herr Bauer sich diesen Vertrag selbst geschrieben und der
Staatssekretär diesen quasi nur paraphiert habe. Außerdem bitte er mitzuteilen,
ob dieser Vertrag dem Finanzminister vorgelegen habe. Nach seinem Wissen würden
Geschäftsführer bei landeseigenen Gesellschaften sozusagen kategorisiert. Dazu
gehöre auch, wie sich das finanzielle Engagement auf den Landeshaushalt
auswirke.
Im Übrigen empfinde er die augenblickliche Entwicklung bei der NRW Medien
GmbH als höchst ärgerlich, weil alle ein Interesse daran hätten, dass diese
Einrichtung als Effizienzagentur ordentlich laufe, und zwar unter Verwendung
des Startkapitals, das man zunächst habe zur Verfügung stellen können.
Zurückweisen müsse er insoweit die Kritik von Herrn Grüll, weil Herr Bauer
gewusst habe, mit welchem Etat er diese Arbeit beginnen würde. Insofern liege
für diesen kein Grund vor, dies nachträglich in irgendeiner Form - sei es
lanciert oder wie auch immer - zu kritisieren. Über Dienstwagen wolle er
nicht viel sagen, aber bemerkenswert finde er schon, dass Herr Grüll mit
zweierlei Maß messe. In diesem Fall habe Dr. Grüll nämlich öffentlich geäußert,
Dienstwagen spielten keine Rolle, während dieser Sachverhalt in anderen
Zusammenhängen, wenn es um die Grünen gehe, von Herrn Grüll ständig
thematisiert werde.
Staatssekretärin Dr. Miriam Meckel (StK) legt dar, zu dem
Hintergrund ihrer Prüfbitte habe Staatssekretär Adamowitsch
ausgeführt, dass in der ersten Phase des operativen Geschäftes der GmbH eine
Reihe von Abstimmungsnotwendigkeiten und damit zwangsläufig auch
Abstimmungsproblemen aufgetreten seien im Hinblick darauf, wie die beiden
Welten einer privatwirtschaftlichen GmbH, vom Land getragen, und den
Anforderungen der Landeshaushaltsordnung zusammenzubringen seien. In diesem
Zusammenhang habe an der einen oder anderen Stelle der Eindruck gewonnen werden
können, Herr Bauer wolle sich nicht länger mit den Anforderungen der
Landeshaushaltsordnung beschäftigen, was in Ansätzen durchaus aus der Sicht
eines Geschäftsführers einer privaten Gesellschaft zu verstehen sei. Auf dieser
Grundlage habe sie nicht um die Prüfung gebeten, wie sich das Land von Herrn
Bauer trennen könne, sondern darum, was passieren würde und welche Ansprüche
gestellt werden könnten, wenn Herr Bauer sich entschlösse, sich aus dem
Geschäftsführervertrag zurückziehen zu wollen. Diese Prüfbitte sei dann durch
den Kollegen Adamowitsch und das Justiziariat der Staatskanzlei bearbeitet
worden.
Was das Medienforum betreffe, habe sie tatsächlich einmal
ausgeführt, in den Übergabegesprächen mit der GmbH sei beschlossen worden, den
Termin des Medienforums von der ersten auf die zweite Wochenhälfte zu verlegen,
weil dann die Möglichkeit gegeben wäre, bestimmte Berliner Politiker und
Medienvertreter eher für eine Teilnahme am Medienforum gewinnen zu können, weil
dort - wie in Nordrhein-Westfalen, verbunden mit den gleichen terminlichen
Problemen - die üblichen Kabinetts- und Fraktionssitzungen in der ersten
Wochenhälfte stattfänden. Ansonsten liege die Zuständigkeit für die
Ausgestaltung und Durchführung des Medienforums bei der NRW Medien GmbH. Heute
würden in einer Pressekonferenz um 13.00 Uhr in Köln der Öffentlichkeit das
bisher bestehende Programm sowie die Planungen für das Medienforum vorgestellt.
CdS StS Adamowitsch teilt zu den Konsequenzen bezüglich der
Indiskretionen mit, er habe einen Prüfauftrag in der Staatskanzlei veranlasst.
Dieser sei noch nicht abgeschlossen. Er könne nur abgeschlossen werden, wenn er
über den Weg dieses gelben Zettels sicher sein könne. Wenn er zu einem Ergebnis
komme und über belastbare Hinweise verfüge, die er verwenden könne, müssten
entsprechende Überlegungen angestellt werden. Ihn hätten diese Indiskretionen
verärgert und enttäuscht. Sicherlich werde man verstehen, dass solche Vorgänge
den Chef der Staatskanzlei nicht mit Freude erfüllten.
Zu den Verträgen treffe zu, dass mit Herrn Bauer in der zweiten Phase eine
vertragliche Bindung vorgelegen habe. Ende des letzten Jahres sei dann von ihm,
Adamowitsch, mit Herrn Bauer ein Vertrag geschlossen worden, der die Tätigkeit
als Geschäftsführer der NRW Medien GmbH zum Gegenstand gehabt habe. Die
Prüfbitte vom Februar dieses Jahres beziehe sich auf den im Dezember letzten
Jahres abgeschlossenen Vertrag.
Was die Schaffung des Aufsichtsrats angehe, würden in dieser Woche die
entsprechenden Briefe an die Fraktionsvorsitzenden versandt, in denen
vorgeschlagen werde, wie dieses Gremium aussehen solle. Danach solle jede
Fraktion in diesem Aufsichtsrat ein Mandat haben.
Zu dem Thema der Gehaltshöhe von Herrn Bauer habe er bereits darauf
hingewiesen, dass diese sich im Spannungsfeld zwischen dem so genannten
Besserstellungsverbot und der Branchenüblichkeit bewegen müsse. Bei
dem Besserstellungsverbot handele es sich um einen Begriff aus dem
Zuwendungsrecht. Die NRW Medien GmbH stelle aber keine Zuwendungsempfängerin
dar. Vielmehr hätten Staatskanzlei und NRW Medien GmbH am 16. und
20. November 2001 einen Treuhand- und Geschäftsbesorgungsvertrag auf
privatrechtlicher Basis abgeschlossen, vergleichbar mit der Struktur des
Vertrages mit der Filmstiftung. Das Zuwendungsrecht und damit auch das
Besserstellungsverbot finde in dieser privatrechtlichen Konstellation keine Anwendung.
Deshalb sei das Land nicht an die im öffentlichen Dienst gezahlten Gehälter
gebunden, verliere diese aber auch nicht aus den Augen. Andererseits müssten
die Gehälter in landeseigenen Gesellschaften regelmäßig auch an der Branche
orientiert sein. Die NRW Medien GmbH sei erwerbswirtschaftlich ausgerichtet und
nicht als Verwaltungsstelle zur Abwicklung von Förderprojekten konzipiert.
Vielmehr nehme diese Einrichtung im Gesellschaftsvertrag spezifizierte
umfangreiche und anspruchsvolle Dienstleistungsaufgaben wahr. Zur Erfüllung
dieser Aufgaben benötige diese GmbH einen Geschäftsführer, der ein komplexes
Anforderungsprofil erfüllen müsse. Solche Personen könnten nur auf dem
privatwirtschaftlichen Beschäftigungsmarkt gewonnen werden. Dass dort höhere Gehälter
als im öffentlichen Dienst bezahlt würden, dürfte auch in diesem Ausschuss
bekannt sein.
Im Zusammenhang mit dem Besserstellungsverbot gebe es eine
Grundsatzbestimmung des Finanzministeriums. Dieser Vertrag von Herrn Bauer
bewege sich im Rahmen dessen, was mit dem Finanzministerium vom Grundsatz her
auch für andere Verträge vereinbart worden sei. Nach dieser Veröffentlichung im
"Focus" habe er sich noch einmal mit dem Finanzministerium
abgestimmt. Das Finanzministerium habe danach an diesem Vertrag keinerlei
Anmerkungen zu machen.
Dr. Stefan Grüll (FDP) hebt heraus, für ihn erscheine
irrelevant, wer den Vertrag entworfen habe, weil entscheidend sei, wer diesen
unterschreibe. Die beiden den Vertrag unterschreibenden Parteien würden sich
schon Gedanken machen, worunter sie ihre Unterschrift setzten. Da der
Staatssekretär aber die Frage nach dem Entwurfverfasser nicht beantwortet habe,
wecke das seine Neugier.
Klarstellen wolle er auf die Ausführungen von Herrn Keymis hin, dass er,
Grüll, gesagt habe, wenn man einen kompetenten Menschen gewinnen wolle, der
gute Arbeit leiste und nach den Vorstellungen der FDP-Fraktion bei der NRW
Medien GmbH einen ordentlichen Etat zu verwalten haben und nicht eine
Event-Agentur leiten solle, dann wäre die Frage des Dienstwagens für ihn
heuchlerisch. Wenn dieser Geschäftsführer jedoch nur wenig Geld erhalte und
lediglich ein Medienforum zu organisieren hätte, dann wäre jeder Dienstwagen
einer zuviel.
CdS StS Adamowitsch teilt zur Vertragsentstehung mit, er
habe sich mit Herrn Bauer in mehreren Gesprächsrunden über die Bausteine des
Vertrages unterhalten. Des weiteren habe es von Herrn Bauer briefliche
Anmerkungen gegeben. Auf die eine bezüglich des Dienstwagens sei er,
Adamowitsch, eingegangen. Die Staatskanzlei habe dann die schriftlichen und
mündlichen Vereinbarungen in einen Vertrag gegossen. Dieser Vertrag trage die
Unterschriften von ihm und Herrn Bauer.
Lothar Hegemann (CDU) erinnert an die Erklärung von Herrn
Bauer im Ausschuss, auf weitere, auch selbstständige, Nebentätigkeiten nicht zu
verzichten. Dazu wolle er wissen, ob es beim Land vergleichbare Fälle bei
Geschäftsführerverträgen etwa der Größenordnung nach gebe. Vielleicht könne im
Hauptausschuss berichtet werden, was die anderen Geschäftsführer bei landeseigenen
Gesellschaften verdienten. Dies sei der zweite Fall im Medienbereich, wo jemand
mehr als der Ministerpräsident verdiene. Der Ministerpräsident befinde sich
rund um die Uhr im Einsatz, Herr Bauer habe jedoch eine Teilzeitbeschäftigung.
Aus der Erklärung von Frau Meckel, diesen Vertrag nicht unterschrieben zu
haben, könne entnommen werden, dass sie diesen auch nicht unterschrieben hätte.
Frau Meckel sollte dazu insoweit ausdrücklich eine Erklärung abgeben, weil nur
die Distanzierung vom Chef der Staatskanzlei nicht ausreiche.
CdS StS Adamowitsch informiert, zwischen ihm als
Staatssekretär und Herrn Bauer sei eine Vertragsanlage über Nebentätigkeiten
ausgehandelt worden. Diese unterlägen einem Wettbewerbsverbot. Somit sei das,
was Herr Bauer nach diesem Vertrag an Nebentätigkeiten ausüben könne,
unstrittig. Zurückweisen wolle er aber eine Darstellung, als wäre Herr Bauer so
etwas wie ein Freizeitgeschäftsführer. Die Gehaltshöhen der einzelnen
Geschäftsführer von landeseigenen Gesellschaften dürften nicht bekannt gegeben
werden, weil es sich um personengeschützte Daten handele. Zu der
grundsätzlichen Frage nach der Höhe der Gehälter von Geschäftsführern in
landeseigenen Gesellschaften habe er bereits Anmerkungen insbesondere bezüglich
des Themas Besserstellungsverbotes gemacht.
Dr. Stefan Grüll (FDP) äußert mit Blick auf die
nächste Sitzung des Medienausschusses die Bitte, die Landesregierung möge
präzise darlegen, ob das vom Staatssekretär ursprünglich verfolgte Ziel, alle
medienrelevanten Titel der Ressorts der NRW Medien GmbH zu übertragen, worauf
die Sympathie der FDP-Fraktion für diese Einrichtung beruhe, noch im Blick sei,
wenn gesagt werde, man sei an dem Fortbestand der NRW Medien GmbH interessiert.
Wenn die Version "NRW Medien GmbH light" gemeint werde, entfiele
nämlich seine Zustimmung zu diesem Instrument.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul schließt die Aktuelle
Viertelstunde mit dem nochmaligen Hinweis, dass in der Sitzung am 31. Mai
dieses Thema erneut auf der Tagesordnung stehen werde.
Die Sitzung des Ausschusses wird im Anschluss im Plenarsaal mit der
Anhörung zum Landesmediengesetz fortgesetzt.
2 Öffentliche Anhörung
Landesmediengesetz Nordrhein-Westfalen (LMG NRW)
Gesetzentwurf der Landesregierung
Drucksache 13/2368
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Ein herzliches Willkommen,
meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Parlament, hier
im Landtag Nordrhein-Westfalen! Wir sind heute zu einer öffentlichen Anhörung
zusammengekommen. Thema der Anhörung ist das Landesmediengesetz
Nordrhein-Westfalen. Es handelt sich um einen Gesetzentwurf der Landesregierung
mit der Drucksache 13/2368.
Dieser Gesetzentwurf wurde dem Landtag am 12.03.2002 als Drucksache
zugeleitet, am 20.03.2002 erfolgte die Einbringung in erster Lesung im Plenum.
Am 08.04.2002 gab es eine Sondersitzung des Medienausschusses auf Antrag der
Koalitionsfraktionen, einziger Tagesordnungspunkt war der Beschluss über eine
öffentliche Anhörung. Am 19.04.2002 hat die Landesregierung den Gesetzentwurf
bereits im Medienausschuss vorgestellt. Auch der Landesrechnungshof hat dazu
einen Bericht abgegeben.
Sie werden sich wundern, dass wir hier in so großer Runde sind und Sie alle
angeschrieben wurden, Ihre Stellungnahme zum Gesetzentwurf in schriftlicher
Form darzulegen. Das hat folgenden Hintergrund: Der Medienausschuss hat nach
zum Teil streitiger Diskussion, Einvernehmen darüber erzielt, wie diese
Anhörung durchgeführt werden soll. Üblicherweise finden Anhörungen mit fünf bis
zehn Sachverständigen statt. Wir waren aber der Meinung, da dieses Gesetz sehr
viele interessiert und betrifft, dass wir all denjenigen, die mit diesem Gesetz
arbeiten und von diesem Gesetz betroffen sind, die Möglichkeit geben sollten,
ihre Stellungnahme im Parlament einzubringen.
Das bedeutet: Wir haben ca. 70 Sachverständige angeschrieben, um ihre
Meinung einzuholen, und in ähnlicher Größenordnung Rückmeldungen bekommen,
wofür wir uns heute schon ganz herzlich bedanken.
Sie werden hoffentlich Verständnis dafür haben, dass wir durch dieses breite
und offene Verfahren nicht gewährleisten konnten, dass jeder von Ihnen seine
schriftliche Stellungnahme hier noch einmal mündlich vortragen kann. Das würde
sicherlich dieses heutige Forum überfordern, sodass wir ein nicht ganz neues,
aber doch unübliches Verfahren für den Landtag gewählt haben. Das heißt, die
Damen und Herren Abgeordneten haben sich durch Ihre Stellungnahmen sehr
intensiv vorbereitet. Wir werden somit direkt in eine Fragerunde einsteigen.
Sie haben dann die Möglichkeit, konkret auf die Fragen der Abgeordneten zu
antworten.
Damit wir dieses Gesetz in einem gewissen inhaltlichen Zusammenhang
diskutieren, möchten wir die heutige Anhörung in fünf Blöcke aufteilen. Wir
beginnen mit Block 1 - Zulassung und Programm, dahinter befinden sich die Abschnitte
I, II, III und V. Sie merken, dass wir auch bei der Zusammenstellung der Blöcke
in den Paragraphen des Gesetzentwurfes zum Teil gesprungen sind. Wir meinen
aber, dass es richtig und wichtig ist, den inhaltlichen Zusammenhang
herzustellen.
Danach folgen Block 2 - Landesanstalt für Medien -, Block 3 -
Medienkompetenz/Mediennutzerschutz, Lokaler Hörfunk und Bürgermedien -,
Block 4 - Kabelbelegung und Digitalisierung - und Block 5 - sonstige
Vorschriften.
(Die Vorsitzende gibt dann Ablaufhinweise.)
Meine Damen und Herren, Ihnen liegt die Liste der Sachverständigen mit
Angabe der Zuschriftennummern vor. Die Zuschriften können Sie auch im Internet
finden.
Zur Geschäftsordnung hat jetzt Herr Hegemann das Wort.
Lothar Hegemann (CDU): Es war vereinbart, dass direkt in
die Diskussion eingestiegen wird. Einige haben aber in ihrer Stellungnahme
darauf hingewiesen, dass sie wegen der unstrittig kurzen Zeit bitten, eine
weitere mündliche Stellungnahme abgeben zu können. Ich meine, diejenigen, die
es gewünscht und keine andere Erklärung bekommen haben, sollten dazu auch die
Möglichkeit erhalten. Ich will jetzt nicht ein Fass aufmachen, dass alle dann
vortragen möchten. Das wäre bei 70 Eingeladenen zu extrem. Aber wenn jemand um
die Möglichkeit einer mündlichen Stellungnahme bittet - es ist bei einem
Hearing auch nicht ungewöhnlich, etwas vorzutragen -, sollten wir diesem
Wunsch stattgeben.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Das war ein Antrag zur
Geschäftsordnung. Ich verweise darauf, dass sich die Fraktionen auf ein anderes
Verfahren verständigt haben. Ich appelliere an diejenigen, die diesen Wunsch
geäußert haben, im Sinne der Gerechtigkeit für die anderen Sachverständigen,
die sich an das Verfahren gehalten haben, sich auf die genannte Vorgehensweise
einzulassen. Sie haben sicherlich auch aufgrund der Tatsache, dass wir die
Blöcke gebildet haben, heute mehrfach die Möglichkeit, Stellung zu nehmen. Ich
glaube, dass Sie alle dadurch großen Raum haben, Ihre Meinung hier
einzubringen.
Wird das, was Herr Hegemann formell beantragt hat, von den Fraktionen
gewünscht?
Dr. Stefan Grüll (FDP): Ich überlasse es Ihnen, ob Sie
das formell als Gegenrede werten oder nicht. - Dass auch die FDP-Fraktion
nicht mit der Geschwindigkeit einverstanden war, erwähne ich der Vollständigkeit
halber. Gleichwohl haben wir uns, weil wir noch nicht die Mehrheit haben,
darauf mit einlassen müssen, dass es heute hier in der Weise abläuft, wie es
ablaufen soll. In dem Kontext haben wir uns allerdings auf einen bestimmten
Anhörungsablauf verständigt, Herr Hegemann. Ich wäre auch lieber in der
Regierung als in der Opposition. Nur weil vielleicht der eine oder andere den
Satz, auf den Sie zu Recht hinweisen, nicht geschrieben hat, weil er bereit
ist, sich an das Verfahren zu halten, sollten wir im Interesse der
Gleichbehandlung den Tag für alle Beteiligten so wenig schmerzhaft gestalten,
wie er unter den misslichen Umständen nur gestaltet werden kann. Insofern
spreche ich formal gegen diesen Antrag.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Ich kann formal nur so
verfahren, dass ich jetzt den Ausschuss darüber abstimmen lasse.
Wer dem Antrag von Herrn Hegemann zustimmen möchte, den bitte ich um das
Handzeichen. - Gegenprobe. - Das ist mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen und der FDP gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.
Wir verfahren dann so, wie wir es vereinbart haben. Ich bitte diejenigen,
die sich jetzt möglicherweise zurückgesetzt fühlen hinsichtlich der Abgabe
Ihrer Stellungnahme, die Größe dieses Forums zu sehen und unseren Wunsch zu
akzeptieren, wirklich in eine breite Diskussion einzusteigen. Jeder, der hier
sitzt, sollte sich vorstellen: Hätten wir nur fünf geladen, käme er vielleicht
gar nicht zu Wort. Ich bitte Sie also, wirklich anzuerkennen, dass es darum
geht, eine breite Debatte zum Landesmediengesetz zu eröffnen.
Ich rufe jetzt auf den Block 1
Zulassung und Programm
Ich bitte dann um Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten. - Als
erster Redner hat Herr Keymis das Wort.
(Die Vorsitzende gibt zunächst noch einige Hinweise zur Bedienung der
Mikrophonanlage.)
Oliver Keymis (GRÜNE): Ich möchte eine Frage an Professor
Stock stellen. Mich interessiert das Thema "Führerscheinprinzip".
Mich beschäftigt diese Frage nach wie vor, weil wir über das Gesetz seit
einiger Zeit reden. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dazu Ausführungen machen
würden.
Meine zweite Frage richtet sich ebenfalls an Professor Stock und an Frau
Bock-Rosenthal. Sie steht im Zusammenhang mit dem Thema "Vielfalt und
Qualität". Wir Grünen haben das in unserem Grundlagenpapier bereits im Mai
vorigen Jahres zum Prinzip für das Gesetz erhoben. Meine Frage an Sie lautet:
Reicht das, was wir dazu bisher im Gesetzentwurf vorgelegt haben, aus, um die
Erfüllung dieser beiden Prinzipien hinreichend zu sichern, wie wir das aus unserer
Sicht gern sehen würden?
Dr. Frank Freimuth (SPD): Schönen guten Morgen!
Herzlichen Dank für die zahlreichen schriftlichen Stellungnahmen. Das
ermöglicht uns Parlamentariern eine offene Diskussion zu diesem Gesetzentwurf.
Herzlichen Dank auch dafür, dass Sie heute Morgen nach Düsseldorf gekommen
sind.
Ich habe zunächst eine Frage zu einem der Zentren dieses Gesetzentwurfes,
nämlich zu dem Thema "Zulassung und Zuweisung". Der Gesetzentwurf
sieht ja, wie wir alle wissen, eine Trennung von Zulassung und Zuweisung vor.
Meine Frage lautet: Wie beurteilen Sie diese Trennung von Zulassung und
Zuweisung? Meine zweite Frage erfolgt auf der Grundlage dieser Trennung von
Zulassung und Zuweisung: Welche Empfehlungen haben Sie, was die Ausgestaltung
der Trennung angeht? Sind die Anforderungen in Bezug auf die Zulassung
- das betrifft die §§ 4 bis 9 - ausreichend? Sind die
Programmgrundsätze und die Sanktionsmöglichkeiten ausreichend oder
ergänzungsbedürftig?
Mir persönlich ist auch vor dem Hintergrund der Ereignisse von Erfurt sehr
wichtig die Frage: Sind aus Ihrer Sicht die Regelungen zum Jugendschutz -
§ 35 - ausreichend?
Meine Fragen richten sich insbesondere an die Landesanstalt für Rundfunk,
den DGB, den Deutschen Journalistenverband, an die Verbraucherzentrale und an
den Landesjugendring.
Lothar Hegemann (CDU): Ich habe eine Frage an die LfR und
an den VPRT: Können Sie mit den Regelungen des Gesetzes in allen Punkten etwas
anfangen? Wissen Sie jetzt, was Sie zu tun haben, was Ihre Pflicht ist?
An den VPRT folgende Frage: Sind Sie mit dem Zulassungsverfahren, das der
Gesetzentwurf vorsieht, für den privaten Wettbewerb einverstanden, z. B.
bezüglich des Ballungsraumfernsehens?
Dann noch eine Frage an die Verleger: Sind Sie mit den Regelungen zu den
Beteiligungen - als Anbieter und als Zulieferer zu möglichen
Fensterprogrammen - einverstanden?
Dr. Stefan Grüll (FDP): Ich möchte den Verlegern es
auch mit Blick auf die Zeit ein wenig einfacher machen. Wenn vermutlich heute
Nachmittag die FDP-Fraktion die Streichung des § 33 Abs. 4 beantragen
wird, fände das Ihre Zustimmung? Von der LfR würde mich die Antwort
interessieren auf die Frage: Teilen Sie meine Einschätzung, dass auf diesen
§ 33 Abs. 4 vollständig verzichtet werden könnte? Meine zweite Frage:
Mit Blick auf die Quotierungen in § 33 Abs. 2 und 3 argumentiert die
Landesregierung damit, dass es verfassungsrechtlich notwendig sei, eine
Begrenzung auf 25 % vorzunehmen. Das geschieht unter Hinweis darauf, dass
sich der nordrhein-westfälische Medienmarkt beispielsweise von dem hessischen,
wo ja eine andere prozentuale Kappung besteht, unterscheide. Mir ist bisher
nicht einleuchtend, worin der Unterschied liegt. Könnten Sie mir an dieser
Stelle weiterhelfen?
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Nachdem nun alle Fraktionen
einmal gesprochen haben, würde ich Sie jetzt um Stellungnahme bitten. Wir
fangen an mit Frau Bock-Rosenthal, der ich jetzt das Wort gebe.
Prof. Dr. Erika Bock-Rosenthal (Landesrektorenkonferenz
NRW/Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen des Landes NRW): Frau
Vorsitzende, erlauben Sie mir zuerst mitzuteilen, dass ich zwei Organisationen
vertrete. In der Anwesenheitsliste bin ich nur für die Landesrektorenkonferenz
Nordrhein-Westfalen eingetragen; das sind die Universitäten. Ich vertrete aber
auch die Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen, und zwar seit der
Konstituierung der ersten Landesrundfunkkommission.
Meine Damen und Herren, ich möchte zu der Frage, die im ersten Block
ansteht, zunächst zu bedenken geben, dass wir in sehr bewegten medienpolitischen
Zeiten agieren. Als dieses Gesetz vor anderthalb Jahren vom Ministerpräsidenten
angekündigt wurde und hier signalisiert wurde, man möchte die Weichenstellung
für die Zukunft, für die Digitalisierung mit einem solchen Gesetz vornehmen,
war die gesamte Medienlandschaft noch in einer völlig anderen Verfassung als
heute.
Ich erinnere nur daran, dass z. B. der verhinderte Verkauf der
Kabelnetze an Liberty die gesamte Situation, was die Umgestaltung der
Kabelnetze und die Möglichkeit der Digitalisierung in der Bundesrepublik
angeht, verändert hat. Ganz besonders ish in Nordrhein-Westfalen leidet unter
diesen Bedingungen. Wir müssen sehen, dass wir mit einer gesetzlichen
Strukturierung vernünftige Weichenstellungen finden.
Bezüglich des Zusammenbruchs der Kirch-Gruppe möchte ich daran erinnern,
dass es auch die Medienpolitik war, die in der Vergangenheit dazu geführt hat,
dass es ein Duopol in Deutschland - Bertelsmann und Kirch - hat geben können.
Da ich in der Landesrundfunkkommission von Anfang an dabei war, möchte ich auch
daran erinnern, dass die erste Landesrundfunkkommission am Ende ihrer Amtszeit
nach dem damaligen Recht einen Beschluss gefasst hat, in dem es um die
Vielfaltssicherung nach Anteilseignern ging. Damals hat die Landesrundfunkkommission
beschlossen, dass die Kirch-Gruppe sich hätte entflechten müssen, sonst hätte
Sat.1 hier keine Verlängerung der Lizenz erhalten. Herr Doetz, der heute für
den VPRT hier ist, wird sich erinnern.
Das heißt, nach dem damaligen Gesetz hat die Landesrundfunkkommission hier
durchaus Zähne gezeigt. Dann kam das "Wunder von Bad Neuenahr", und
man hat für die Vielfaltsicherung ganz andere Strukturen gefunden, nämlich die
Messung von Zuschaueranteilen. Über die hohen Margen, die damals angelegt
worden sind, hat sich dann in der Bundesrepublik diese Duopolstruktur
entwickeln können mit der Kirch-Gruppe auf der einen und der Bertelsmann-Gruppe
auf der anderen Seite und ein paar kleinen dazwischen.
Damit Ihnen allen das deutlich wird, erinnere ich auch daran: Es sind nicht
nur die Kräfte des Marktes, es ist nicht nur die Wirtschaftspolitik, sondern es
ist die Medienpolitik als solche, die die Gesamtentwicklung beeinflusst hat.
Deshalb möchte ich Sie alle heute herzlich bitten, sich im Zusammenhang mit der
Schaffung dieses Landesmediengesetzes bewusst zu sein, wie viel durch die
Politik vorgeformt wird.
Es gibt noch andere Bedingungen, wenn ich z. B. daran denke, dass hier ein
Ballungsraum-fernsehen eröffnet werden soll: Bundesweit gibt es kein
Ballungsraumfernsehen, das schwarze Zahlen schreibt. Alle schreiben rote
Zahlen. Alle sind nicht zuletzt aufgrund des Zusammenbruches der
Kirch-Gesellschaften in sehr schwierigen Situationen.
Es gibt also aus meiner Sicht vielfältige Gründe zu sagen: Was wir
bräuchten, ist eigentlich eine Politik der ruhigen Hand, die durch dieses
schwierige Fahrwasser Kontinuität ermöglicht. Gerade im Hinblick auf die
Zulassungen und im Hinblick auf die Programmqualität, auch im Hinblick auf die
Kabelbelegung, was in einem späteren Block kommt, würde ich sehr dafür
plädieren, dass wir hier für Kontinuität sorgen und keine abrupten Umbrüche
zulassen.
Zum Gesetzesvorschlag ganz konkret: Hier wird vorausgesetzt, dass man im
Zuge einer Art Medienführerschein zwei Teile des bisherigen
Lizensierungsverfahrens auseinander nehmen kann, dass man für ein
Zulassungsverfahren sorgt, das nach der Vorstellung dieses Gesetzes im Grunde
jedem ermöglicht, eine Lizenz zu erhalten.
Ich plädiere auch aus den langen Erfahrungen heraus, die ich als Vorsitzende
des Ausschusses für landesweite und in Kabelanlagen weiterverbreitete
Rundfunkprogramme in der LfR habe, sehr dringend dafür, nicht nur einen
Führerschein vorzusehen, der nicht viel mehr abprüft als die Tatsache, ob
jemand die bürgerlichen Ehrenrechte hat oder nicht. Ein Führerscheinprinzip
heißt für mich auch, dass jemand beweisen und belegen muss, dass er überhaupt
fahren kann. Das würde bedeuten, dass hier Vorschriften hinein müssen, die
abfordern zu dokumentieren, dass man überhaupt in der Lage ist, Programm zu
machen, dass man in der Lage ist, das auch nach wirtschaftlichen Kriterien zu
machen, dass man nicht nur z. B. einen schwunghaften Handel mit Lizenzen
aufmacht, und dass es der neuen Landesanstalt für Medien auch erlaubt ist,
extremistische Sender oder so etwas herauszufiltern. Wir haben in der
Vergangenheit solche Fälle gehabt. Wir hätten fast einen Milli-Görüs-Sender
lizensiert, wenn wir nicht hätten genau hinschauen können.
Ich plädiere also sehr deutlich dafür, in § 5 - Zulassung - wieder
einzuführen:
"Sie müssen wirtschaftlich und organisatorisch in der Lage sein, eine
Rundfunkveranstaltung, die anerkannten journalistischen Grundsätzen und den
programmlichen Anforderungen dieses Gesetzes genügt, antragsgemäß
durchzuführen."
Ich halte das für völlig unverzichtbar. Ansonsten ist dieser Teil eine
Farce.
Übrigens kann man, wenn man nicht nur die Zulassung von Fernsehprogrammen,
sondern auch die Zulassung von Mediendiensten regeln will, wie das ja
vorgesehen ist, gesetzestechnisch sehr wohl differenzieren und die Latte für
die Lizensierung von Rundfunkprogrammen anders anlegen, als wenn es rein um
Mediendienste geht. Das halte ich nur für eine gesetzestechnische Frage.
Dann zu den Fragen der Qualität! In § 31 - Programmgrundsätze - ist im
Verhältnis zum alten Gesetz der entscheidende Absatz herausgefallen.
Herausgefallen ist auch der alte § 11, worin der Programmauftrag und die
verfassungsrechtliche Anbindung geklärt sind. Auch hier kann mann meiner
Meinung nach gesetzestechnisch unterschiedlich formulieren, je nachdem, ob es
sich um reine Mediendienste oder um Rundfunk handelt.
Ich würde deshalb dringend dafür plädieren, in den § 31 - Programmgrundsätze
- sowohl Elemente des alten § 11 - Programmauftrag - zu integrieren als auch
den alten § 12 Abs. 3 LRG, der die operationalisierbaren Vorschriften zum
Programmauftrag und zur Qualitätssicherung enthält, unbedingt wieder zu
integrieren. Ein ausformulierter Vorschlag hierzu liegt in den Zuschriften der
beiden Landesrektorenkonferenzen vor.
Meine Damen und Herren, gerade in den medienpolitisch sehr bewegten Zeiten,
in denen wir uns befinden, halte ich es für unverzichtbar, diesen
Programmauftrag hier noch einmal deutlich zu artikulieren. Denn alles, was die
Landesanstalt für Rundfunk bisher in dieser Richtung zur Qualitätssicherung hat
unternehmen können, ist ja nicht nur auf der Schiene der Programmbeschwerden
oder auf der Schiene von Monita erfolgt. Im Grunde haben wir versucht, in einer
kommunikativen Art und Weise die Themen der Qualitätssicherung anzugehen. Das
heißt, wir haben Forschung initiiert, die eine vergleichende Betrachtung
zwischen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dem Privatrundfunk ermöglicht
hat und die uns dann auch in Diskussionen mit privaten Veranstaltern gebracht
hat. Wir haben, denke ich, ein Stück weit erfolgreich daran mitgewirkt, dass es
beispielsweise einen "code of conduct" der Privaten gibt und dass es
die Programmbeobachtungen auf der Ebene der DLM gibt. All das haben wir mit
unseren Forschungen angestoßen.
Das alles wäre nicht mehr möglich, wenn die Programmaufträge zwischen dem
öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dem privaten Rundfunk so unterschiedlich
formuliert würden, dass Herr Pleitgen dann vielleicht mit Recht monieren würde:
Bitte, das könnt ihr nicht mehr vergleichen! - Genau das ist uns beim ersten
Forschungsprojekt passiert. Da haben wir vom Intendanten des WDR einen bösen
Brief bekommen, was uns eigentlich einfiele, einen Vergleich zwischen dem
öffentlich-rechtlichen und dem privaten Rundfunk anzustellen. Das konnten wir
nach dem bisherigen Gesetz sehr wohl, und das ist ein sehr wichtiger Faktor.
Wenn hier politisch nach außen verkündet wird "Wir wollen eine
Liberalisierung des Privatrundfunks" und gleichzeitig gesagt wird
"Wir halten aber den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hoch; das soll die
Messlatte sein" - meine Damen und Herren, das funktioniert nicht, wenn
hier nicht mindestens eine Vergleichbarkeit möglich ist. Darauf möchte ich
deutlich aufmerksam machen, denn wir haben in der Vergangenheit gerade in
unseren Forschungsprojekten gesehen, dass es Angleichungsprozesse und
Nivellierungsprozesse gibt: Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk geht
herunter, geht in Richtung "Infotainment" und dergleichen. Je weiter
wir liberalisieren, deregulieren und die Programmanforderungen im
Privatrundfunkbereich nach unten ziehen, desto schwerer machen wir es den
Öffentlich-Rechtlichen. Das muss man ganz deutlich sagen. Ich bitte Sie, dass
Sie sich dieser Verantwortung, meine Damen und Herren Abgeordneten, bewusst
sind. Das ist keine Gesetzesrhetorik, die hier drin steht.
Es stehen beispielsweise folgende Vorschriften im Gesetzentwurf: Jedes
Vollprogramm muss in der Erfüllung des Programmauftrages die Vielfalt der Meinungen
in möglichster Breite und Vollständigkeit zum Ausdruck bringen. Die bedeutsamen
politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen müssen
in jedem Vollprogramm angemessen zu Wort kommen. Auffassungen von Minderheiten
sind zu berücksichtigen. Jedes Vollprogramm soll in der Berichterstattung
angemessene Zeit für die Behandlung kontroverser Themen von allgemeiner
Bedeutung vorsehen.
Meine Damen und Herren, diese Thematik - die Behandlung kontroverser
Themen - war das erste Forschungsprojekt, das wir zur Operationalisierung
und zur Programmbeobachtung bei Professor Weiß in Auftrag gegeben haben, der
heute die Programmberichterstattung für die gesamte DLM macht. Das ist also
keine Gesetzesrhetorik. Es sind vielmehr sehr wichtige Vorschriften.
Anderswo wird es anders geregelt. In unserem Nachbarland Frankreich werden
die Minuten gezählt, in denen die Vertreter der politischen Parteien
Gelegenheit haben, zu einzelnen Punkten Stellung zu nehmen. Ich plädiere nicht
dafür, dass wir das so machen; missverstehen Sie mich bitte nicht. Es war aber
für uns sehr interessant, denen einmal über die Schulter zu schauen, wie sehr
dies als relevant für die politische Meinungsbildung in einer Demokratie
betrachtet wird. Das ist der eigentliche Kern dieser Sache. Alles andere können
Sie nachlesen.
Prof. Dr. Martin Stock (Universität Bielefeld): Es fällt
mir leicht, mich kurz zu fassen, denn ich bin in sämtlichen Punkten mit dem
einig, was Frau Bock-Rosenthal eben schon vorgetragen hat.
Falls Sie die schriftlichen Stellungnahmen studiert haben, werden Sie den
Eindruck gewonnen haben, dass wir am selben Strang ziehen. Ich möchte nur ein
paar ergänzende Bemerkungen zu dem verfassungsrechtlichen Hintergrund dieser
Fragen machen.
Es waren zwei Fragen, die von Herrn Keymis zunächst gestellt wurden.
Erstens. Wie steht es mit dem Führerscheinprinzip? Zweitens. Wie steht es mit
der Vielfalts- und sonstigen Qualitätssicherung? - Diese beiden Dinge
stehen miteinander im Zusammenhang. Das ist eben auch schon angesprochen
worden. Ich habe diese Zusammenhänge in meinen schriftlichen Stellungnahmen
etwas genauer herauszuarbeiten versucht und erlaube mir, darauf zu verweisen
und nur ganz kurz noch einmal eine Anmerkung dazu zu machen.
Erstens. Deregulierung des Zulassungsverfahrens gleich Führerscheinprinzip.
Zweitens. Deregulierung der programmlichen Standards, die auf Vielfaltsicherung
und sonstige Qualitätssicherung angelegt sind. - Das sind in meinen Augen
die beiden entscheidenden Punkte an diesem Gesetzentwurf, und die müssen wir
grundsätzlich diskutieren.
Das Neue an dem Gesetzentwurf ist nun, dass diese beiden Punkte miteinander
verbunden sind. Schon im Zulassungsverfahren wird ein Deregulierungsschritt
getan, der nachher nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, wie ich meine.
Ich halte gerade dieses Zusammenwirken dieser beiden Deregulierungsschritte für
ein riskantes Konzept.
Ich habe darauf hingewiesen, dass im Hintergrund unterschiedliche
Vorstellungen des Inhalts vom Grundrecht der Rundfunkfreiheit stehen. Das
Bundesverfassungsgericht hat nach wie vor auch für den privaten Sektor
festgehalten an dem Konzept der Rundfunkfreiheit als öffentlich dienender
Freiheit, welche funktional zu verstehen ist, und dieses Konzept ist im
bisherigen NRW-Rundfunkrecht sowohl im WDR-Gesetz als auch im
Landesrundfunkgesetz verankert gewesen. Im Landesrundfunkgesetz erfährt es
gewisse Abstriche, das hat die Verfassungsrechtsprechung genau abgebildet.
Unser § 11 und unser bisheriger § 12 LRG sind nicht so ganz
vollmundig formuliert wie die §§ 4 ff. des WDR-Gesetzes, aber sie ähneln ihnen
in gewisser Weise. Das ist ein Ausdruck verfassungsrechtlicher Grundsätze. Nach
dem Verfassungsrecht kann man eben nicht einfach beliebig deregulieren -
auch nicht auf dem privaten Sektor. Man kann nicht sagen: Die wesentlichen
qualitätssichernden Angebote kommen vom öffentlichen Sektor, dem privaten
Sektor geben wir frei. Wir streben da ein presseähnliches Modell der
Marktsteuerung an. - Das geht nach der bisherigen Verfassungsrechtsprechung
eben nicht.
Die Konsequenz ist, dass man diese beiden Deregulierungsschritte, die jetzt
anstehen, im einfachen Gesetz - wie ich meine - nicht vollziehen
kann. Daraus folgt, dass schon im Zulassungsverfahren eine auf programmliche
Anforderungen bezogene Zulassungsvoraussetzung wieder eingeführt werden muss.
Das hat Frau Bock-Rosenthal auch ausgeführt.
In § 5 hatten wir bisher eine solche Klausel, und ich denke, die sollte
man auch nicht streichen. Ich habe bisher übrigens auch keine in irgendeiner
Weise plausible Erläuterung gehört, warum man das streichen will. Wenn man die
bisherigen Regelungen beibehält, ergibt sich eine Querverbindung zu den
programmrechtlichen Anforderungen. Heute ist es der § 31. Auch ich bin der
Meinung, dass das, was in § 31 steht, nicht ausreicht. Wir müssen vor
allem den alten gesetzlichen Programmauftrag beibehalten. Das muss, wie ich
meine, vor § 31 in das Gesetz hineingeschrieben werden. Warum § 11
LRG NW gestrichen werden soll, hat mir bisher niemand erklären können, und ich halte
es auch nicht für ratsam.
In dem bisherigen § 12 ist es vor allem der Absatz 3
- Binnenpluralität für Vollprogramme; auch das hat Frau Bock-Rosenthal
schon gesagt -, an dem wir festhalten möchten. Wenn man diese
programmlichen Anforderungen beibehält, kann man auch im Zulassungsverfahren
eine darauf bezogene Zulassungsvoraussetzung artikulieren, und dann mag man
über alles Weitere reden.
Ich möchte noch eine Schlussbemerkung zu der Vorstellung machen, man könne
ein einheitliches Mediengesetz in der Weise machen, dass man die bisherigen
rundfunkspezifischen Standards dereguliert und - presseähnlich - auf
ein geringeres Regelungsniveau zurückfährt, etwa auf das der Mediendienste. Das
ist eine Vorstellung von Konvergenz, die ich für kurzsichtig halte. Sie ist
auch verfassungsrechtlich durch nichts gedeckt. Ein einheitliches Konzept von
Medienregulierung, das sich auf dem unteren Nenner befindet, ist
verfassungsrechtlich überhaupt nicht verständlich zu machen. Vielmehr redet man
da von abgestufter Deregulierung. Alle Experten sind sich seit Jahren einig,
dass wir abgestufte, differenzierte Lösungen brauchen, einerseits für den
klassischen Rundfunk, andererseits für die Mediendienste. Diese kann man in das
gleiche Gesetz hineinschreiben, aber solche Differenzierungen sehe ich hier gar
nicht.
Das Thema Mediendienste ist in dem Gesetzentwurf nicht bewältigt. Will man
den Programmauftrag mit der Begründung streichen, das Regelungsniveau müsse heruntergefahren
werden, damit auch die Mediendienste darunter fielen, dann ist das eine
Vorstellung von Einheit, die ich für ganz und gar unakzeptabel halte. Dabei
möchte ich es bewenden lassen.
Ulrike Kaiser (Deutscher Journalistenverband Landesverband NRW
e.V.): Ich kann mich auf meine beiden Vorredner beziehen.
Auch für den Deutschen Journalistenverband ist Rundfunk keine Ware wie jede
andere, sondern Rundfunk hat eine dienende Funktion. Rundfunk bedarf der
positiven Ordnung, um die Funktionsfähigkeit dieses Mediensystems zu
garantieren. Voraussetzungen dafür, dass es funktioniert, sind die Meinungs-
und Informationsvielfalt und die journalistische Unabhängigkeit.
Zu all diesen Punkten sagt das Gesetz beim Zulassungsverfahren nichts aus.
Es gibt keine Zulassungskriterien. Das läuft also voll auf das Modell der
Deregulierung hinaus, und das halten wir dem Rundfunk für nicht angemessen, und
das ist auch bislang von der Verfassungsrechtsprechung so gestützt.
Wir halten es daher für dringend erforderlich, dass der Rundfunk auf der
Basis eines Programmauftrages arbeitet. § 11 des Landesrundfunkgesetzes
sollte daher für potenzielle Veranstalter und ebenso sollten
Programmanforderungen für Vollprogramme festgeschrieben werden. Mit einem
differenzierten Zulassungsverfahren zwischen Rundfunkveranstaltern und anderen
Mediendiensten könnten wir uns einverstanden erklären.
Dr. Norbert Schneider (Landesanstalt für Rundfunk
Nordrhein-Westfalen): Ich bin in der interessanten Situation, dass
drei Mitglieder meiner Kommission gesprochen haben und ich jetzt das Papier der
Kommission meinen Äußerungen zugrunde legen soll, was aber nicht geht, weil
darin in allen Punkten - bis auf einen Punkt - anders votiert wird.
Ich sage Ihnen einfach, was ich selber von den Fragen halte, die mir gestellt
worden sind.
Erstens. Das Problem Zulassung/Zuweisung. Das hat die Landesanstalt in ihrem
ersten Papier vor eineinhalb Jahren bereits ausführlich als einen der Punkte
notiert, die für ein modernes Mediengesetz eigentlich von Bedeutung wären.
Die Einwände, die Sie eben gehört haben, will ich nicht von mir aus
kommentieren. Ich will nur ein paar praktische Dinge dazu sagen. Die
Landesanstalt für Rundfunk hat die letzte analoge Lizenz im Jahre 1994
ausgelegt. Das ist schon einige Tage her. Die letzte digitale ziehen wir gerade
wieder zurück, da der bekannte Veranstalter SingleTV aufgeben muss, was uns mit
tiefer Befriedigung erfüllt.
Wir haben in den letzten Jahren immer die Auffassung vertreten, dass die
Lizenz nicht mehr das Nadelöhr zur Veranstaltung von Rundfunk ist, sondern die
Kapazität, die man im Kabel bekommt, bzw. dass der Satellit von irgendwoher
ohne irgendeine Auflage zu uns kommen kann. Der Satellit ist nicht reguliert,
wie Sie wissen. Das heißt, wir haben es mit einem praktischen Problem zu tun:
Wo ist eigentlich der Punkt, an dem die Rundfunkfreiheit real wird und nicht
nur als eine Fiktion in einem Gesetz vorangestellt wird, aber nie praktisch
werden kann?
Das führt uns zu dem Ergebnis, die Zulassung und die Zuweisung zu trennen.
Wir haben all das, was für die Zulassung jetzt moniert worden ist, am
Schnittpunkt der Zuweisung im Gesetz. Deshalb sind wir, deshalb bin ich auch
damit einverstanden.
Wir wollen im Übrigen auch nicht aus den Verhältnissen insoweit aussteigen, dass
wir jetzt eine regelrechte Aufforderung zum Lizenzdumping mit einem Gesetz auch
noch erlassen, indem wir an einer Stelle die Hürden so hoch machen, dass
niemand mehr sie überwinden will und anderswo hingeht. Das heißt, wir bewegen
uns eigentlich auf der Linie dessen, was der Rundfunkstaatsvertrag, der ja für
alle Länder die Dinge regeln soll, bisher auch getan hat.
Stichwort Programmauftrag, Formulierung des Programmauftrags: Da will ich
nur auch aus der Praxis etwas bemerken. Wenn es um Vollprogramme geht, bin ich
mir nicht so sicher, ob wir je noch eines lizenzieren werden. Ich habe in den
letzten acht Jahren nicht den Eindruck gewinnen können.
Bei Spartenprogrammen ist das kein Thema mehr. Wir haben aber z. B.
Vollprogramme, von denen wir den Eindruck haben, dass sie nicht ihrem
Programmauftrag gerecht werden. Aber dies ist weder durch das jetzige Recht
noch durch ein zukünftiges in irgendeiner Weise anzufassen.
Das Stichwort RTL 2 will ich in dem Zusammenhang nennen. Das ist ein
Vollprogramm. Falls Sie das anders sehen, dann wären Sie ganz auf meiner Seite.
Aber es ist halt eines. Und wir sehen sehr mühsam, wie wir die ohne jedes
Gesetz, sondern nur durch gutes Zureden dazu bringen, dass sie das als ein
Vollprogramm ausstrahlen, was wir auch dafür halten.
So viel zu diesem ersten Punkt Zulassung und Zuweisung. Wir haben das in
unserer Stellungnahme noch einmal notiert.
Es gibt einen Punkt, den ich ausdrücklich auch noch einmal erwähnen will.
Man kann sicher der Intention des Gesetzes, für Rundfunk und Mediendienste
gleichermaßen dieses Problem zu lösen, noch etwas hinzufügen. Die Mediendienste
kommen im Titel vor. Ich habe sie dann so recht nicht wiedergefunden. Aber das
lag vielleicht auch an meiner Leseschwäche. Jedenfalls wenn hier eine Differenzierung
vorgenommen würde, die diesen Punkt noch einmal auseinander zieht, dann würde
das sicher hinterher der Klarheit dienen.
Damit komme ich zu der Frage, Herr Hegemann, die Sie gestellt haben, ob wir
mit diesem Gesetz leben können. Das ist nun eine sehr allgemeine Frage. Ich
kann sie auch nur so allgemein beantworten. Ich sage: Ja. Die Landesanstalt für
Rundfunk geht gestärkt aus dieser Sache hervor. Wir haben eine Fülle von
Satzungsermächtigungen, die hinten immer in dieser etwas stereotypen Weise an die
komplizierten Punkte angefügt sind. Da haben wir etwas dazugewonnen. Damit lebe
ich gern. Das macht unsere Situation klarer und auch ein bisschen
reichhaltiger.
Es gibt ein paar Punkte, die wir nach wie vor für unzureichend formuliert
oder gelöst halten. Ich will jetzt nur den nennen, der im ersten Kapitel noch
vorkommen könnte. Das ist der § 18. Gerade auf der Basis des eben Gesagten
gibt es bei der Frage der Kabelkapazitätszuweisung für mich keinen
Änderungsbedarf. Ich finde es nicht zwingend und am Ende sogar eher schädlich,
wenn nun die bisher bei der Landesanstalt liegende Kompetenz der Rangfolge von
Anfang bis Ende aufgeteilt wird und die letzten fünf an den Kabelnetzbetreiber
gehen. Es hat praktische Gründe, die mich dazu veranlassen, dem zu widerraten.
Der Kabelnetzbetreiber muss denselben juristischen Aufwand betreiben. Er ist ja
an dasselbe Gesetz gebunden, um seine Entscheidung zu begründen, die wir auch
schon vorgenommen haben. Er muss Personal einstellen. Er hat es ja. Und er muss
dann eigentlich in derselben Logik verbleiben. Sonst wird das
Verwaltungsgericht, bei dem die Sachen ohnehin ja beim Ausschluss enden, immer
ein Problem haben.
Das zweite halte ich für bedenklicher. Wenn das bei den letzten fünf, die
der Kabelnetzbetreiber dann mit Kapazität versehen soll, nach einem Kriterium
erfolgt, wie sonst für die anderen auch vorgesehen, stellt sich die Frage,
warum es nicht die Landesanstalt macht. Wenn nicht, dann sehe ich die
Möglichkeit, dass der Kabelnetzbetreiber mit einzelnen zu Verabredungen kommt,
die nicht transparent sind. Und ich kann nicht ausschließen, dass man dann bei
den letzten fünf Kapazitäten für Geld bekommt. Das fände ich eine Entwicklung,
der jedenfalls der Gesetzgeber nicht die ersten Impulse geben sollte. Das ist
zum § 18 zu sagen.
Es gibt ein paar andere Dinge. Es ist nach § 33 gefragt worden. Ich
schlage vor, wir teilen unsere Ausführungen. Wenn es Ihnen recht ist, Frau
Vorsitzende, beantwortet Herr Hahn-Cremer diese Frage.
Wolfgang Hahn-Cremer (Landesanstalt für Rundfunk
Nordrhein-Westfalen): Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Ich
kann meine Ausführungen zu § 33 sehr kurz machen. Was § 33
Abs. 4 und die Frage von Herrn Dr. Grüll angeht, kann ich das mit Ja
beantworten. Sie finden in unserer Stellungnahme auch den Vorschlag, den
§ 33 Abs. 4 zu streichen.
Ich will auch einen Satz dazu sagen. Ich halte die gewählte Formulierung
auch nicht durch die Landesanstalt für Rundfunk für exekutierbar. Wenn Sie sich
die Begrifflichkeiten ansehen, wird es sehr schwierig werden, dort etwas zu
finden, das dann auch gerichtsfest stattfinden könnte.
Was die andere Frage angeht, bin ich der Auffassung, dass die
24,9 %-Grenze gerechtfertigt ist.
Ich will mich jetzt nicht auf die Frage zum Zeitungsmarkt von Hessen und
Nordrhein-Westfalen einlassen. Ich kenne die hessische Situation zu wenig. Aber
ich glaube, sie ist deswegen nicht vergleichbar - und deswegen halte ich
24,9 % für gerechtfertigt -, weil Sie nicht nur sozusagen den
Zeitungsmarkt, sondern ja auch die anderen Beteiligungen, die Tageszeitungen in
Nordrhein-Westfalen haben, mit berücksichtigen müssen. Hessen hat keine solche
Lokalradioszene wie wir. Bei den Lokalradios sind aber die Zeitungsverlage
maßgeblich beteiligt. Aus diesen Gründen halten wir 24,9 % für
gerechtfertigt.
Dr. Udo Becker (Verband der Betriebsgesellschaften in
Nordrhein-Westfalen e.V./Verband Rheinisch-Westfälischer Zeitungsverleger
e.V.): Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Ich darf gleich auch
der guten Ordnung halber sagen: Ich bin hier eingeladen als Geschäftsführer des
Verbandes der Betriebsgesellschaften. So steht es jedenfalls auf dem Schild.
Ich vertrete aber auch die Interessen der Zeitungsverlage Nordrhein-Westfalens.
Ich darf Ihnen gleich Bezug nehmend auf die Fragen, die § 33 Absätze 3 und
4 betreffen, sagen, dass die Zeitungsverleger diese Vorschriften inhaltlich
nicht teilen können. Insofern kann ich der Ankündigung von Herrn Dr. Grüll, den
Antrag zu stellen, § 33 Abs. 4 ersatzlos zu streichen, nur zustimmen.
Es ist sicher so, dass diese Vorschrift in diesem Bundesland im Wesentlichen
lokales Fernsehen oder landesweites Fernsehen mit lokalen Fenstern verhindern
wird. Man wird nicht sagen können, dass es verfassungsrechtliche Vorgaben gibt,
die es notwendig machen, solche Regelungen in das Gesetz hineinzuschreiben.
Denn wie wir alle wissen, sieht die Verfassungsrechtsprechung des Jahres 1986
zum niedersächsischen Landesrundfunkgesetz einen Ermessensspielraum bei der
Ausgestaltung der Rundfunkordnung vor. Dies gilt auch bei einer Regulierung zur
Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht.
Wir sind der Auffassung, dass in Nordrhein-Westfalen diese Regulierung an
dieser Stelle zu weit geht. Der § 33 Abs. 4 wird am Ende dazu führen,
dass im Wesentlichen die jetzt bereits in den Startlöchern stehenden
Veranstalter - Sie kennen ja den Sender TV.NRW, diesen landesweiten
Fernsehveranstalter mit Beteiligung der Zeitungsverlage - sich mit Fug und
Recht überlegen müssen, ob sie das weiter betreiben können. Denn die
Wirtschaftlichkeit der Veranstaltung ist - das wissen alle hier im
Raum - sehr problematisch.
Ich darf auch hinweisen auf die Situation bei der Kirch-Gruppe und die
absehbare Beschränkung der Kirch-Gruppe auf ihre Kernaufgaben. Das hat Folgen
für das lokale Fernsehen und für die Möglichkeiten einer bundesweiten
Vermarktung. Man ist aus meiner Sicht als Gesetzgeber sicher auch berufen,
dafür Sorge zu tragen, dass ein Landesrundfunkgesetz in dieser Form, das neue
Landesmediengesetz, funktionsfähig ist. Und die Funktionsfähigkeit ist
angesichts des § 33 Abs. 4 nicht gewährleistet. Das ist ein ganz
entscheidender Punkt. Deshalb sind wir der Auffassung: Es ist sicher
entscheidend auch für den Medienstandort Nordrhein-Westfalen, dass es hier zu
einer Streichung dieser Vorschrift kommt. Wir halten das für angemessen, wenn
denn die Absicht besteht, eine Öffnung des Medienmarktes in Richtung lokales
Fernsehen vorzunehmen.
Für die Zeitungsverleger ganz allgemein gilt, dass wir - wie auch
andere Spieler auf diesen Spielfeldern - im Zeichen der Konvergenz und
Digitalisierung der Medien gehalten sind, uns auf allen Vertriebskanälen an
unsere Nutzer zu wenden. Wir haben nicht nur die Zeitungsleser. Wir haben auch
Radiohörer. Wir wollen auch Fernsehzuschauer für uns in den lokalen Märkten
gewinnen. Wir haben Internet-User. Und wir werden die Zukunft nur dann für uns
gewinnen können und werden unsere eigene Zukunftsfähigkeit als Zeitungsverlage
nur dann behaupten können, wenn wir in der Lage sind, attraktive Angebote auf
den verschiedensten Medienmärkten machen zu können. Sonst wird die Zeit an
Zeitungsverlagen vorbeigehen. Das, denke ich, kann nicht sein. Das kann nicht
im Sinne des Medienstandorts NRW sein. Das kann nicht im Sinne der
Arbeitsplätze sein, die da letzten Endes auf dem Spiel stehen. Ich will aber
darauf jetzt nicht weiter eingehen und dieses Argument nicht zu sehr
strapazieren.
§ 33 Abs. 3 ist natürlich auch eine Vorschrift, die uns nicht
gefällt. 24,9 % ist wenig phantasievoll. Das ist eine relativ weitgehende
restriktive Formulierung. Wenn Sie den Blick in die anderen Landesmediengesetze
richten, werden Sie feststellen, dass es nur in Thüringen und in
Baden-Württemberg Regelungen gibt, die diese eingeschränkte Formulierung
enthalten. In anderen Landesmediengesetzen - vor allen Dingen in Ländern,
in denen es überhaupt lokales Fernsehen gibt - werden Sie solche
Vorschriften nicht finden. Von daher, denke ich, kann man die 24,9 % auch
sicherlich noch einmal zur Diskussion stellen und andere Wege beschreiten, die
möglicherweise etwas phantasievoller sind und den Notwendigkeiten der
Zeitungsmedien gerechter werden.
Ich will noch einen Satz sagen zu der Frage von Herrn Dr. Grüll, inwieweit
es hier eine Sondersituation gibt, die uns von Hessen unterscheidet. Er spricht
damit einen Schlagabtausch im Medienausschuss des Landtages am 19. April
an. Hier war die Frau Staatssekretärin Meckel zu Gast, die als Begründung für
die Regelungen des § 33 Abs. 3 und § 33 Abs. 4 auf die
quasi monopolisierte Zeitungslandschaft Nordrhein-Westfalens verwies. Und
rückgefragt, warum es denn hier keine hessische Lösungsmöglichkeit gebe,
antwortete sie, dass die nordrhein-westfälische Situation ungleich
monopolisierter sei als die Situation in Hessen.
Meine Damen und Herren, das ist zwar der Versuch einer Begründung, aber es
ist keine Begründung. Dieser Versuch ist schlicht falsch. Das muss ich der
Medienwissenschaftlerin Meckel schon einmal vorhalten.
Ich kann dabei auf eine Untersuchung des Jahres 2001 verweisen, die in
"Media Perspektiven" erschien und sich den Zeitungsmarkt der
Bundesrepublik Deutschland vornimmt. In dieser Untersuchung kommt deutlich zum
Ausdruck, dass wir in Nordrhein-Westfalen nur über fünf Ein-Zeitungs-Kreise verfügen.
Das entspricht einem Bevölkerungsanteil von 9,3 %. Hessen dagegen verfügt
über insgesamt 38,5 % Ein-Zeitungs-Kreise. Das sind 10
Ein-Zeitungs-Kreise. Wenn Sie sich die Größenverhältnisse von Hessen und
Nordrhein-Westfalen vor Augen führen, heißt das mit anderen Worten: Die
hessische Zeitungssituation ist in weiten Teilen einschichtiger als die in
Nordrhein-Westfalen. Hier haben wir 46 Verlage, die 42 Zeitungstitel
herausgeben. Es ist die Zeitungslandschaft mit der größten Zeitungsdichte
bundesweit. Wenn das in "Media Perspektiven" steht - immerhin
einer Hauspostille der ARD/Hessischer Rundfunk -, denke ich, spricht
vieles dafür, dass man sich auf diese Daten auch verlassen kann.
Wenn also diese These richtig ist, kann man schlechterdings nicht daraus
folgern, dass hier in Nordrhein-Westfalen eine Gesetzgebung zum Thema
vorherrschende Meinungsmacht Platz greifen muss, die ungleich härter ist als
die in anderen Landesmediengesetzen.
Ich bitte also herzlich darum, § 33 Abs. 4 ersatzlos zu streichen.
Ich bitte darum, sich vor Augen zu führen, ob man mit einer Änderung der
Zielsetzung des § 33 Abs. 3 an diesem Standort Nordrhein-Westfalen,
der mit diesem "modernen" Mediengesetz die Zukunft für sich erobern
wollte, nicht doch besser fährt.
Dr. Nicola Hirsch (Deutscher Gewerkschaftsbund, Bezirk
Nordrhein-Westfalen): Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren! Auch
der DGB Nordrhein-Westfalen hält den vorliegenden Gesetzentwurf im Bereich des
Zulassungsverfahrens und im Bereich der Programmgrundsätze verfassungsrechtlich
und medienpolitisch nicht für ausreichend. Ich möchte aber nicht
verfassungsrechtlich argumentieren. In der Hinsicht schließe ich mich
ausdrücklich den Argumenten von Professor Dr. Stock, Frau Professor
Dr. Bock-Rosenthal und Frau Kaiser an.
Ich möchte Erfurt aufgreifen. Im Nachgang zu den Geschehnissen in Erfurt
haben wir eine breite gesellschaftliche Debatte über die Verantwortung von
Medien angeregt und angestoßen. Medien haben unstrittig eine Leitfunktion. Sie
prägen unsere Jugend und unsere Menschen. Deswegen machen wir uns darüber
Gedanken, wie diese Medienordnung aussehen soll. Deshalb machen wir uns
Gedanken darüber, wie auch private kommerzielle Veranstalter diesen
Anforderungen unterworfen werden sollen, obwohl sie damit Geld verdienen sollen
und wollen.
Im Zusammenhang mit Erfurt ist uns deutlich geworden, dass bestimmte
Bevölkerungsgruppen und gerade die Jugend für bestimmte Angebote im
Mediensektor nicht mehr erreichbar sind. Grob zugeschnitten kann man es so
formulieren, dass die Jugend für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verloren
ist. Gerade angesichts von Erfurt bedeutet dies, dass wir uns Gedanken darüber
machen müssen, wie der private kommerzielle Rundfunk seiner Leitbildfunktion
gerecht werden kann. Das bedeutet, wir benötigen auch Programmanforderungen,
die das gewährleisten. Wir benötigen dann auch ein Zulassungsverfahren, welches
gewährleistet, dass diese Programmanforderungen realisiert werden können. An
dieser Stelle taucht wieder das Stichwort der positiven Rundfunkordnung auf. Im
Sinne dieser positiven Rundfunkordnung muss schon im Zulassungsverfahren
geprüft werden, ob der Veranstalter in der Lage ist, seinen Anforderungen
gerecht zu werden.
Ich halte den Begriff "Führerscheinmodell" für einen
Etikettenschwindel. Jeder Führerscheinbewerber muss mehr nachweisen, bevor er
eigenständig fahren darf, als privat-kommerzielle Rundfunkveranstalter nach dem
Landesmediengesetz tun müssten.
Der DGB Nordrhein-Westfalen fordert die Abgeordneten auf, das
Landesmediengesetz so auszugestalten, dass schon im Zulassungsverfahren geprüft
werden kann, ob die Veranstalter den Programmgrundsätzen gerecht werden können.
Wir fordern außerdem, dass die Programmgrundsätze die alten Anforderungen der
§§ 11 und 12 des Landesrundfunkgesetzes wieder aufnehmen.
Jürgen Doetz (Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation
e. V.): Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es soll Sie
nicht erschrecken, wenn ich mich weitgehend mit dem einverstanden erklären
kann, was Herr Dr. Schneider für die Landesmedienanstalt erklärt hat. Ich
hoffe, es schadet Ihnen nicht, Herr Dr. Schneider.
Lassen Sie mich vorab eine Bemerkung an die Adresse des DGB machen: Mit
Verlaub gesagt, finde ich es unfair - wäre die positive Beschreibung,
unanständig wäre die negative -, die Diskussion über die Notwendigkeit von
Programmaufträgen mit den Geschehnissen in Erfurt zu begründen. Wir haben
Grundsätze. Wir haben einen effizienten Jugendschutz. Die Runde beim
Bundeskanzler war sich darüber einig, dass der vorschnelle Ruf nach neuen
Regelungen - möglicherweise gesetzliche - genau in die falsche
Richtung geht. Ich glaube auch nicht, dass das Landesmediengesetz von
Nordrhein-Westfalen derzeit die Frage klären will, wie man mit Gewinnspielen,
mit Videofilmen und anderem umgeht. Man wird der notwendigen Debatte um die
Konsequenzen von Erfurt nur gerecht, wenn man nicht monokausal diskutiert. Wir
stehen als private Veranstalter zweifellos in der Mitverantwortung, ebenso wie
viele andere auch. Dies hier als Argument einzuführen, ist für mich wenig
hilfreich. Ich halte die Auffassung des Vorsitzenden der ARD bei diesem
Gespräch, zumindest sei er sicher, dass der Täter von Erfurt kein ARD-Zuschauer
gewesen sei, in dieser Debatte auch nicht für zweckdienlich. Aber dies war nur
eine Vorbemerkung.
Deregulierung und Liberalisierung ist ein Motiv des Gesetzes. Herr Professor
Dr. Stock, Sie können ohne einen Blick auf die technologische Entwicklung
heute leider keine Gesetze mehr beschließen. Was Sie gesagt haben, gehört in
eine andere technologische Welt. Ich will gar nicht auf Unterschiede in der
Marktbewertung und Marktentwicklung eingehen. Darüber kann man sicherlich
verschiedener Meinung sein. Aber dass die Technologie zu Antworten zwingt, die
nicht mehr diejenigen von gestern sein können, wenn es glaubhaft sein und
umgesetzt werden soll, ist klar. Was haben Sie von einem Gesetz, wenn es keine
Chancen gibt, dass die Paragraphen umgesetzt werden können? Das kann nicht die
Aufgabe sein. Deshalb halte ich das, was in den §§ 4 bis 9 formuliert wurde,
für diesem System entsprechend, für dieser Notwendigkeit entsprechend und für
angemessen.
Nun haben Sie diese grundsätzliche Tendenz in dem Gesetzentwurf nicht
durchgehalten. Herr Hegemann fragte nach einer allgemeinen Bewertung, ob man
damit leben könne. Leben wollen tue ich mit einigen Punkten äußert ungern. Ob
wir damit leben können? Der private Rundfunk hat in den letzten zwanzig Jahren
trotz allem, was dazu beschlossen wurde, gelernt zu leben. Er hat auch
vielfältige Unterstützung erfahren. Dies sei auch gesagt. Die Welt geht davon
nicht unter. Was Sie aber hier beschließen, ist in einzelnen Punkten doch sehr
rückschrittlich bzw. selbst für die Betroffenen nicht unbedingt zukunftsfähig.
Ich nenne nur kurz das Thema der unabhängigen Produzenten, das Sie ohne
Rücksicht auf die Diskussion in Europa und bundesweit einführen. Man kann
natürlich sagen: Wir sind Vorreiter. Ich frage aber, ob das wirklich den
betroffenen Produzenten und dem Programmveranstalter nutzt. In der Praxis
erlebe ich viel häufiger, dass sich unabhängige Produzenten oft eine engere
Anlehnung an die Medienunternehmen wünschen. Dies geschieht vor dem Hintergrund
der Frage, ob es sie sonst morgen noch gibt. Pragmatisch soll es schon sein.
Vielleicht kann man über den Pragmatismus ebenso nachdenken wie über die
Aussage zu den Fensterprogrammen, die Sie nach wie vor für die Nutzung
terrestrischer Frequenzen vorschreiben. Der Wert terrestrischer Frequenzen wird
immer noch weit überschätzt. Bei bundesweiten Veranstaltern beträgt er noch
6 %. Vor zehn Jahren waren es bei bundesweiten Veranstaltern 51 %.
Glauben Sie doch nicht, dass diese Entwicklung nicht auch in schwierigen
wirtschaftlichen Zeiten zum Nachdenken führt. Das passiert bei der
Digitalisierung. Wollen Sie wirklich jedem Nutzer innerhalb eines Buketts ein
landesweites Fensterprogramm zuschlagen? Die Durchsetzung der Digitalisierung,
möglicherweise auch der terrestrischen Digitalisierung, wird damit in weite
Ferne geschoben. Es ist nicht so, dass wir diejenigen sind, die die digitale
Terrestrik fordern. Derzeit ist es so, dass wir uns breitschlagen lassen, uns
an Pilotprojekten zu beteiligen. So sieht die Realität aus. Ob Sie diese
Realität fördern, indem Sie die Hürde bei der digitalen Terrestrik noch höher
legen, wage ich zu bezweifeln.
Ein weiterer pragmatischer Hinweis zu § 33, in dem eine 20%ige
Beschränkungsbeteiligung für bundesweit verbreitete Veranstalter verankert ist:
Sie können sich vielleicht vorstellen, dass das eine oder andere
Medienunternehmen in den Ländern Bayern, Hamburg und Berlin derzeit Hilfe
suchend angesprochen wird, etwas zur Rettung des dortigen
Ballungsraumfernsehens zu tun. Es wurde schon auf eine Verbindung der
bundesweiten Vermarktung hingewiesen, wenn die drei Ballungsraumsender
wegfallen. Für das Medienunternehmen, bei dem ich mein Geld verdiene, könnte
ich dann in Hamburg, Bayern und Berlin sagen: Sorry, mich geht die Rettung
eures Ballungsraumfernsehens nichts an. Wir haben - Gott sei Dank -
bundesweit einen mehr als 20%igen Marktanteil. Auch dies ist ein pragmatischer
Hinweis. Man muss das Szenario meines Erachtens immer wieder an der Realität
überprüfen.
Bei den Mediendiensten ist es mir ebenso gegangen wie Herrn
Dr. Schneider. Sie werden immer wieder einmal genannt, aber es ist nicht
stringent und nicht konsequent. Manchmal sollen sie zur Meinungsbildung
beitragen. Das können sie nicht. Dann sind sie wieder bei der Belegung
nachrangig. Ich würde das Thema Mediendienste schon von der Gesetzesstruktur
her noch einmal überprüfen, da es auch um eine gewisse Einheitlichkeit bei der
Bewertung dieses Themas geht.
Insgesamt gibt es viel Positives bei dem Gesetzentwurf. Auf den einen oder
anderen Punkt wird Frau Haas noch einmal eingehen, weil sie veranstalterbezogen
sind und Sat 1 und RTL betreffen, während der VPRT alle vertritt.
Sie hatten mir die Möglichkeit gegeben, etwas Allgemeines zu sagen. Ich habe
die Einladung aber auch angenommen, um einige konkrete Punkte zu nennen,
aufgrund derer wir unsere Zukunft noch schwieriger sehen, als sie aufgrund der
wirtschaftlichen Entwicklung im Werbemarkt schon ist.
Dr. Mechthild Winkelmann (Verbraucher-Zentrale
Nordrhein-Westfalen, Landesarbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e.V.):
Aus Sicht der Verbraucher-Zentrale Nordrhein-Westfalen darf sich die Zulassung
nicht auf rein formale Zulassungskriterien wie uneingeschränkte
Geschäftsfähigkeit und anderes beschränken.
Die bislang in § 5 enthaltenen Zulassungsvoraussetzungen, wonach
Antragsteller in der Lage sein müssen, Rundfunkveranstaltungen durchzuführen,
die anerkannten journalistischen Kriterien und Grundsätzen genügen, muss sich
nach Ansicht der Verbraucher-Zentrale Nordrhein-Westfalen auch im neu zu
fassenden Landesmediengesetz wiederfinden. Außerdem müssen die
Qualitätsstandards für Vollprogramme, wie sie bislang in § 11
festgeschrieben waren, weiterhin "festgeklopft" werden. Der freie
Markt stellt an und für sich keine positive Rundfunkordnung her.
Für die Zulassung von Mediendiensten müssen Kriterien für die Zulassung
entwickelt werden, anstatt sie im Nachhinein frei auf den Markt zu werfen. Das
Gleiche kennen wir analog aus anderen Branchen, beispielsweise bei der
Zulassung von Arzneimitteln. Ich möchte Ihren Blick auf § 41 des neuen
Landesmediengesetzes lenken. Darin hat der Gesetzgeber formuliert, dass die
Qualität von Medienprodukten im Nachhinein zertifiziert werden soll. Dadurch
soll Nutzern anhand von Qualitätskennzeichen eine Orientierung darüber
verschafft werden, wie Medienprodukte zu bewerten sind. Es stellt sich die
Frage, warum Qualität nicht schon bei der Zulassung gesichert werden kann,
anstatt die Produkte ex ante zu zertifizieren.
Martin Wonik (Landesjugendring Nordrhein-Westfalen e.V.): Der
Landesjugendring möchte sich in der Diskussion zu Block 1 auf einen Kommentar
zu § 35 zum Thema Jugendschutz beschränken.
Die Notwendigkeit und Wichtigkeit von Jugendschutz für Kinder und
Jugendliche insgesamt ist unbestritten. Der Landesjugendring hat in der
aktuellen Landesjugendkommission den Ausschussvorsitz im Bereich Jugendschutz.
Diese Themen werden in den Sitzungen des Landesjugendrings regelmäßig intensiv
diskutiert. Wir haben uns in den letzten Jahren besonders mit den daily talks,
mit den Talkshows, auseinander gesetzt. Wir sind auch daran interessiert, dass
im Rahmen von Programmbeschwerden weiterhin darauf geachtet wird, dass keine
kinder- und jugendgefährdenden Sendungen verbreitet werden können.
Was uns bedenklich stimmt, ist - das ist jetzt leider in § 93
geregelt -, dass der Landesjugendring als Dialogpartner zu diesem Thema
wahrscheinlich nur noch alle 18 bis 24 Jahre gefragt ist. Wir denken, dass
dieser Dialog mit den Vertretern - wir sind 21 Verbände mit insgesamt
wahrscheinlich 4 bis 5 Millionen organisierten Kindern und Jugendlichen in
Nordrhein-Westfalen - nicht aufhören darf. So wie die Konstruktion im
Moment aussieht, finden wir uns da nicht richtig wieder. Das ist uns sehr
wichtig.
Wir haben auch etwas zu § 39 zu sagen. Darüber soll dann in
Block 2 noch einmal diskutiert werden.
Noch einmal: Die hohe Betonung des Jugendschutzes, ohne auf aktuelle Anlässe
einzugehen, ist etwas, was uns dauerhaft beschäftigt. Wir haben im Moment den
Eindruck, dass wir im Dialog gar nicht mehr so gefragt sind.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Herzlichen Dank. - Ich
hoffe, dass Sie den heutigen Tag nicht dazu zählen. Denn Sie sind uns ein
wichtiger Partner im Dialog.
Ich habe nun die Aufgabe, eine zweite Runde zu eröffnen. Dazu liegt mir
bereits eine Wortmeldung von Frau Brunn vor.
Anke Brunn (SPD): Ich frage jetzt nicht noch einmal zur
Zulassung. Dazu wurde schon einiges ausgeführt. Ich frage noch einmal zu
Abschnitt III, den Übertragungskapazitäten. Meiner Meinung nach müssten
wir gerade zu diesem Punkt die Stellungnahme des DeutschlandRadios hören, zumal
doch die Gefahr besteht, dass in der Einteilung zwischen den
Öffentlich-Rechtlichen und den anderen die kleinen Öffentlich-Rechtlichen unter
Umständen zu kurz kommen können, wenn das nicht präzise ausgeführt wird.
Es gibt dann noch eine andere Frage zu den Übertragungskapazitäten. Wir
würden gerne zu der Zuweisung ergänzend die Stellungnahme der LfR etwas
vertieft hören, weil im Zusammenhang mit dem, was heute Nachmittag diskutiert
wird - die Belegung von Kabelanlagen -, möglicherweise eine Regelungslücke
auftritt. Das müsste hier noch einmal vertieft werden.
Dann habe ich mit Blick auf die Programmanforderungen gerade nach den
Stellungnahmen, die eben abgegeben worden sind, die Frage nach der
Wirtschaftlichkeit des Ballungsraumfernsehens. Hierzu hat der Vertreter des
Verlegerverbandes sehr ausführlich Stellung genommen. Da müssten wir auch noch
einmal die Stellungnahme des FORMATT-Instituts mit einbeziehen, die dieses
Thema auch für NRW untersucht hat und zu etwas anderen Positionen kommt. Das
sollte hier vorgetragen werden.
Wenn man jetzt auf den § 33 Abs. 4 verzichten würde und nur noch
den § 33 Abs. 3 hätte und wenn man vonseiten der Veranstalter die
Position von Herrn Doetz ernst nimmt, müssten die freien Produzenten dies, was
eben gesagt wurde, als Kriegserklärung ansehen. Deshalb müsste man auch deren
Position zu dieser Frage hören. Es wäre mir sehr wichtig, wenn Frau Wilde
hierzu etwas sagen könnte.
Eine abschließende Frage habe ich an Herrn Stock. Er hat sehr dezidiert die
Positionen zu den Notwendigkeiten, den allgemeinen Vorschriften bei Zulassung
und Programmqualität usw. erläutert. Die Frage ist, inwieweit sich das
bisherige Modell mit seinen tatsächlichen Sanktionsmöglichkeiten in der Praxis
so stark bewährt hat, dass man diese Positionen alle beibehalten möchte.
Weil ich in demselben Gremium die Diskussionen verfolge, frage ich mich, ob
da nicht vieles aus der Praxiserfahrung heraus für die Vereinfachung spricht,
die da vorgesehen ist. Die andere Frage ist, ob die Vereinfachung zu weitgehend
ist und die Ermächtigungen für Satzungen nicht so allgemein sind, dass nachher
auf der Basis keine Satzungen mehr gemacht werden können. Dazu hätte ich gerne
auch Ihre Auffassung gehört.
Dr. Stefan Grüll (FDP): Ich möchte mich auf drei
Aspekte beschränken, erstens eine Nachfrage bei Frau Professor Bock-Rosenthal.
Sie haben in der Tat zur Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, Ballungsraumfernsehen
dezidiert und kritisch Stellung genommen. Teilen Sie meine Ansicht, dass es
Aufgabe des Gesetzgebers ist, lediglich die Grundlagen dafür zu schaffen, dass
sich einer dort engagieren kann, wenn er denn glaubt, dass es für ihn
wirtschaftlich ist? Teilen Sie die Auffassung, dass es dann eine
unternehmerische Entscheidung sein muss, wenn jemand zu dem Ergebnis kommt, sich
dort aus wirtschaftlichen Gründen nicht zu engagieren, dass es also nicht
Aufgabe des Gesetzgebers sein kann, diese Entscheidung vorwegzunehmen?
Zweite Bemerkung an Herrn Hahn-Cremer: Ich habe Ihnen wie immer auch in den
Feinheiten Ihrer Formulierungen zugehört und festgestellt - Sie mögen mich
korrigieren, wenn mein Eindruck mich trügt -, dass Sie die 24,9 % als
vertretbar, aus Ihrer Sicht sogar für eher sinnvoll bezeichnet haben, dass Sie
aber keinesfalls gesagt haben, eine andere Quotierung, eine andere nicht so
restriktive Begrenzung im Gesetz sei verfassungsrechtlich nicht möglich. So
habe ich Sie jedenfalls verstanden.
Dass man dann eine politische Entscheidung im Rahmen des
verfassungsrechtlich Möglichen treffen muss, steht auf einem anderen Blatt.
Dort haben Sie sich positioniert - wenn ich Sie richtig verstanden
habe -, aber Weitergehendes - ich verweise an der Stelle auch auf
das, was Herr Becker zu Hessen gesagt hat - sei wohl möglich.
Die dritte Bemerkung: Ich greife das auf, weil ich an dieser Stelle eine
sehr hohe Sympathie zum Thema DeutschlandRadio habe. So ist das manchmal Herr
Intendant Elitz: Qualität und Quantität stehen nicht immer im Gleichklang
zueinander. Als FDP-Abgeordneter weiß ich, wovon ich in diesem Zusammenhang
rede. Bei Ihnen hat das auch mit Kapazitäten zu tun, die zur Verfügung gestellt
werden, damit man Sie überall empfangen kann. Insofern meine Frage an Sie,
respektive auch an Frau Michel in diesem Zusammenhang: Sie haben in Ihrer
Zuschrift einen Formulierungsvorschlag gemacht, wie denn zukünftig der
§ 10 zu fassen sei, wenn man WDR und wenn man DeutschlandRadio expressis
verbis erwähnt. Das lehnt sich, wenn ich es richtig habe überprüfen können, an
andere Landesrundfunkgesetze in diesem Zusammenhang an.
Meine Frage in diesem Zusammenhang auch an Frau Michel: Wäre diese
Formulierung, die das DeutschlandRadio vorgeschlagen hat, auch eine, die von
Ihnen mitgetragen werden könnte?
Wenn Sie, Herr Elitz, die Gelegenheit nutzen würden, vielleicht zwei, drei
Sätze zum DeutschlandRadio dem Grunde nach zu verlieren, wäre ich Ihnen sehr
dankbar. Sie kennen meine hohe Sympathie an dieser Stelle für das, was Sie hier
vertreten.
Lothar Hegemann (CDU): Ich habe noch eine Frage an Herrn
Dr. Rath-Glawatz. Die Landesregierung hat als Begründung für die
Quotierung von Ballungsraumfernsehen angegeben, dass sie damit Wettbewerb
sichern will. Nun haben wir heute vom Vertreter des Verlegerverbandes gehört
- wir kennen dies auch aus Pressemeldungen und Zuschriften -, dass
damit wahrscheinlich kein Ballungsraumfernsehen auf privater Initiative in
Nordrhein-Westfalen möglich ist. Teilen Sie die Ansicht der Landesregierung,
dass es dennoch für mehr Wettbewerb spricht, wenn man diese 24,9 % jeweils
einrichtet? Oder ist es Wettbewerb, wenn der WDR alleine am Markt ist?
Ich habe noch eine weitere Frage hinsichtlich des Fensterprogramms an Frau
Haas von RTL. Ich glaube, mit 6 %, Herr Doetz, können wir alleine nicht
argumentieren. Wir haben ja die Fenster im Kabel auch. Insofern ist das etwas
mehr als nur 6 % terrestrisch, was hier in Nordrhein-Westfalen konsumiert
wird. Meines Erachtens ist nur der Satellit frei. Ich möchte auch noch einmal
aus Sicht von RTL gerne wissen, inwieweit Sie dies als Zwang und als eine
Regelung ansehen, die sich überholt hat. Sagen Sie auch da: Das hat sich
etabliert, da machen wir weiter so?
An Herrn Doetz und an Herrn Schneider, ich habe Sie nicht gefragt, wie Sie
mit dem Gesetz leben können, dennoch schön, dass Sie darauf geantwortet haben.
Sie müssen damit auch leben, wenn es verabschiedet ist.
Tanja Brakensiek (CDU): Ich habe eine Frage an den Herrn
Röper von FORMATT, weil er, wenn mein Eindruck richtig ist, genau die
gegenteilige Auffassung von Herrn Dr. Becker vertritt.
Herr Dr. Becker, Sie sprachen gerade in Ihrem Vortrag davon, dass man
sich durchaus andere kreative Möglichkeiten und Lösungen vorstellen kann, den
§ 33 anders in den Griff zu bekommen. Vielleicht können Sie einmal
ausführen, wie Sie sich das vorstellen - nicht unbedingt an Zahlen, sondern vielleicht
anhand von Modellen.
Dann habe ich eine Frage an die LfR. Vielleicht möchten Sie dazu auch noch
einmal Stellung nehmen. Ich denke, Herr Hahn-Cremer hat sich sehr detailliert
geäußert. Ich möchte gerne Herrn Dr. Schneider fragen, wie Sie die
Möglichkeiten beurteilen, dass die LfM ihrer auch weiterhin bestehenden Aufgabe
der Qualitätsvorsorge unter den geänderten Rahmenbedingungen, wie sie nach dem
Entwurf das Landesmediengesetz vorsehen wird, gerecht werden kann.
Dr. Frank Freimuth (SPD): Eine kurze Nachfrage noch,
was den § 33 Abs. 3 angeht. Ich möchte gerne aus Sicht des
Verfassungsrechtlers noch einmal die Positionierung haben. Ich frage Herrn
Professor Stock nach seiner Einschätzung des § 33 Abs.3 insbesondere im
Hinblick auf die 24,9 %-Regelung.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Herzlichen Dank. Ich
versuche, das jetzt inhaltlich zu strukturieren. Ich darf zunächst mit dem
DeutschlandRadio beginnen und Herrn Intendanten Elitz bitten, nach vorne zu
kommen.
Ernst Elitz (Intendant des DeutschlandRadios): Ich bedanke
mich für die Möglichkeit, hier aus Sicht des nationalen Hörfunks, dessen eines
Standortland Nordrhein-Westfalen ist, Stellung zu nehmen. Ich finde es gut,
dass in einer solchen Runde die Möglichkeit besteht, dass die vielfältigen
Interessen, Vorschläge und Empfehlungen, die bei der Neufassung eines
Landesmediengesetzes von öffentlichen Gruppen vorzutragen sind, in dieser Art
und Weise hier gehört werden. Gerade angesichts der gegenwärtigen Diskussion,
in der die Medien stehen, ist es meiner Meinung nach zu begrüßen - das
haben wir auch heute zum Thema Jugendschutz gesehen -, wenn die
gesellschaftlichen Gruppen, die über die Parteien hinaus die gesellschaftlichen
Positionen vertreten, die Möglichkeit erhalten, hier ihre Bedenken, ihre Sorgen
und ihre Vorschläge vorzutragen.
Für das DeutschlandRadio ist speziell die Zuordnung der
Übertragungskapazitäten von Interesse. Das ist von Frau Brunn und von Herrn
Grüll dankenswerterweise hier noch einmal vorgetragen worden. Der Landtag von
Nordrhein-Westfalen hat im Jahre 1993 festgelegt, dass die beiden
Programme des nationalen Hörfunks, Deutschlandfunk in Köln und DeutschlandRadio
Berlin in der Hauptstadt produziert, eine bundesweite flächendeckende
Ausstrahlung haben sollten. Das ist dann, unter Zustimmung aller Bundesländer,
auch des Parlamentes in Nordrhein-Westfalen, in den Staatsvertrag für den
nationalen Hörfunk eingeflossen.
Nun weist die frequenztechnische Versorgung im wichtigen UKW-Bereich in
Nordrhein-Westfalen leider noch sehr starke Lücken auf. Das ist umso
bedauerlicher, als dass DeutschlandRadio sich dem Lande Nordrhein-Westfalen in
besonderer Weise verpflichtet fühlt. Nordrhein-Westfalen ist neben Berlin
Standort des DeutschlandRadios.
Aber an diesem Standort NRW ist, bezogen auf die Fläche des Landes, für den
Deutschlandfunk nur eine technische Reichweite von 25 % und für das
DeutschlandRadio Berlin nur eine technische Reichweite von 30 % gegeben,
wobei die technische Reichweite allein auch noch nicht volle Aussagekraft besitzt.
Denn die Frequenzen, über die die Programme des nationalen Hörfunks verfügen,
sind weitgehend schwache Frequenzen, die sich deshalb nur schwer für eine
mobile bzw. automobile Versorgung und einen Empfang während des Weges zur
Arbeit von einer Stadt zur anderen - auch das sollte gewährleistet
werden - eignen. Viele von Ihnen wissen das vielleicht aus eigener
Erfahrung. Insoweit besteht hier ein großer Nachholbedarf.
Die Programme des Deutschlandsradios tragen zur Vielfalt der elektronischen
Medienangebote in Nordrhein-Westfalen entscheidend bei. Das DeutschlandRadio
hat sich auf den Grundversorgungsauftrag auf den Feldern Information und Kultur
zu konzentrieren. An der Stelle muss ich der Kollegin vom DGB widersprechen:
Das macht das DeutschlandRadio auch, indem es als öffentlich-rechtlicher Sender
ein junges Publikum anspricht. Für Frau Haas und Herrn Doetz hat es mich
natürlich gefreut, dass der DGB meint, die Jungen wären alle bei RTL und
Sat 1. Aber auch im Namen der hörenden Gewerkschaftsmitglieder beim DeutschlandRadio
möchte ich dieser Position widersprechen. Ich glaube, dass auch der WDR eine
ganz erkleckliche Anzahl junger Zuhörer durch seine attraktiven Programme
ansprechen kann. Darum wird sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch in
Zukunft bemühen.
Das DeutschlandRadio ist zweifellos eine der drei Säulen am Medienstandort
Nordrhein-Westfalen. Die eine Säule ist der starke WDR als regionale und auch
weit über die Region hinaus wirkende Landesrundfunkanstalt. Die zweite Säule
ist zweifellos der private Sektor mit seiner unumstrittenen und manchmal von
einigen auch bestrittenen Unterhaltungskompetenz. Der nationale Hörfunk ist die
dritte Säule, das DeutschlandRadio mit seiner klaren Konzentration auf einen
klassischen Rundfunkauftrag.
Die Damen und Herren Abgeordneten haben es schon angesprochen, und auch ich
spreche mich dafür aus, dass das DeutschlandRadio expressis verbis in § 10
Abs. 2 Satz 1 des Entwurfs als versorgender öffentlich-rechtlicher
Rundfunk aufgeführt wird. Deshalb schlage ich vor, das entsprechend zu
formulieren: Die Sicherstellung der Grundversorgung mit den Programmen des WDR,
des ZDF und der Körperschaft DeutschlandRadio hat Vorrang! - In allen
anderen Bundesländern - auch am Standort Berlin - wird das
DeutschlandRadio ebenfalls expressis verbis neben der Landesrundfunkanstalt
erwähnt, die hier ebenfalls für die ARD steht und an ARD-Programmen beteiligt
ist sowie für das ZDF. Verständigt man sich auf diese Formulierung, dann fände
man in Nordrhein-Westfalen einen Gleichklang mit anderen Landesmediengesetzen.
Das wäre sehr sinnvoll.
Entsprechende Formulierungen sollten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
sowie für das DeutschlandRadio auch in den anderen Paragraphen, in denen es um
Ausstrahlungskapazitäten und Zuordnungen geht, berücksichtigt werden. Das wären
§ 18 Abs. 3, § 21 Abs. 2. Dort sollten entsprechende
Regelungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufgenommen werden, die
sicherstellen, dass auch diese Programme in erster Linie empfangbar sind.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Herzlichen Dank, Herr Elitz.
- Zu diesem Themenkomplex darf ich jetzt noch Frau Michel vom WDR bitten,
die direkt angesprochen worden ist. Anschließend folgt Frau Haas von RTL. Dann
würden wir - Ihr Einverständnis vorausgesetzt - zum § 33
übergehen.
Eva-Maria Michel (Westdeutscher Rundfunk): Ich bin hier
konkret zu den vom DeutschlandRadio vorgeschlagenen klarstellenden
Formulierungen und zur Aufnahme der Konkretisierung der grundversorgenden
Programme angesprochen worden. Damit kann sich der WDR ausdrücklich
einverstanden erklären. Herr Elitz hat dazu bereits das Notwendige gesagt. Der
WDR steht hier zugleich für die ARD-Programme. Im Übrigen meinen wir, dass
diese Regelung allerdings lediglich klarstellende Funktionen hat. Selbstverständlich
haben wir DeutschlandRadio bisher bereits zu den grundversorgenden Programmen
gezählt, sodass wir einer solchen Regelung keine konstitutive Bedeutung
beimessen würden.
Lassen Sie mich an dieser Stelle aber - wenn es gestattet ist -
auf zwei weitere Punkte eingehen: Zu § 10 Abs. 3 plädiert der
öffentlich-rechtliche Rundfunk bei der erstmaligen Zuordnung digitaler und
terrestrischer Übertragungskapazitäten dafür, dass der Umstiegsprozess von
analog zu digital im Gesetz besser konkretisiert wird. Eine Vorlage hierfür
könnte § 52 a des neuen Rundfunkstaatsvertrages bieten. Die
Begründung enthält einige Kriterien, wann der Umstieg tatsächlich zu
angemessenen Bedingungen erfolgt. Diesen Umstieg zu fördern, ist nach § 27
Abs. 2 Aufgabe der Landesmedienanstalt. Wir meinen, in § 10
Abs. 3 oder § 27 müssten die Bedingungen konkretisiert werden, wie
die Regelungen zum § 52 a des Rundfunkstaatsvertrages in das Gesetz
integriert werden.
Ich möchte noch einen weiteren Aspekt ganz kurz ansprechen: In § 18 Abs. 3
- das ist bereits von mehreren Seiten kritisiert worden - geht es um
die Beschränkung der Belegungskompetenzen der Landesmedienanstalt für die
Zukunft. An der Stelle können wir uns nur ausdrücklich dem Petitum insbesondere
von Herrn Schneider und der Landesmedienanstalt anschließen. Wir plädieren
deshalb dafür, diese Beschränkung der Belegungskompetenz zu streichen und es
bei der bisherigen Belegungskompetenz zu belassen.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Vielen Dank, Frau Michel.
- § 18 kommt nachher im vierten Block an die Reihe, sodass wir das
Thema dann sicherlich auch noch einmal werden ansprechen können.
Ingrid Haas (RTL Television GmbH): Ich bin konkret zu
den Fensterprogrammen gefragt worden. RTL wird weiter an den Fensterprogrammen
festhalten. Deshalb wollen wir derzeit auch nicht auf unsere terrestrischen
Kapazitäten verzichten, weil das Reichweitenmoment für einen großen
Programmanbieter wie RTL und andere private Sender sehr wichtig ist. Allerdings
stimmt natürlich die grundsätzliche Aussage von Herrn Doetz, dass die
Terrestrik im Mix der Übertragungswege von abnehmender Bedeutung ist. Der große
Vorteil, den eine terrestrische Lizenz, an die das Fensterprogramm gekoppelt
ist, im Moment bietet, ist, dass man ein gesetzlich bestimmtes Programm ist und
deswegen bei den Vorrangentscheidungen bei der Kabelbelegung quasi bevorzugt
behandelt wird.
Wenn wir uns aber die Regelungen ansehen, die nach dem neuen
Landesrundfunkgesetz für die Fensterprogramme vorgesehen sind, und dort die
zwingende Vorschrift steht, dass - wann immer ein Programm terrestrisch
übertragen wird - ein Fensterprogramm veranstaltet werden muss, wird das
unweigerlich den Tod der digitalen Terrestrik für Nordrhein-Westfalen bedeuten.
Damit zwingen Sie nämlich jedes terrestrisch verbreitete Programm - auch
diejenigen, die bisher nicht terrestrisch verbreitet worden sind oder die in
ihrer terrestrischen Lizenz keine solche Verpflichtung festgeschrieben haben
- dazu, ein Fensterprogramm zu veranstalten, das sich - damit verrate
ich Ihnen nichts Neues - nicht rechnet, sondern sehr viel Geld kostet. Für
die Senderfamilie von RTL hieße das konkret, dass in einem digitalen Bukett von
RTL nicht nur RTL ein Fensterprogramm veranstalten müsste, sondern auch
RTL 2, Vox und Super-RTL. Darauf wird sich bei uns niemand einlassen
können.
Wir haben vorhin ein Thema nicht angesprochen, das ich allerdings gerne
ansprechen möchte. Dabei geht es um den § 14 und die Vorrangentscheidung
bei der Zuweisung. Dort wird eine wichtige Regelung neu gefasst, die bisher in
der Diskussion untergegangen ist. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass das
Kriterium der Publikumsakzeptanz bei der Belegung von Kabelanlagen entfällt und
stattdessen das Kriterium der Anbietervielfalt dort auftaucht. Überlegt man
sich einmal die Konsequenzen, ist das - pointiert formuliert - ein
Angriff auf die Senderfamilien. Es mag ja den Wunsch geben, keine großen
Senderfamilien mehr zu haben, sondern dass man eine Fülle von kleinen Anbietern
im Kabel haben möchte. Vor dem Hintergrund stellt sich die Frage: Was bringt
das für die Programmvielfalt tatsächlich?
Man erinnere sich, dass die Entstehung der Senderfamilien wirtschaftlichen
Überlegungen geschuldet ist. Auf die schwierige wirtschaftliche Situation, in
der wir uns aktuell befindet, ist schon hingewiesen worden. Die Bildung von
Senderfamilien ist insofern eine wirtschaftliche Notwendigkeit, müssen wir uns
doch vergegenwärtigen, dass aufgrund dieser Regelungen Programme - ich
spreche jetzt für unsere Senderfamilie -, die über eine hohe Publikumsakzeptanz
verfügen, aufgrund des Kriteriums der Anbietervielfalt nicht mehr im Kabel
auftauchten, damit massiv an Reichweite verlieren und deshalb wirtschaftlich
nicht mehr darstellbar wären.
Auf die Frage, ob wir mit einem solchen Landesmediengesetz leben können,
müsste ich sagen: Nein, das können wir nicht.
Was die Kabelbelegung und die entsprechenden Regelungen angeht, kann ich
mich nur den Ausführungen von Herrn Dr. Schneider und Herrn Doetz
anschließen. Wir halten die Regelungen, wie sie nach dem Entwurf vorgesehen
sind, für nicht sehr sinnvoll und zielführend.
Horst Röper (FORMATT-Institut): Wir haben - um diese
Studie geht es ja - seinerzeit im Auftrage der LfR eine Untersuchung über
Möglichkeiten für kleinräumigen privaten Rundfunk, der werbefinanziert ist,
vorgenommen. Wir hatten landesweite Programme - Hörfunk oder
Fernsehen - zu untersuchen und was unter welchen Bedingungen in
Nordrhein-Westfalen möglich wäre. Darüber hinaus sollten wir die Auswirkungen
ermitteln.
Wir haben gesehen, dass sowohl im landesweiten Hörfunk- wie auch
Fernsehbereich über den Werbemarkt keine wesentliche Zahl neuer Angebote zu
finanzieren ist. Das gilt - das war für uns in Teilen nicht nur
ernüchternd, sondern auch erschreckend - eben auch für die Ballungsräume,
die von der Industrie selbst als mögliche Ballungsräume benannt worden waren:
das Ruhrgebiet, aufgesplittet in Ost und West oder gemeinsam, die Rheinschiene,
aufgesplittet in Köln und Düsseldorf oder auch gemeinsam.
Wir mussten feststellen, dass insbesondere im Fernsehbereich keine
Möglichkeiten gegeben sind, über den Werbemarkt in den einzelnen Gebieten
gleich mehrere Programme zu finanzieren. Das bedeutet: Ein Binnenwettbewerb
zwischen Angeboten gleicher Prägung kann in diesen Gebieten jedenfalls finanziert
über den Werbemarkt nicht stattfinden. Umso stärker ergibt sich daraus
natürlich ein Regelungsbedarf für die wenigen Programme, die man überhaupt
erwarten kann.
Zur Beteiligung der Zeitungsverleger: Ich halte die Grenze, die der
Gesetzentwurf zieht, für absolut berechtigt, gerade auch hier in
Nordrhein-Westfalen, weil - das hat auch Herr Hahn-Cremer
ausgeführt - die Zeitungsverlage hierzulande vom Gesetzgeber schon gut
bedient worden sind, als sich erstmals eine Chance bot, die ausgedünnten
lokalen Informationsmärkte mit neuen Medien zu versorgen. Damals ging es um den
lokalen Hörfunk. Dieser lokale Hörfunk ist zu großen Teilen über die
Betriebsgesellschaften an die Verleger gegangen. Jetzt bietet sich erneut die
Chance, diese monopolisierten Medienmärkte mit neuen Angeboten zu versehen. Die
Anbieter können dann nicht wieder diejenigen sein, die diese Märkte ohnehin
schon beherrschen.
Herr Becker hat dankenswerterweise ausgeführt, dass wir - sprechen wir
von Zeitungsverlagen - eigentlich einen anachronistischen Begriff
benutzen. Er hat nämlich die Palette dessen aufgeführt, was Zeitungsverlage
bzw. frühere Zeitungsverlage, die heute Medienunternehmen sind, alles
unternehmen: neben den Zeitungen, Zeitschriften, regionale Zeitschriften
natürlich die Anzeigenblätter, einen Markt, auf dem sie gleichfalls mindestens
dominieren, in Teilbereichen sogar Monopolisten sind. Wir haben darüber hinaus
den Hörfunkbereich und das Internet mit den lokalen Angebotsstrukturen. Es gibt
also in vielen Bereichen nicht nur eine klare Dominanz einzelner Verlage,
sondern eindeutige Monopole, und zwar Doppel- und Dreifachmonopole, soweit es
um lokale Information geht.
Die Daten zum Zeitungsmarkt hat Herr Becker nach meinem Dafürhalten
zumindest nicht ausreichend genug vorgestellt. In der Tat gibt es diese Studie,
die nachweist, dass Nordrhein-Westfalen relativ viel Zeitungsangebot hat. Echte
Werte sind das nicht. Wir kommen zu ganz anderen Werten. Diese Studie ist eben
auf einer zu hohen Ebene angesetzt. Sie nimmt die Kreise, und alles was es
darunter in den Gemeinden an monopolisierten Angeboten gibt, fällt dabei
heraus. Die Monopolstrukturen sind also auch im Zeitungsmarkt viel größer, als
eben ausgeführt wurde.
Außerdem bleibt dabei unerwähnt - aber gerade das ist für dieses Gesetz
maßgeblich -, wer die Anbieter sind. Es ist also nicht nur der
Zeitungsmarkt an sich darzustellen, sondern auch die Anbieter in diesem Markt.
Da müssen wir feststellen, dass wir gerade in Nordrhein-Westfalen eine
hochgradige Konzentration haben. Großkonzerne wie WAZ oder Dumont in Köln
beherrschen die örtlichen Zeitungsmärkte, also gerade jene, um die es bei
Ballungsraumprogrammen möglicherweise geht.
Zu dem Vergleich mit Hessen, der wegen der dort gewählten Grenze der
Verlagsbeteiligung von 49,9 % nahe liegt - hier sind es
24,9 % -: Ich denke im Unterschied zu Herrn Becker, dass Frau Meckel
über den hessischen Zeitungsmarkt sehr wohl informiert war. Sie haben
ausgeführt, der hessische Zeitungsmarkt sei vielfältiger als der nordrhein-westfälische.
Das stimmt nur in sehr engen Grenzen. Es stimmt insbesondere nur dann, wenn man
die Zahlen für den Zeitungsmarkt in Hessen insgesamt vorlegt. Aber was hier
interessiert, sind die Ballungsräume, für die solche Programme in der Tat
infrage kommen.
Bei dem Zeitungsmarkt in Frankfurt und Umgebung haben Sie es mit einer
anderen quantitativen Struktur und - erlauben Sie den Hinweis - auch
mit einer anderen qualitativen Struktur zu tun. Aber das nur am Rande. Das wäre
in den möglichen Ballungsgebieten von Nordrhein-Westfalen ganz anders. Die
Vermachtung zugunsten der Zeitungsverleger ist hier wesentlich höher als in
Frankfurt und im Frankfurter Umland, wo wir viel mehr Zeitungen und vor allem
auch mehr Zeitungsunternehmen haben, wo Macht also schon aufgeteilt ist. Das
wäre hier nicht der Fall.
Wolfgang Hahn-Cremer (Landesanstalt für Rundfunk
Nordrhein-Westfalen): Herr Dr. Grüll versucht natürlich, doch noch
eine Äußerung zu bekommen, die für ihn hilfreich ist. Da muss ich ihn
enttäuschen. Bei 33 Abs. 4 sind wir uns einig, bei 33 Abs.3 nicht. Bei 33
Abs.3 kann ich dem, was Herr Röper zum Markt in Nordrhein-Westfalen gesagt
hat, nichts hinzufügen. Das ist so. Die Situation hier ist anders als die in
Hessen. Ich will noch einmal Herrn Rechtsanwalt Lehr zitieren, der für uns in
einem Gutachten die Frage Verfassungsrecht/Kartellrecht betrachtet hat. Er hat
gesagt: Mit dem Verfassungsrecht kommt ihr nicht sehr weit. Aber ihr kommt
kartellrechtlich an diese Frage heran, denn ihr müsst die Märkte betrachten. -
Die Märkte sind gerade betrachtet worden. Wir können in Nordrhein-Westfalen den
Lokalradiomarkt natürlich nicht außen vor lassen. Das ist anders als in Hessen.
(Dr. Stefan Grüll [FDP]: Nicht verfassungsrechtlich?)
- Nicht verfassungsrechtlich. Kartellrechtlich kommen wir heran. Das heißt,
dann bleibt es trotzdem bei 24,9 %. 49,9 % würden sich hierbei
ausschließen.
Rafaela Wilde (Verband der Film- und Fernsehproduzenten NRW):
Es ist eine Premiere für die unabhängigen Produzenten, im Rahmen eines
Mediengesetzes angehört zu werden. Wir begrüßen ausdrücklich, dass erstmals in
einem Gesetzgebungsverfahren die Problematik der Marktstellung unabhängiger
Produzenten diskutiert und aufgenommen wird.
Es ist gefragt worden, ob wir diese Regelung brauchen. - Natürlich
brauchen wir diese Regelung. Wir haben hier in Nordrhein-Westfalen sehr starke
Produzenten, eine auch auf Bundesebene mit hervorragendem Rang belegte
Produzentenschaft von hoher Qualität und Professionalität, sicherlich nicht
zuletzt auch durch die Rahmenbedingungen, die wir hier in Nordrhein-Westfalen
durch die verschiedenen Institutionen und auch durch die Landesregierung
vorfinden.
Wir stellen aber fest, dass eine weitere Optimierung der Infrastruktur
gefährdet erscheint. Warum ist das so? - Der Markt hat sich deutlich
verändert, und zwar in zweierlei Hinsicht: Auf der einen Seite hat die
Nachfrage der Sender schmerzlich nachgelassen; auf der anderen Seite hat die
Konzentration auf der Senderebene voll auf die Produzentenebene
durchgeschlagen. Es ist nämlich so, dass vor allem die drei großen
Senderfamilien ihre eigenen Produktionstöchter haben oder an Produktionsfirmen
beteiligt sind. Die Töchter werden in großem Umfang von ihren Müttern versorgt.
Eine Studie der Landesregierung über die Produktionsjahre 1999 und 2000, die
demnächst veröffentlicht wird, hat erneut belegt - das haben wir
schon in der alten Studie im ersten Ansatz feststellen müssen; das ist
frappierend -, dass die abhängigen Produktionsunternehmen deutlich mehr
Aufträge von den deutschen Fernsehsendern bekommen als die unabhängigen. Nach
dieser Studie lag das Produktionsvolumen der abhängigen Unternehmen sowohl 1999
als auch 2000 jeweils bei mehr als dem Doppelten des Volumens der unabhängigen
Produzenten.
Wenn man sich den Einbruch der Werbemärkte ansieht und auch die Folgen,
nämlich dass Auftragsproduktionen weiter reduziert werden, kann man sich
vorstellen, dass unabhängige Produzenten noch schlechter dastehen. Eine Mutter
wird um ihre Tochter besorgt sein und erst sie versorgen wollen, bevor sie sich
wieder an den freien Markt begibt. - Wir brauchen diese Regelung also für eine
vielfältige Produktionslandschaft, auch für mehr Arbeitsplätze und für weitere
Strukturen.
Wir sind uns aber auch darüber im Klaren, dass wir diese Regelung nicht
überbewerten dürfen; denn die praktischen Auswirkungen sind nicht so groß, wie
wir sie uns wünschen. Würde man den politischen Willen, der da zum Ausdruck
kommt, ernst nehmen, müssten eigentlich auch diejenigen Sendergruppen erfasst
sein, die durch Must-Carrier-Regelungen oder sonstige Vorschriften privilegiert
sind. Ich denke, der Gesetzgeber bleibt weiter aufgefordert, sich über die
Rahmenbedingungen Gedanken zu machen, um mehr Markt entwickeln zu können.
Es ist auch nicht so, dass wir in Europa alleine stünden. Ganz im Gegenteil:
Die europäischen Länder um uns herum haben ihre Produzentenlandschaft mit
drastischen Quoten gestärkt. Es ist Ihnen sicherlich bekannt, dass selbst die
Amerikaner eine Zeit lang - und zwar nur eine Zeit lang, um die Balance
wieder herzustellen - ein Gesetz hatten, das ihren großen Networks
untersagte, Eigenproduktionen zu machen. Auf diese Weise hat man auch in
Frankreich und in anderen EU-Ländern starke Produzentenmärkte geschaffen, die
auch dann aushielten, wenn die TV-Sender selbst als Konkurrenten auf den Markt
traten.
Die analoge Phase geht zu Ende. Die digitale Phase kommt. Eigentlich müsste
der Gesetzgeber auch hier Vielfaltskriterien vorsehen. Wir haben den Vorschlag
gemacht, in § 21 Abs. 3, der gewisse Vielfaltsregelungen enthält,
§ 14 einzubeziehen. Wir hielten es für glücklich, auch in § 33
nordrhein-westfälische Produzenten für regionale und lokale Fernsehprogramme
einzubeziehen. Denn da würde es besonders viel Sinn machen, die einheimische
Produktionswirtschaft zu stärken, miteinzubeziehen und so vielleicht einen
neuen Markt zu entwickeln.
Dr. Udo Becker (Verband der Betriebsgesellschaften in
Nordrhein-Westfalen e.V./ Verband Rheinisch-Westfälischer Zeitungsverleger e.V.):
Es gibt Anlass, auf eine Reihe von Äußerungen einzugehen, was ich gerne tun
möchte.
Frau Brakensiek, Sie fragten nach möglichen Modellen. Vielleicht kann ich
dazu am Ende etwas sagen, da die anderen Aspekte insofern vorrangig sind, als
dass sie zur Begründung dessen dienen, was als Modell in die Diskussion
eingebracht werden kann.
Herr Röper, Sie haben auf die Untersuchung verwiesen, die Sie für die LfR
erstellt haben , und gesagt, danach habe das Ballungsraumfernsehen im weitesten
Sinne über Jahre hinweg keine Aussicht auf Wirtschaftlichkeit. Da fragt man
sich natürlich sogleich: Macht es in diesem Szenario noch Sinn, zu weiteren
gesetzgeberischen Erschwernissen zu kommen, wenn man Märkte gestalten will?
Wenn man sie von vornherein verhindern will, kann man das tun, so wie das hier
beabsichtigt ist. Insofern denke ich, das ist der falsche Ansatz. Es muss um
Gestaltung und nicht um Verhinderung gehen.
Stichwort "Zwei-Säulen-Modell": Das, was insbesondere von Wolfgang
Hahn-Cremer, aber auch von Ihnen, Herr Röper, hierzu gesagt wurde, ist wohl
allenfalls politisch zu bewerten. Sie wissen beide, dass es sich beim
Zwei-Säulen-Modell zwar um ein wirtschaftlich erfolgreiches, aber rechtlich
komplexes Modell handelt, das auf einer Trennung zwischen programmlichen
Inhalten und kaufmännischer und Vermarktungsseite basiert. Das heißt, im
weitesten Sinne findet hier eine Neutralisierung des Lokalfunks statt. Man kann
weiß Gott nicht davon sprechen, dass der Lokalfunk in den Händen der Verleger
liegt.
Wir reden hier über publizistische Sachverhalte. Insofern kann ich nur
sagen: Die Diskussion mit Veranstaltergemeinschaften über Programminhalte sind
Legende. Sie sollen es auch bleiben. Sie können aber weiß Gott nicht davon
ausgehen, dass das ein Verlegerthema par excellence ist. Es ist ein Modell, mit
dem wir wirtschaftlich gesehen leben können und angesichts des gegenwärtigen
Erfolges auch in Zukunft leben wollen. Aber zu sagen, hier gebe es ein
Zweifach-, Dreifach-, gar Vierfachmonopol, verkürzt die Debatte und wird dem
Zwei-Säulen-Modell als nur einem Aspekt aus diesem Spektrum nicht gerecht.
Zu den Anzeigenblättern: Da halte ich es fast wie mit den Mediendiensten und
frage, welchen Beitrag Anzeigenblätter zur publizistischen Meinungsvielfalt
liefern. Er strebt sicherlich gegen null. Es ist ein wirtschaftliches Thema,
das uns bewegt. Auch deshalb kann man es bei der publizistischen Betrachtung
unter dem Stichwort "Medienvielfalt" als weitere Aktivität
verlegerischer Unternehmungen in diesem Bundesland durchaus vernachlässigen.
Sie sprachen davon, was wir alles machen. Das habe ich natürlich nicht
gesagt. Ich habe gesagt, was wir alles machen wollen und was wir alles machen
müssen. Das bleibt sicher richtig; denn für uns gilt das Gleiche wie für den
Westdeutschen Rundfunk. Wir werden es erleben: Er wird sich im Internet breit
ausdehnen - das tut er heute schon -, weil er das machen muss. Er
wird wenig reglementiert werden. Auch wir müssen uns in andere Mediengattungen
hineinbewegen, weil sich das Nutzerverhalten verändert und weil man gut beraten
ist, auf diese Änderungen frühzeitig einzugehen und zu spüren, wohin sich die
Märkte bewegen. Wenn man das nicht schafft, werden Zeitungsverlage keine
wirtschaftliche Zukunft haben.
Sie wissen genauso wie ich, dass Zeitungsverlage seit inzwischen zwei
Jahrzehnten unter chronischen Auflagenverlusten leiden. Sie wissen, dass die
Werbemärkte daniederliegen. Ob das eine strukturelle Entwicklung ist, wird sich
zeigen. Aber das belegt aus meiner Sicht zweifelsfrei, dass wir gehalten sind,
alle Optionen aufrechtzuerhalten.
WAZ und Dumont Schauberg sind zwei von 46 Verlagen. Die anderen 44 - von
kleinen Ausnahmen abgesehen - überschreiten Auflagenhöhen von 100.000
Exemplaren nicht. Es sind also im Wesentlichen mittelständische Unternehmen. Es
ist aus meiner Sicht durchaus angebracht, sich darüber den Kopf zu zerbrechen,
wie man ihre Zukunft gewährleisten will. Dass sie in diesem Land in gewisser
Weise auch eine Fürsorgepflicht haben, weil sie dieses Land nicht wie
renditeträchtige Unternehmungen verlassen können, sollte man bei dieser
Diskussion sicherlich auch berücksichtigen.
Stichwort "Internet": Natürlich machen wir Internet im breitesten
Sinne. Aber es ist angesichts der für das Internet bisher nicht gefundenen
Geschäftsmodelle völlig klar, dass man dieses Themenfeld wirtschaftlich
betrachtet noch sehr lange Zeit mit spitzen Fingern anfassen muss. Wir haben
leider nicht das Privileg, uns über Gebühren finanzieren zu können. Von
vornherein sind wir damit der Gefahr verzerrter Märkte ausgeliefert. Wenn Sie
nämlich später über Printfunktionen an Ihren Druckern Tageszeitungen von
Internetdiensten erstellen können, dann zeigt das, wie stark unsere Märkte für
die Zukunft gefährdet sind. Das schafft gleichzeitig aber selbstverständlich den
Zwang und den Willen dazu, in neue Märkte hineinzugehen, die ohne Zweifel
wirtschaftlich schwierig, aber am Ende doch unumgänglich sind, um dabei zu
sein.
Deshalb noch einmal: Auf der einen Seite steht zwar ein durchaus
eingegrenztes wirtschaftliches Potenzial, aber was die gesetzgeberische
Regulierung angeht, muss das Ganze mit Augenmaß betrachtet werden.
Stichwort "Kartellrecht": Herr Hahn-Cremer, darüber reden wir hier
nicht. Hier reden wir über publizistische Meinungsvielfalt. Die Diskussionen
zum Kartellrecht sehen völlig anders aus. Wir haben uns auch im Zusammenhang
mit der Zeitungsstudie von Dr. Schütz, der diese Untersuchung unbestritten
seriös seit den 50er-Jahren betreibt, nur über publizistische Kategorien und
nicht über kartellrechtliche, also unternehmenswirtschaftliche Fragestellungen,
auseinander zu setzen.
Was die Modelle betrifft, nur ganz kurz: Ich befasse mich nur mit
Mediengesetzen der Bundesländer, in denen es überhaupt Ballungsraumfernsehen
gibt, denn sonst macht Mediengesetzgebung zum Thema
"Ballungsraumfernsehen" überhaupt keinen Sinn. Es existieren zwar
Mediengesetze in den verschiedensten Bundesländern, aber nicht unbedingt in
jedem Bundesland Ballungsraumfernsehen.
Nach dem Hamburger Modell - ich komme jetzt zu dem Redebeitrag von Frau
Brakensiek - kann man sich als Zeitungsverlag mit mehr als 50 % an
den Kapital- und Stimmrechten beteiligen, wenn man vielfaltsichernde Maßnahmen
ergreift. Das hessische Modell lässt eine 49%ige Beteiligung zu. In Bayern kann
man sich nach dem dortigen Modell unter der Voraussetzung vielfaltsichernder
Maßnahmen ohne eine prozentuale Begrenzung beteiligen.
Wenn man schaut, was jeweils unter vielfaltsichernden Maßnahmen verstanden
wird, so finden sich in Bayern vier an der Zahl. Ich will einmal eine Maßnahme
herausgreifen, nämlich den Programmbeirat, sprich: die Möglichkeit, über
Programmbeiräte auf inhaltliche Gestaltung, auf Programmschemata,
Programmabläufe Einfluss zu nehmen. Dies ist sicherlich eine Überlegung, über
die man nachdenken können muss.
Ein weiterer Blick in die Gesetze zeigt, dass es in Hamburg, in Berlin und
in Bayern überhaupt keine Produktionszulieferbegrenzungen gibt, wie es in
Nordrhein-Westfalen erwogen wird. Das heißt: Drei von vier Bundesländer mit
Ballungsraumfernsehen verzichten auf eine solche Formulierung. Wenn das nicht
augenfällig genug beweist, dass wir es in diesem Land mit einer relativ
restriktiven Gesetzgebung zum Thema Ballungsraumfernsehen zu tun haben, dann
fällt mir dazu nichts Neues mehr ein.
Mein letzter Satz, vielleicht leicht polemisch; Herr Dr. Stock will dazu
sicherlich gleich noch ausführlich Stellung nehmen: Die
Verfassungsrechtsprechung zum Thema "vorherrschende Meinungsmacht"
findet ihren Ursprung im Jahre 1986. Das ist jetzt 16 Jahre her. Internet konnte
man damals vielleicht schon buchstabieren, aber noch keiner hat sich darunter
etwas vorstellen können. Dass sich die Situation geändert hat, dürfte jedem
klar sein. Dass das für einen Gesetzgeber auch Folgen haben muss, dürfte auch
jedem klar sein. Und dass Verfassungsrechtsprechung immer retardierend, weil
reaktiv ist, ist Beleg dafür, dass sie nicht unbedingt ein geeigneter Wegweiser
in die Zukunft sein muss. Das haben wir schon gelernt, als sich in den
80er-Jahren die duale Rundfunkordnung entwickelt hat. Auch damals marschierte
der Gesetzgeber mit seinem dritten Rundfunkurteil hinterher.
Prof. Dr. Martin Stock (Universität Bielefeld): Die
Argumentation, wie sie Herr Becker gerade vorgetragen hat, hat mich wieder
zweifeln lassen, ob wir überhaupt einen funktionsfähigen Wettbewerb im Sinne
des gedachten Marktmodells im Rundfunkbereich erwarten können. Alles, was von
der Verlegerseite mit Blick auf § 33 angeführt wird, läuft darauf hinaus, dass
wir die dortigen relativ marktkonformen Instrumente einer rundfunkspezifischen
Konstellationsbegrenzung als zu weitgehend kritisiert finden. Man macht
wirtschaftliche Argumente dieses und jenes Inhalts geltend - sicher, das
mag an sich gesehen ein Feld für streitige Argumentation sein -, aber es
fehlt ganz und gar an tauglichen Alternativen. Sie wenden sich gegen diesen
schon verhältnismäßig zahmen Versuch in § 33, mit solchen Instrumenten nicht
der allgemeinen, sondern der rundfunkspezifischen Konzentrationskontrolle
Vielfaltsicherung zu betreiben.
Was schlagen Sie vor? - Als Surrogat reden Sie von vielfaltsichernden
Maßnahmen. Das sind dann solche anderer Art; wir kennen sie aus früheren
Jahrzehnten, und auch das Bundesverfassungsgericht hatte sie bei seinem
"Niedersachsen-Urteil" schon vor Augen. Seit dieser Zeit kommen sie
immer wieder einmal in Paragraphen zum Vorschein, haben aber in der Praxis
keine besondere Bedeutung. Dazu zählen insbesondere Vorschriften,
Programmbeiräte zu schaffen oder unabhängige Fensterstrukturen einzurichten
etc.
Man könnte, wenn man das weiterdenkt, übrigens durchaus auf die Idee kommen,
das Zwei-Säulen-Modell nordrhein-westfälischer Provenienz nicht nur im lokalen
Bereich beizubehalten und eine Zeit lang zu tolerieren, sondern sogar auf das
Ballungsraum-TV zu erstrecken. Das wäre eine wirklich interessante Idee; das
wäre auch eine vielfaltsichernde Maßnahme, die mehr Erfolgsaussichten hätte als
jeder Programmbeirat. Denn bisherige Programmbeiräte zeichnen sich dadurch aus,
dass sie ohne wirksamen Programmeinfluss sind.
Was sagt das Bundesverfassungsgericht dazu? - Es hat sich nicht nur im
"Niedersachsen-Urteil" über Konzentrationsbegrenzung geäußert. Anfang
der 90er-Jahre hatte es über eine Vorlage - diese hat es leider lange vor
sich hergeschoben - zu entscheiden und endlich 1994 einen Beschluss
gefällt, der keine dezidierten, konkreten, politisch ohne weiteres
operationalisierbaren Aussagen enthält, aber ganz beachtliche Mahnungen und
Appelle, wie Herr Becker es eben versucht hat zu verdeutlichen: Diese
Grundsätze haben sich vor Jahrzehnten entwickelt, heute muss man sie etwas
großzügiger betrachten. Es wird dort in eindringlicher Weise von nach wie vor
vorhandenen Risiken dieser so genannten vorherrschenden multimedialen
Meinungsmacht geredet und davon, dass der Gesetzgeber etwas dagegen unternehmen
müsste. - Davon ist überhaupt keine Rede mehr.
Herr Freimuth hatte mich vorhin konkret nach § 33 Abs. 3 gefragt. - In
der Plenardebatte zur ersten Lesung ist hier ausweislich des Protokolls gesagt
worden, diese Regelung wäre verfassungsrechtlich zwingend. Für § 33 Abs. 4
wurde das anscheinend aber nicht angenommen - zum Teil von denselben Damen
und Herren. - Hier ist Vorsicht geboten. Es gibt keine dezidierten
Aussagen in der verfassungsrechtlichen Judikatur, dass nur ein bestimmtes Instrument
und dann auch nur eines mit bestimmten bezifferbaren Quoten
verfassungsrechtlich zwingend wäre. Wohl aber ist das Gebot zu beachten,
ergebnis- und erfolgsorientiert etwas zu unternehmen und nicht etwa auf
effiziente Vielfaltsicherung zu verzichten. Man kann dazu ganz verschiedene
Instrumente nutzen. Man kann relativ marktkonforme Instrumente der
rundfunkspezifischen Konzentrationskontrolle einsetzen, man kann mit Quoten
arbeiten, man kann auf begrenzte Generalklauseln wie in § 33 Abs. 4 S. 1 zurückgreifen.
Wenn man diese Möglichkeiten aber kritisiert und deren Streichung anstrebt:
Was soll denn an deren Stelle treten? - Das ist mir nicht nachvollziehbar. § 33
Abs. 3 jedenfalls spiegelt ein Minimum dessen wider, was man
verfassungsrechtlich machen sollte. Ich sehe weit und breit keine Vorschläge,
welche anderen Instrumente man wählen könnte, wenn man nicht nur an symbolische
Vielfaltsicherung, wie etwa in § 2 des Gesetzes beschrieben, denkt.
Es gibt eine ganze Reihe anderer denkbarer Instrumente. Wir haben in
früheren Jahren viel darüber debattiert. Ich will es mir versagen, sie jetzt in
Erinnerung zu rufen. Erwähnen will ich nur das Stichwort "innere
Medienfreiheit" als Instrument der Vielfaltsicherung. Das scheint mir zu
Unrecht in Vergessenheit zu geraten.
Prof. Dr. Erika Bock-Rosenthal (Landesrektorenkonferenz
Nordrhein-Westfalen/ Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen des Landes
NRW): Herr Grüll, Sie hatten mich zu § 33 Abs. 3 gesondert
angesprochen; auf die Eingangsfrage von Herrn Keymis hatte ich noch nicht
geantwortet, weil mir klar war, dass es hierzu noch eine eigene Debatte geben
würde.
Ich möchte mich den Ausführungen des Vorsitzenden der Rundfunkkommission und
von Prof. Dr. Stock anschließen. Ich weiß, Sie würden gerne etwas anderes
hören, Herr Dr. Grüll. Aber gesetzlich ist meines Erachtens nichts anderes
möglich. Der Gesetzgeber sollte sich nicht scheuen, sehr deutlich zu
formulieren, dass es, auch wenn er Ballungsraumfernsehen ermöglichen will,
Grenzen gibt. Denn es existiert ja in der Tat im Bereich der Printmedien eine
relativ hohe Konzentration. Herr Röper hat es hier ausgeführt.
Ich möchte zudem daran erinnern, dass die Verleger in großem Maße an TV.NRW,
einem privaten Nordrhein-Westfalen-Programm, beteiligt sind. Andererseits muss
man natürlich beachten, dass es im Lokalfunk unabhängige
Veranstaltergemeinschaften gibt. Aber wenn Sie im Gegensatz dazu wiederum
bedenken, wie pressemäßig die Einführung des privaten
Nordrhein-Westfalen-Programms von den dazugehörigen Verlagen begleitet worden
ist, dann zeigt sich, dass es unter Grundgesetzgesichtspunkten - insofern
halte ich es nicht für veraltet, Herr Becker - schon sehr sinnvoll ist,
darauf zu achten, dass die Medienkonzentration nicht zu weit geht. Daraus
folgt: Auf lange Sicht ist die Förderung des Ballungsraumfernsehens durch den
Gesetzgeber gerade angesichts der Globalisierung sehr wichtig, weil es immer
stärker lokale und regionale Ballungsraumbezüge geben wird, doch genauso
wichtig ist die Berücksichtigung des Aspektes "Medienkonzentration".
Was man aber vor allen Dingen braucht, sind sinnvolle Geschäftsmodelle. In
Deutschland hat offenbar noch niemand die richtige Lösung gefunden. Das wird
auch an den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Ballungsraumangebote anderswo deutlich.
Es geht darum, die Werbemärkte nach unten hin sinnvoll zu gestalten und zu
strukturieren. Dies hielte ich unter dem Aspekt
"Wirtschaftsförderung" für vernünftig.
Dr. Michael Rath-Glawatz (Rechtsanwalt): Ich glaube, es ist
eine etwas verrutschte Diskussion entstanden. Niemand in diesem Saal wird - und
schon gar nicht angesichts der Macht des Verfassungsgerichts - behaupten, man
käme in einem Landesrundfunkgesetz ohne Vielfaltsicherung aus.
Vielfaltsichernde Vorschriften muss es geben. Das ist die Vorgabe des
Bundesverfassungsgerichts.
Die große Frage lautet nur: Wie? - Man muss nicht mit starren Begrenzungen
operieren. Das beweisen - Herr Becker hatte es aufgezählt - andere
Landesrundfunkgesetze; und diese sind deswegen nicht verfassungswidrig. Es
steht eine ganze Bandbreite zur Verfügung - Herr Prof. Dr. Stock hat es
erklärt. Die Frage ist: Wie macht man es geschickt? - Wenn Sie ein modernes
Gesetz machen wollen - dieser Leitsatz steht offenbar als Überschrift über
dem Ganzen -, sollten Sie die Erfahrungen der Vergangenheit auswerten.
Markieren derart starre Regelungen wie hier vorgesehen dann, wenn Sie Vielfalt
wollen, den richtigen Weg? - Schon sprachlich widersprechen sich die
Begriffe "starre Regeln" und "Vielfalt". Ich möchte Ihnen
das an zwei Beispielen erläutern:
Für den nationalen Rundfunk gibt es die KEK, die Kommission zur Ermittlung
der Konzentration im Medienbereich, die auf ihrem Gebiet mit einer starren
Regelung zu arbeiten gehalten ist. Diese starre Regelung ist damals mit Blick
auf die beiden großen Fernsehblöcke entwickelt worden. Nun hat der eine
Fernsehblock bekanntermaßen momentan Schwierigkeiten. Es kann also sein, dass
der andere Block durch mögliche Senderausfälle zumindest zeitweilig Quoten
bekommt, die über der im Rundfunkstaatsvertrag festgeschriebenen Grenze liegen.
Die Kommission muss sich nun ja wohl an die starren Grenzen halten: Sie müsste,
wenn der beschriebene Fall einträte und jemand überschritte die Grenze, sich an
den Vorschriften in Gesetz und Staatsvertrag orientieren und eventuell
Restriktionen ergreifen. Ein Programm, was bis dato völlig in Ordnung war,
keinerlei Gefährdung der Meinungsvielfalt enthielt, wird durch den Ausfall
eines anderen Marktpartners größer und müsste im Extremfall behindert werden,
dürfte diese Quote nicht haben! - Dies spricht gegen starre Regelungen.
Zweites Beispiel: Wenn sich denn in Nordrhein-Westfalen ein Verlag
entscheiden würde, ein Business-Radio zu machen - nicht vielleicht ein
nationaler Zeitungstitel, sondern ein nordrhein-westfälischer, ein Verlag in
Düsseldorf, in Köln, in Essen -, dann könnte er das nicht, wenn das Gesetz so,
wie es vorgeschlagen ist, verabschiedet würde. Er könnte kein landesweites
Spartenradio machen, weil es nicht geht. Dieses Gesetz ist gegen Vielfalt. Es
wäre das erste landesweite Business-Radio in NRW. Und dieses Gesetz ließe das
nicht zu.
Also, mein Petitum: Starre Regeln sind gegen Vielfalt. Das heißt ja nicht,
dass man nicht ins Gesetz hineinschreibt, dass es, wenn eine Kombination z. B.
aus Verlagen dazu führen würde, dass ein bestimmtes Programmangebot
vorherrschende Meinungsmacht hervorruft, nicht zugelassen wird. Dann muss man
konkret untersuchen, bei welcher Beteiligungshöhe das der Fall ist.
Das muss nicht automatisch 24,9 % sein, das kann mehr, das kann weniger
sein. Dann muss die Aufsichtsbehörde konkret nachweisen, die Meinungsvielfalt
wird in diesem Fall durch ein derartiges Angebot gefährdet. Der Verlag muss
versuchen, es zu widerlegen, und die Gerichte werden darüber entscheiden. Das
heißt, man kann auch - Herr Professor Stock, Sie haben es gesagt -
verfassungsrechtlich mit einer Generalklausel arbeiten. Wenn Sie also eine
abstrakt generelle Regelung ins Gesetz nehmen, die besagt, dann, wenn ein
Angebot die Meinungsvielfalt beschränkt, ist es zu untersagen, reicht das aus
meiner Sicht völlig aus.
Sie haben den Vorteil, dass Sie flexibel sind für neue Lösungen. Sie können
bestimmte Medienangebote z. B. entstehen lassen und dann anhand dieser
Generealklausel später überprüfen, ob es geht oder nicht.
Lothar Hegemann (CDU): Da Dr. Schneider von der LfR nicht
da ist, möchte ich Sie, Herr Dr. Brautmeier fragen: Nachdem es diese Einengung
für Verlage und an Presseorganen beteiligte Interessenten gibt, müssten Ihnen
andere ja jetzt die Bude einrennen - wenn ich das mal so lax sagen darf -, um
Ballungsraumfernsehen zu machen und um Meinungsvielfalt in Nordrhein-Westfalen
zu sichern. Wie sieht das denn so im Vorfeld des Gesetzes aus? Müssen Sie da
jetzt Warteschlangen verwalten, oder wie ist der Drang nach
Ballungsraumfernsehen, wenn Gesetz wird, was hier im Entwurf steht?
Ute Schäfer (SPD): Ich habe aufgrund des letzten Vortrages
ganz konkret zum Ballungsraumfernsehen - TV.NRW - an Herrn Becker zwei Fragen.
Habe ich Ihren Vortrag dahin gehend richtig verstanden, dass Sie sagen: Wenn
dieser Zugriff über den § 33 Abs. 4 - an der Stelle über die Verleger - so
eingeschränkt sei, dass dann - Sie haben ja von den Entwicklungen der Verlage
gesprochen, von der Entwicklung der Zeitungen in NRW -, sobald es also nicht
möglich sei, in diese Sparte mit hineinzugehen, quasi ihre Existenz maßgeblich
beeinträchtigt sei? Denn ich habe immer gedacht: Die Kernkompetenz der Verleger
ist nun tatsächlich in dem Bereich der Zeitungen. Wenn ich das richtig verfolgt
habe, unternehmen Sie auch Anstrengungen, die Kernkompetenzen tatsächlich
zurzeit etwas stärker in den Blick zu nehmen.
Frage 2: Ich glaube, Herr Stock hat es angesprochen, das Zwei-Säulen-Modell
auch noch mal auf das Ballungsraumfernsehen zu übertragen. Wie schätzen Sie
denn diese Vorstellung ein?
Dr. Jürgen Brautmeier (Landesanstalt für Rundfunk
Nordrhein-Westfalen): Herr Hegemann, die Antwort ist ganz einfach:
Bisher rennt uns noch niemand die Bude ein. Das ist aber auch nicht
verwunderlich; denn erst mal muss das Gesetz verabschiedet sein, damit man
genau weiß, um was man sich da bewerben kann und wer sich bewerben kann. Das
ist, glaube ich, logisch.
Was man aber sagen kann: Immer wenn wir Kapazitäten haben und sie
ausschreiben, dann gibt es Bewerber. Ich wäre nicht bange, dass wir keine
Bewerber für Ballungsraumfernsehen bekämen. Angesichts der Großwetterlage muss
man natürlich da ein bisschen vorsichtiger sein, aber Sie merken ja auch, dass
angesichts der Großwetterlage wieder neue Fernsehveranstalter analoge
Kabelplätze beantragen und neue Fernsehsender aus dem Boden gestampft werden.
Ich wäre da nicht so pessimistisch. Aber noch mal: Erst muss das Gesetz da
sein.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle nur noch eine kleine Bemerkung, was die
Frage der Kapazitäten - da wir gerade dabei sind - angeht, die ich pflichtgemäß
auch für die LfR machen muss. Im Lokalfunk - das wissen wir - haben wir immer
noch einen großen Mangel in der flächendeckende Versorgung. Deswegen steht in
unserer Stellungnahme: "Es täte uns weh, wenn es einen Automatismus gäbe,
dass alle frei werdenden Kapazitäten automatisch bevorzugten
öffentlich-rechtlichen Veranstaltern zugewiesen würden." Dies tut uns nach
wie vor weh, weil wir nach wie vor Probleme haben, den Lokalfunk angemessen mit
Frequenzen zu berücksichten.
Uns tut - das muss ich pflichtgemäß auch sagen - nach wie vor weh, dass
nicht die Landesmedienanstalt die zuordnende Stelle für Kapazitäten ist,
sondern nach wie vor die Staatskanzlei. In anderen Ländern gibt es andere
Modelle. Ein Schlichtungsmodell wäre z. B. eines, das man hier gebrauchen
könnte, womit einigermaßen ein Gleichgewicht im dualen System, wenn man dieses
duale System ernst nimmt, zu ermöglichen wäre. Und dieses sollte man ernst
nehmen. Gerade im lokalen Hörfunk mit Einschaltquoten von 30 und an manchen
Stellen 40% ist das, glaube ich, ein wichtiger Faktor. Und wenn wir diesen
Faktor durch bessere Frequenzzuweisung stärken wollen, sollte man an dieser
Stelle noch was tun.
Dr. Udo Becker (Verband der Betriebsgesellschaften in
Nordrhein-Westfalen e.V./Verband Rheinisch-Westfälischer Zeitungsverleger
e.V.): Zur Frage, die Frau Schäfer nach der wirtschaftlichen Basis
stellte, was die Beeinträchtigung der Zeitungsverlage angeht, wenn sie denn
kein Ballungsraumfernsehen machen könnten. - Glücklicherweise, denke ich, sind
wir in einer Situation, in der es nicht so ist, dass das wirtschaftliche
Potenzial von Ballungsraumfernsehen auch nur ansatzweise an das der
Tageszeitungen heranreicht. Da gibt es schon unterschiedliche Kategorien. Das
wird man auch sicher im Auge behalten müssen.
Das ändert aber nichts an der Ursprungsthese. Die Ursprungsthese lautet: Wir
sind in der Gegenwart anders als früher gehalten, im Tagesverlauf der
Zeitfolgen von morgens bis abends auf der Spur unserer Nutzer zu sein. Das ist
sicher ein Wirtschaftsthema. Es ist eine Frage des Marketings. Es gibt
Potenziale, die sich auf diese Weise erschließen lassen. Deshalb ist die
Botschaft: Es ist durchaus sinnvoll, auf diesem Feld aktiv zu sein. Was die
Kernkompetenz angeht, so haben wir die natürlich in der Tat im Zeitungsbereich.
Es ist auch sicher richtig, dass sich Zeitungsverlage in den 80er-Jahren nicht
als besonders erfolgreich im Zusammenhang mit der Entwicklung des privaten
Fernsehens gezeigt haben. Aber: Im lokalen Raum wird man sicher sagen können,
dass Ballungsraumfernsehen durchaus insoweit für die Kernkompetenz der
Zeitungsverlage im Nachrichtenbereich Relevanz hat, als wir dort unsere
Möglichkeiten nutzen und die Zuschauer mit einem entsprechenden Angebot
bedienen können.
Dass Ballungsraumfernsehen natürlich anderen Gesetzen folgt, als es bei
anderen Mediengattungen der Fall ist, als es bei den Zeitungen der Fall ist,
als es vielleicht auch bei bundesweitem Fernsehen der Fall ist, dürfte klar
sein und hängt am Ende mit der eingeschränkten Wirtschaftlichkeit dieses
Spezialthemas im Fernsehbereich zusammen.
Fazit: Ich denke, unabhängig von der Regelung zum Ballungsraumfernsehen wird
auch die wirtschaftliche Basis der Zeitungsverlage unbeeinträchtigt bleiben.
Aus publizistischer Sicht wäre es im Hinblick auf die Zukunft der Verlage
wünschenswert, dennoch einen angemessenen Zugang in diese Märkte zu bekommen.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Damit wären wir nach meinen
Unterlagen mit Block 1 am Ende. Ich habe keine weiteren Wortmeldungen mehr aus
den Reihen der Abgeordneten. Ich sehe, dass Sie auch kein Bedürfnis haben,
diese Punkt noch weiter zu erörtern.
Ich möchte nun - wir haben 12.41 Uhr; ich sagte eben, 13.30 Uhr könnten wir
eine kleine Pause einlegen - den Block 2 aufrufen. Wir müssten
den Block 2 dann etwa um 13.30 Uhr unterbrechen. Vielleicht sind wir aber bis
dahin mit dem Themenblock 2 durch.
Der Block 2 ist überschrieben:
Landesanstalt für Medien
Er umfasst den Abschnitt X des Gesetzes. Ich rufe zunächst die
Unterabschnitte 1, 2 und 4 auf. Das sind die §§ 87 bis 108. Da geht es vor
allem um die Fragen allgemeiner Vorschriften, um Fragen zur Medienkommission
und zum Medienrat. - Herr Hegemann, bitte.
Lothar Hegemann (CDU): Ich habe eine Frage an die Verbände,
die nicht mehr in der Medienkommission vertreten sein werden. Ich erspare es
mir, diese im Einzelnen aufzurufen. Ein Großteil davon ist jedenfalls da. Ich
bitte sie einmal dazu Stellung zu nehmen, ob Sie sich in der Vergangenheit überflüssig
vorgekommen sind und wie sie es beurteilen, wenn man Medienpolitik als
gesamtgesellschaftlichen Diskurs proklamiert und die
gesellschaftlich-relevanten Gruppen von der Meinungsbildung in dieser
Kommission fernhält. Das möchte ich als Einstieg mal so stehen lassen.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Herr Hegemann, darf ich
nachfragen: An wenn hatten Sie die Fragen gestellt?
Lothar Hegemann (CDU): Ich kann die Namen jetzt nicht
nennen. Man müsste mal schauen, wer da ist: vom Deutschen Beamtenbund, vom
Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband, vom Rheinischen
Landwirtschaftsverband, vom Verband Freier Berufe, vom Städtetag NRW, vom
Lippischen Heimatbund, vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und vom
Westfälischen Heimatbund, vom VdK, von der Genossenschaft Deutscher
Bühnen-Angehöriger, vom Deutschen Journalistenverband - ich denke, die
Betroffenen wissen, wer gemeint; ich glaube, das Grimme-Institut ist nicht da
-, vom Landesverband Bürgerfunk, vom Verband Lokaler Rundfunk, vom Verband der
Betriebsgesellschaften, vom Verband Fernseh-, Film- und Videowirtschaft.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Also, Sie meinen alle im
Saal. - Wir versuchen, das gleich so zu handhaben, dass Sie eine Antwort
derjenigen erhalten, die sich angesprochen fühlen und auch das Wort bekommen.
Wir müssen das nicht chaotisieren.
Frau Brunn, Herr Keymis und Grüll! Dann würde ich die Antwortrunde
einsteigen.
(Lothar Hegemann [CDU]: Chaotisierung war das nicht!)
- Ich meine nicht Sie mit "chaotisieren". Um Gottes willen! Wenn jetzt
alle eine Stunde sprächen, dann wäre das schwierig. Aber das bekommen wir schon
hin. - Bitte schön, Frau Brunn.
Anke Brunn (SPD): Block 2 behandelt ja die Landesanstalt
für Medien, ihre neue Aufgabenstellung, ihre Zusammensetzung und ihre einzelnen
Funktionen. Ich denke, da müssen wir zunächst einmal die LfR um Stellungnahme
bitten, weil die Neupositionierung auch ihren Ausdruck in der entsprechenden
Pragraphenabfolge findet.
Ich weiß, dass das eine vielleicht etwas heikle Frage ist, weil auch die Landesmedienkommission
in ihrer bisherigen größeren Zusammensetzung viele unterschiedliche
Gruppierungen betrifft. Die Frage ist einmal an die LfR gestellt: Gibt es eine
ideale Größe für eine solche Kommission. Diese Frage stellt sich insbesondere
bei der Zusammensetzung. Bisher ging es quasi in einem empirischen Verfahren
mit sehr vielen Beteiligten Gruppen, die an dem Aufbau dieser dualen
Medienlandschaft beteiligt waren und sind. Jetzt geht es um die Ausgestaltung
neuer Aufgabenfelder, bei der die Beteiligten vor allem auch Sachwalter der
Allgemeinheit sein sollen. In welcher Form müsste man die Auswahl derjenigen,
die daran zu beteiligen wären, gestalten? Das ist natürlich auch eine
allgemeine Frage; denn jeder sagt: "Ich möchte da hinein", oder:
"Ich möchte da nicht hinein." Die Frage ist: Welche Kriterien kann es
aus der Sicht der bisherigen Praxis hierfür geben? - So weit meine Fragen
an die LfR.
Ich habe zwei weitere Fragen zum Medienrat. Hierzu gibt es eine kritische
Anmerkung von Frau Bock-Rosenthal, und ich möchte sie fragen, ob sie das
präzisieren könnte. Dieselbe Frage richte ich an den Vertreter des DGB, der
dazu sehr ausführlich Stellung genommen hat.
Ich bin der Meinung - das ist jetzt ein Vorgriff auf den nächsten
Block -, dass die Medienversammlung ein neues Instrument im Zusammenhang
mit der Meinungsbildung sein kann. Hierzu haben die Verbraucherverbände in
ihrer Stellungnahme etwas gesagt. Dazu würde ich gern auch Ihre Meinung hören.
Oliver Keymis (GRÜNE): Frau Brunn hat schon wesentliche
Fragen formuliert, die ich ähnlich stellen wollte. Ich würde gern den Kreis der
Beantworter/innen um die beiden Vertreter der Kirchen erweitern. Die Kirchen
werden nach dem Gesetzentwurf Mitglied in dem Gremium sein, haben sich in ihren
Papieren gleichwohl kritisch dazu geäußert, dass eine Verkleinerung der
Kommission eintreten soll. Insofern würde ich gern um ihre Einschätzung bitten.
Ähnliches gilt auch für die Aussagen der Gewerkschaft Ver.di. Vielleicht
könnte auch sie dazu Stellung nehmen, und zwar mit Bezug auf die beiden neu
geplanten Einrichtungen Medienversammlung und Medienrat; denn dabei handelt es
sich um stark in die Gesellschaft hineinreichende Entscheidungsfelder, was die
Beteiligung von vielen betrifft.
Dr. Stefan Grüll (FDP): Ich schicke voraus, dass ich eine
gewisse Sympathie für eine Verkleinerung habe. Da ich im Übrigen auch eine
gewisse Phantasie habe, wie die Antworten derjenigen, die nach den
Vorstellungen der Landesregierung in dem Gremium nicht mehr vertreten sein
sollen, aussehen werden, auch wie ihre Antwort auf die Frage, ob sie sich
bisher überflüssig gefühlt haben, ausfallen wird, möchte ich die Betreffenden
bitten, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob sie eine Vorstellung haben, wie man
einen aus ihrer Sicht gangbaren Weg zwischen dem Extrem "45 plus eine
entsprechende Anzahl von Stellvertretern", was aus meiner Sicht zu groß
ist, und der jetzt durch den Gesetzentwurf festgelegten Verkleinerung finden
könnte. Gibt es zwischen diesen beiden Polen nach Ihrer Vorstellung einen gangbaren
Weg, den Sie als akzeptabel empfinden würden? Ich füge sicherheitshalber an:
Die Antwort, die Politik solle dann doch draußen bleiben, hielte ich zwar für
wegweisend, in der Originalität aber für überschaubar.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Damit können wir zur
Beantwortung übergehen. Ich werde zunächst die konkret Benannten um das Wort
bitten. Dann werde ich fragen, wer sich außerdem berufen fühlt, auf die Fragen,
die Herr Hegemann gestellt hat, einzugehen. - Ich erteile zunächst dem
Vorsitzenden der Rundfunkkommission, Herrn Hahn-Cremer, das Wort.
Wolfgang Hahn-Cremer (Landesanstalt für Rundfunk
Nordrhein-Westfalen): Ich kann die eine oder andere Frage, die an mich
gestellt worden ist, verstehen. Aber Sie werden wahrscheinlich auch verstehen,
dass ich darauf keine Antworten liefern will. Das wären Antworten auf Fragen,
die Sie selbst hätten geben müssen.
Weder die Rundfunkkommission noch ihr Vorsitzender haben zu denen gehört,
die gesagt haben, die Arbeit der 45 sei so schlecht gewesen, dass man nun über
eine Verringerung der Anzahl um die Gruppierungen streiten müsste, die nicht
das gebracht haben, was der eine oder andere vielleicht gewünscht hat. Sie
können vom Vorsitzenden der Rundfunkkommission nicht verlangen, sich nicht vor
die 45 Mitglieder zu stellen und eine Auswahl zu treffen.
Ich bin der Auffassung, die Kommission hat vernünftige Arbeit geleistet, die
sich sehen lassen kann. Wenn man die Meinung vertritt, dass es möglicherweise
zu viele sind, müssen nicht wir die Kriterien für die Entscheidung liefern, wie
aus 45 weniger gemacht werden. Vielmehr muss sich derjenige, der argumentiert,
es müssten weniger sein, die Kriterien selbst überlegen. Dass dies nicht
geschehen ist, bemängele ich. Ich bemängele aus der Sicht der Kommission, dass
dieser Aspekt, obwohl es viel wichtigere Fragen gibt, zu einer solchen
hochstilisiert worden ist. Vor allem aber bemängele ich, dass die Kriterien
nicht transparent sind.
Ich will das an einem Beispiel deutlich machen: Ich kann immer noch nicht
nachvollziehen - bitte, nehmen Sie das nur als Beispiel -, warum ein
Sozialverband wie der VdK, der in Nordrhein-Westfalen 120.000 Mitglieder
hat, wenn ich richtig informiert bin, in dem Gesetzentwurf überhaupt nicht
vorkommt. Es hätte meines Erachtens überhaupt kein Problem gemacht, im Bereich
Soziales hinter der Arbeitsgemeinschaft der Paritätischen Wohlfahrtsverbände
den VdK einzufügen.
Vielleicht ein zweites Beispiel, an dem sich nach meiner Meinung zeigt, dass
die Kriterien nicht transparent sind: Mir ist auch zweifelhaft, warum der
Deutsche Journalistenverband im Gesetzentwurf nicht vorkommt.
Das sind Fragen, die Sie sich selbst stellen müssen. Wenn der Gesetzentwurf
sagt, man müsse mit weniger Mitgliedern auskommen, müssten auch die Kriterien
klar sein, warum die eine oder andere Institution aus der Liste herausgenommen
worden ist. Ich glaube nicht, Herr Dr. Grüll, dass die Verbände die
Argumente dafür liefern können, wie man es hätte anders machen können.
Zur Medienversammlung will ich etwas aus meiner Sicht sagen, weil sich die
Landesanstalt für Rundfunk dazu nicht geäußert hat. Es wäre der falsche Ansatz
für eine gute Idee zu meinen, die Medienversammlung sei Ersatz für alle, die
nicht mehr in der Kommission sind. Es wäre der richtige Gedanke, auf breiter Basis
etwas zu diskutieren. Das muss aber auch eine Verpflichtung haben. Es muss klar
werden, dass es keine Alibiveranstaltung ist. Es geht nicht an, etwas nach dem
Motto zu veranstalten: Das wird eine breite Diskussion, die allerdings wie das
Hornberger Schießen endet. - Wenn der Gesetzgeber etwas für schwierig
herauszufinden hält, schreibt er: Das Nähere regelt die LfR durch
Satzung. - Deshalb muss man kreativ darüber nachdenken, wie auf breiter
Basis eine Diskussion geführt werden kann, die sich in der Arbeit der
Medienkommission und anderer Gremien niederschlägt.
Im schleswig-holsteinischen Gesetz gibt es eine meines Erachtens vernünftige
Regelung. Dort ist die Landesmedienanstalt aufgefordert, halbjährlich einen
Bericht abzugeben, um nach außen deutlich zu machen, was sie für die
Öffentlichkeit getan und welche Aufgaben sie erledigt hat.
Noch einmal: Ich halte die Medienversammlung für ein interessantes
Instrument, wenn sie keine Alibiveranstaltung ist, warne aber davor zu meinen,
sie sei Ersatz für diejenigen Organisationen, die jetzt aus der
Rundfunkkommission herausfallen.
Prof. Dr. Erika Bock-Rosenthal (Landesrektorenkonferenz
Nordrhein-Westfalen/Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen des Landes
NRW): Was die Position der Landesrektorenkonferenzen zur Vertretung in
der Rundfunkkommission angeht, möchte ich Sie bitten, diese den Stellungnahmen
zu entnehmen, die schriftlich vorliegen.
Ich möchte persönlich eine Anmerkung machen, weil ich von Anfang an in der
Rundfunkkommission bin und den Vergleich mit der Hochschulpolitik habe, wo man
eher sozusagen im eigenen Saft schmort: Ich erlebe die Vielfalt in der
Rundfunkkommission außerordentlich positiv, dass die Kolleginnen und Kollegen
in der Rundfunkkommission aus so unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen
kommen und aufgrund der sehr unterschiedlichen Hintergründe und Qualifikationen
so viele Aspekte eingebracht werden, was die Arbeit sehr befruchtet und es uns
ermöglicht, manche Dinge kritischer zu sehen, als der Direktor dies empfiehlt.
Ich möchte Sie alle daran erinnern, dass das Bundesverfassungsgericht in
seinem Nordrhein-Westfalen-Urteil hierzu auch Stellung genommen hat. Es hat
gesagt, der Gesetzgeber habe eine sehr große Gestaltungsfreiheit, es sei aber
auch sinnvoll, eine politische Bank, eine Bürgerbank, eine Kulturbank und eine
Verbändebank vorzusehen und damit das gesamte gesellschaftliche Spektrum
abzugreifen.
Frau Brunn hat eben vom Sachwalter der Allgemeinheit gesprochen. Das zu sein
sind wir alle stets aufgefordert gewesen. Sehr viele von uns haben sich nie als
Lobbyisten ihrer Verbände verstanden. Selbst dann - das hat das
Bundesverfassungsgericht auch sehr deutlich gemacht -, wenn wir für einen
Verband in der Rundfunkkommission sind, haben wir die Interessen der Allgemeinheit
zu vertreten.
Ich bin dann von Frau Brunn gebeten worden, mich auch zum Thema Medienrat
und zur Gesamtstruktur der neuen Medien zu äußern. - Dahinter steht die
Vorstellung, den Rat von Experten in einer regelmäßigen Berichterstattung
einzuholen.
Aus meiner Sicht muss man dazu nicht unbedingt ein zusätzliches Gremium
schaffen. Die Kooperation zwischen den Gremien ist im Gesetzentwurf nicht klar.
Normalerweise ist es so, dass der Direktor die Außenvertretung der LfR
wahrnimmt. Was passiert beispielsweise, wenn der Direktor einen Bericht des
Medienrates vorlegen müsste, den er an irgendeiner Stelle nicht verantworten
kann? Er müsste ihn formal vorlegen. Der Medienrat, ein personell kleiner Rat,
dessen Besetzung parlamentarisch bestimmt, der aus fiskalischen Gründen aber
- ich sage es so deutlich - der LfR angegliedert werden soll, wird
auch in dieser Hinsicht in einer Zwitterrolle sein.
Nach aller Lebenserfahrung werden die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler, die in den Medienrat berufen werden, sicherlich nicht nur nach
Sachgesichtspunkten, sondern wahrscheinlich auch politisch fein austariert
bestimmt. Das kann durchaus auch zu einer ritualisierten Berichterstattung
führen. Insofern wäre es vielleicht eine bessere Lösung, wenn man im Gesetz,
wie wir es auch im Staatsvertrag haben, die Verpflichtung festschreiben würde,
dass regelmäßig ein Bericht vorgelegt wird. Dann wäre die LfR frei, gezielt
Sachverstand einzuholen. Es ist ja nicht so, dass wir immer denselben
Sachverstand brauchen und schon fünf Jahre im Vorhinein wissen: Diesmal
brauchen wir hauptsächlich juristischen, hauptsächlich
wirtschaftswissenschaftlichen, hauptsächlich kommunikationswissenschaftlichen
Sachverstand. Wir haben sehr unterschiedliche Probleme zu bewältigen. Im
Augenblick ist deutlich zu erkennen, dass es in der Problematik hin- und
hergeht.
Wir haben mit dem Aufbau unseres Forschungsbereichs und mit der offiziellen
Ausschreibung von Forschungsprojekten und Expertisen - übrigens nicht nur
für Landeskinder, wie dies von anderen Landesmedienanstalten praktiziert wird,
sondern bundesweit und rein nach Sachkriterien, Qualifikation und Leistung
- sehr gute Erfahrungen gemacht.
Insofern haben wir faktisch das, was hier noch einmal zugespitzt in einem
Rat formuliert ist, schon gemacht. Ich würde es für die bessere Lösung halten,
wenn die Landesanstalt für Medien zu einer regelmäßigen Berichterstattung
aufgefordert wird und dann frei ist, diese Berichterstattung zu qualifizieren,
indem sie bestimmte Gutachten nach außen oder auch Dauergutachten vergibt, um
regelmäßige Daten vorzuhalten und eine regelmäßige Berichterstattung
durchzuführen. Das wäre auch im Hinblick auf eine bessere Kooperationsstruktur
im Hause die bessere Lösung.
Lassen Sie mich noch eine Anmerkung zur Medienversammlung machen. Die Idee
in dem Gesetz ist sehr gut, dass eine Öffnung stattfinden soll. Wir haben das
schon an vielen Stellen gemacht, ich erinnere z. B. an das Medienforum,
das sich immer mehr nicht nur in Köln, sondern durchaus landesweit geöffnet
hat, auch für junge Leute mit der Messe Generation M.
Wir haben Forschungsprojekte genutzt, um landesweit mit Erzieherinnen, mit
Lehrern und mit betroffenen Gruppierungen zu diskutieren, öffentliche
Veranstaltungen und ähnliches durchzuführen. Auch das haben wir im Ansatz in
der LfR begonnen. Mich stört nur der Begriff "Versammlung", denn
dieser impliziert ein fest institutionalisiertes Gremium von vielleicht 70
Leuten, das man jedes Jahr zusammenruft. Das macht aus meiner Sicht wenig Sinn.
Wenn man die Themen, die medienpolitisch relevant sind, ins Land bringen und
mit Betroffenen diskutieren möchte, muss man auch gezielt die betroffenen
Gruppen einladen. Wenn man etwa das Thema "Gewalt" in den Medien im Zusammenhang
mit Erfurt diskutieren möchte, ergeben sich ganz andere Betroffenenkreise, die
man einladen und mit denen man ins Gespräch kommen muss, als wenn man völlig
andere Themen wie "Ballungsraum" behandelt. Insofern halte ich die
Idee für gut, aber man sollte nicht einen bürokratischen Verwaltungsapparat mit
einer jährlichen Versammlung institutionalisieren, sondern das Ganze flexibler
gestalten. Das wünschte ich mir also, die Offensive nach außen, aber flexibel.
Ralf Woelk (Deutscher Gewerkschaftsbund, Bezirk Nordrhein-Westfalen):
Auch aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes gibt es einige
Anmerkungen nicht nur zur Zusammensetzung der zukünftigen
Landesmedienkommission zu sagen, sondern auch zu einigen anderen der unter
Block 2 aufgeführten Punkte.
Uns erscheint die Reduzierung der Größe auf die jetzt vorgesehenen 19 bis 21
Mitglieder aufgrund des vorgelegten Entwurfes zum Landesmediengesetz nicht
plausibel. Wir möchten hier die bereits von Herrn Wolfgang Hahn-Cremer
vorgetragene Kritik - das völlige Fehlen von Auswahlkriterien der Verbände, die
die zukünftige Landesmedienkommission bilden - unterstützen. Hier ist der
Gesetzgeber gefragt, die zukünftige Auswahl zu bestimmen und plausible und
transparente Kriterien vorzulegen.
Wir haben es immerhin mit vielfältigen Aufgaben zu tun, die auf die LfR bzw.
LfM zukommen. Die Fülle von Satzungsermächtigungen ist bereits erwähnt worden.
Im Zuge der Digitalisierung wird es eine Anbietervielfalt geben. Ich denke,
dass die LfM und infolgedessen auch die Landesmedienkommission mit einer Reihe
von zusätzlichen Aufgaben zu tun haben werden. Von daher ist die Reduzierung in
der vorgesehenen Art und Weise sicherlich nicht tragfähig.
Auch vor dem Hintergrund der gebotenen Staatsferne ist der Anteil von
Politik im Verhältnis zu den Verbänden in der Kommission zu kritisieren. Bei
der derzeitigen Regelung ist die Politik mit unter 29 % an der Kommission
vertreten, bei der derzeitigen Zusammensetzung des Parlaments würde der Anteil
auf 33 % anwachsen. Es ist nicht plausibel, warum ausgerechnet Politik vor
dem Hintergrund der Staatsferne im Verhältnis zu den Verbänden anteilig steigt.
Bei der konkreten Zusammensetzung vermisst der DGB vor allem den Bereich der
Publizistik, also diejenigen, die insbesondere Medien machen. Der DGB denkt,
dass diese vor allem durch die zuständige Fachgewerkschaft vertreten wären.
Auch der Deutsche Journalistenverband sollte bei der zukünftigen
Landesmedienkommission berücksichtigt werden.
Es gibt eine Reihe von Bereichen, in denen sich verschiedene Verbände einen
Platz teilen. Das ist die Kultur, der Bereich der Bildung und insbesondere der
Bereich Soziales. Ein Beispiel: Der Landesjugendring, der Kinderschutzbund, die
Landesarbeitsgemeinschaft der Familienverbände und die Landesseniorenvertretung
sollen sich zukünftig einen Platz in der Landesmedienkommission teilen. Der
Deutsche Gewerkschaftsbund ist der Meinung, wenn der Gesetzgeber wünscht, dass
diese Organisationen in der zukünftigen Landesmedienkommission beteiligt sind,
dann soll er diesen auch einen Platz in dem Gremium zugestehen, und zwar einen
ständigen Platz.
Wie stellen Sie sich das in der Praxis vor? Entweder ist man - wie einer
meiner Vorredner schon erwähnt hat - in der Tat nur alle 18 bis 24 Jahre in
diesem Gremium vertreten, oder die Verbände wechseln sich turnusmäßig ab, was
zur Folge hätte, dass die tatsächliche Amtszeit der Verbände so gering werden
wird, dass man kaum noch die Möglichkeit hat, seinen Job nach der erfolgten
Einarbeitung ordentlich durchzuführen. Kaum blickt man in diesem Gremium
richtig durch, wäre man schon fast wieder draußen, wenn man sich darauf
verständigt, sich beispielsweise alle zwei bis drei Jahre abzuwechseln.
Zur Stellvertreterregelung: Vor dem Hintergrund, dass die Kommission
wesentlich kleiner werden soll, ist zu befürchten, dass ihre Zusammensetzung in
der Praxis zum Teil sehr zufällig erfolgt, weil der eine Vertreter oder die
andere Vertreterin nicht teilnehmen kann. Sowohl zur Wahrung der Kontinuität
der Mitarbeiterverbände in diesem Gremium als auch zur tatsächlichen
Anwesenheit schlägt der Deutsche Gewerkschaftsbund vor, die
Stellvertreterregelung beizubehalten.
Dementgegen ist es für uns nicht nachvollziehbar, warum bei einer
Verkleinerung der Landesmedienkommission gleichzeitig zwei zusätzliche Gremien
eingerichtet werden sollen. Diese erscheinen aus unserer Sicht zunächst für
verzichtbar, da die Aufgabenfülle - wie sie im Gesetz steht - die Notwendigkeit
für zwei zusätzliche Gremien nicht hergibt.
Bei der Medienversammlung sehen wir grundsätzlich keine Aufgaben, die nicht
auch von einer Landesmedienkommission erledigt werden könnten. Voraussetzung
hierfür wäre natürlich, dass die Mediennutzer und -nutzerinnen auch zusätzlich
in der Landesmedienkommission Berücksichtigung finden.
Zum Medienrat: Grundsätzlich begrüßen wir die Erstellung eines jährlichen
Medienberichtes. Aber dort sollte vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk
einbezogen werden. Auftraggeber eines solchen Medienberichtes sollte daher eher
die Landesregierung sein. Ein zusätzlicher Medienrat ist dafür nicht unbedingt
nötig.
Dr. Mechthild Winkelmann (Verbraucher-Zentrale Nordrhein-Westfalen,
Landesarbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e. V.): Ich möchte
noch ein Wort zur Medienversammlung sagen, die den Diskurs zwischen Mediennutzern,
Akteuren der Medienbranche, Medienwissenschaft und Politik sowie des
Medienjournalismus über den Stand und die Entwicklung der Medien in NRW fördern
soll. Diese Versammlung aller Beteiligten, so begrüßenswert sie ist, darf
natürlich nicht in eine jährlich einzuladende Großversammlung münden. Es darf
keine statische Veranstaltung werden, die bürokratisch pflichtgemäß
ausgerichtet werden muss. Sondern hier muss es sich um eine an aktuellen
Fragestellungen orientierte Form handeln, die sich auch an den Problemlagen der
Mediennutzer orientiert.
Hierbei könnten die entsendenden Organisationen Impulse in die
Medienkommission geben, um daraus ihre Aufgabe der Widerspiegelung
gesellschaftspolitischer Fragen und Problemlagen angemessen wahrnehmen zu können.
Da erscheint es uns durchaus sinnvoll, nur Teilöffentlichkeiten einzuladen und
nicht immer eine vorab definierte Großversammlung.
Karl-Wolfgang Brandt (Evangelisches Büro Nordrhein-Westfalen):
Ich muss das Votum von Herrn Keymis dahingehend berichtigen, dass - soweit ich
das sehe - weder das Katholische Büro noch unsere Seite Stellung zur
Verkleinerung bezogen haben. Ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Diskussion war
das Kriterium der Staatsferne. Warum die Medienkommission gegenüber ihrem
bisherigen Bestand verkleinert werden soll, ist uns in der evangelischen Kirche
nicht deutlich geworden. Hier möchte ich alles unterstreichen, was von Herrn
Hahn-Cremer kritisch angemerkt worden ist. Uns hätten schon die Begründung und
vor allen Dingen die Kriterien interessiert, die zu dieser jetzt vorliegenden
Auswahl geführt haben.
Ich möchte betonen, dass beide Kirchen Wert darauf legen, in der
Medienkommission wie bisher angemessen vertreten zu sein, zusammen auch mit den
Verbänden der jüdischen Kultusgemeinschaften. Wenn ich Ihnen in Erinnerung
rufen darf, vertreten wir einen Anteil von 70 % an der Gesamtbevölkerung,
daher ist dies auch aus inneren Gründen nur logisch. Vor dem Hintergrund der
jeweiligen geistigen Entwicklungsgeschichte beider Konfessionen, ist es auch
unter dialektischen Gesichtspunkten nicht nur spannend, sondern auch effektiv,
wenn beide Konfessionen als Sachwalter derselben Wertevorstellungen ihre
Gesichtspunkte in Vertretung der Öffentlichkeit und nicht als Lobbyisten
weiterhin ins Spiel bringen.
Die Medienversammlung als ein Gegengewicht zu einer verkleinerten
Medienkommission scheint mir auch hinterfragbar zu sein, wobei ich nur
behaupten kann, dass das ein Gegengewicht sein soll, denn die Begründung und
die Kriterien für das Zusammenspiel und die genauere Beschreibung des
Zusammenspiels der neuen Gremien fehlt im Gesetz ebenfalls.
Ich kann keine Stellung dazu nehmen, welche Verbände in der Reihe der 19
fehlen und noch dringend aufzunehmen wären. Einer weiteren Verkürzung im
Hinblick auf eine enger geführte Repräsentanz könnte ich aber in der Tat nicht
das Wort reden. Ich bin der Meinung - wie auch verschiedene andere Vorredner -,
mehr Pluralität muss sich auch in Zahlen ausdrücken.
Dr. Karl-Heinz Vogt (Katholisches Büro Nordrhein-Westfalen,
Kommissariat der Bischöfe in NW): Die Vielfalt der gesellschaftlichen
Gruppen hat sich nach unserer Einschätzung bewährt. Die Interessen der
Allgemeinheit kamen auf diese Weise in einer sehr guten Form zum Tragen. Wenn
ich Herrn Hahn-Cremer soeben richtig verstanden habe, kann er sich aus der
Sicht der LfR die Arbeit mit dem verkleinerten Gremium durchaus vorstellen. Aus
der Sicht der Allgemeinheit jedoch wäre es in der Tat zu empfehlen, es bei der
alten Größenordnung zu belassen, vielleicht in einer modifizierten Größe.
Insgesamt glaube ich, kommt die Allgemeinheit mit einem größeren Gremium
besser zur Sprache.
Peter Schröder-Metz (Gewerkschaft Ver.di,
Landesbezirk Nordrhein-Westfalen): Bei der angekündigten Verkleinerung
der Landesmedienkommission muss es erlaubt sein zu hinterfragen, ob es dafür
Gründe gibt. Danach habe ich mehrmals gefragt, seit dieses Thema auf der
Tagesordnung ist. Herr Grüll kann ich persönlich ansprechen. Er hat sofort zum
Eingang einer Frage gesagt, er verhehle nicht, Sympathie dafür zu haben, dieses
Gremium zu verkleinern. Herr Grüll, nutzen Sie die Gelegenheit und sagen Sie
mir ein paar vernünftige Argumente, die dafür sprechen, diese
Landesmedienkommission zu verkleinern.
Ich möchte jetzt die Gelegenheit nutzen und zumindest einige Argumente
nennen, die dafür sprechen, diese Landesmedienkommission umfassend und mächtig
zu erhalten, und zwar gerade vor dem Hintergrund des neu entwickelten
Landesmediengesetzes. Schauen Sie hinein, was darin steht: weniger Regulierung
auf gesetzlicher Ebene, mehr Flexibilität, Anpassung an gesellschaftliche
Erfordernisse. Gleichzeitig hat man in den Gesetzentwurf hineingeschrieben, wer
dieses künftige neue Landesmediengesetz mit Inhalt und Leben ausstatten soll,
nämlich die Landesmedienanstalt.
Wenn Sie im Gesetz danach suchen, werden Sie bei 30 bis 40 Passagen den
Hinweis finden, Näheres regelt die LfM durch Satzung. Die Landesmedienanstalt
ist kein Verwaltungsapparat, ist keine nackte Behörde. Die Landesanstalt für
Medien besteht aus mehreren Organen. Eines dieser wichtigen Organe ist
u. a. jetzt schon und wird es auch künftig sein, die
Landesmedienkommission mit den Vertretern der gesellschaftlich relevanten
Kräfte.
Gerade vor dem Hintergrund, dass diese Medienkommission über den sich
ständig wandelnden Medienmarkt wachen und ihn bewerten soll, halte ich es für
erforderlich, dass die gebündelte Sachkenntnis aller im Volk vertretenen
gesellschaftlich relevanten Gruppen dort angemessen zu Wort kommt. Das ist
eminent wichtig.
Gehen Sie zurück auf die Entstehungsgeschichte des Landesmediengesetzes.
Warum sollte es das geben? - Es geht um die Entwicklung der
Kernkompetenzen, um Mediennutzerschutz, Förderung der Medienkompetenz. Das sind
ganz wichtige Punkte. Schauen Sie ins Gesetz. Sie werden dort keinen konkreten
Hinweis finden, sondern wieder nur den Zusatz, das Nähere regelt die LfM durch
Satzung. Wenn nicht die vielfältig zusammengesetzte Landesmedienkommission, wer
dann soll diese wichtigen zentralen Schlüsselfragen künftig diskutieren und lösen?
Man muss immer wieder daran erinnern, warum bestimmte Gesetze entstanden
sind und warum die Geschichte so gelaufen ist. Als wichtiges Argument für die
Verkleinerung der Landesmedienkommission wurde genannt, es müsste schneller
entschieden werden. Das kann ich nicht in Einklang bringen mit der
beabsichtigten Vielfalt der Medienaufsicht durch Medienversammlung, Medienrat
und Landesmedienkommission. Näheres muss ich dazu nicht ausführen. Das haben
die Vorrednerinnen und Vorredner schon in meinem Sinne ausreichend dargelegt.
Damit kann ich mit meinen Ausführungen enden. Es ist alles schon gesagt
worden. Ich kann auch keinem widersprechen, der vor mir dazu gesprochen hat.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Herzlichen Dank. - Zu
diesem Punkt gab es ja sehr viele kritische Anmerkungen zu hören.
Ich schlage vor, dass wir zunächst noch einmal den Abgeordneten Gelegenheit
geben, Fragen zu stellen. Ich werde dann auf Herrn Hegemanns Wunsch
zurückkommen und gebe denjenigen, die sich angesprochen fühlten und bisher nicht
als Redner benannt worden sind, Gelegenheit, sich per Handzeichen in die
Debatte einschalten zu können. Ich bitte Sie, mit diesem Verfahren
einverstanden zu sein. Nachdem also die Abgeordneten Gelegenheit hatten, Fragen
zu stellen, kommen wir noch einmal zu den allgemeinen Stellungnahmen zurück.
Dr. Stefan Grüll (FDP): Es passt außerordentlich gut,
dass ich jetzt das Wort habe, weil ich gerade angesprochen worden bin.
Gestatten Sie mir gleichwohl die Vorbemerkung, dass ich mich derzeit noch nicht
in der Rolle sehe, Gesetzentwürfe der Landesregierung argumentativ zu
unterfüttern. Wenn es aber den einen oder anderen Aspekt gibt, den ich als
richtig empfinde, stehe ich nicht hinten an, aus irgendwelchen
parlamentarischen Ritualen heraus ein Hehl daraus zu machen und zu sagen, ich
könnte es mir leicht machen, ich bin nicht in der Rolle, das zu vertreten, also
finde ich alles schlecht, was die Regierung vorlegt.
In dem einen Punkt finde ich das Vorgelegte durchaus einmal gut. Deshalb
habe ich das auch gesagt, damit wir wechselseitig wissen, woran wir sind. Ich
bitte die nachfolgenden Redner bei Ihren Stellungnahmen - das ist eine
Teilantwort auf Ihre Frage; auch wenn wir heute hier ein anderes Spiel haben,
will ich das gern so handhaben, weil ich das als Frage formuliert an Sie
zurückgebe, und Sie werden innerhalb der Frage erkennen, dass das Teil der
Antwort auf die von Ihnen an mich gestellte Frage ist - zweierlei zu
berücksichtigen: Erstens. Wir reden von unabhängigen gesellschaftlichen
Gruppen. Diese stelle ich übrigens nicht infrage. An diesem Punkt stelle ich
aber die Frage, ob sich beispielsweise Organisationsveränderungen im Bereich
der Gewerkschaften, die von diesen vorgenommen worden sind, in der heutigen
Zusammensetzung der Landesrundfunkkommission wiederfinden. Wenn Sie mir folgen
und sagen, nein, die fänden sich dort nicht wieder, dann kommen wir an der
Stelle wohl schon zu einem gewissen Einsparpotenzial. Das finde ich zumindest
nicht ganz schlecht, und zwar auch von der Stringenz und Plausiblität des
Vorgehens her.
Zweitens. Neben den unabhängigen gesellschaftlichen Gruppen gibt es, ohne
jemandem nahe treten zu wollen - das ist ein Fakt, das ich nur
feststelle -, Interessenvertreter. Ich stelle dazu die weitergehende
Frage, wenn Sie so fokussiert auf die unabhängigen gesellschaftlichen Gruppen
und die Mitarbeit in diesem Sinne Wert legen, was ich unterschreibe - ich
sage ja nicht: keine Kommission -, dann müsste man die Frage stellen, ob
die Interessenvertreter in der Kommission sein sollten, die bei bestimmten
Abstimmungen heute hinausgehen müssen, weil sie Interessenvertreter sind.
Könnte man nicht darauf verzichten, diesen dann aber ein Anhörungsrecht
einräumen? Dann kommen wir zu einer Verkleinerung der Kommission, die aus
meiner Sicht sachgerecht ist, aber diese Interessenvertreter wären mit einem
Anhörungsrecht versehen. Insofern wäre die Waagschale wieder austariert. Indem
ich bitte, diese zwei Aspekte bei den Stellungnahmen zu berücksichtigen, habe
ich, glaube ich, Ihre Frage, die an mich gerichtet war, schon in Teilen
beantwortet.
Ich bin dezidiert nicht der Ansicht, dass es eine argumentative Bringschuld
ist darzulegen, warum man etwas verkleinern will, wenn wir insgesamt immer von
effizienten Strukturen, von Reduktion bei Strukturen reden, und zwar in allen
Politikfeldern. Es ist dann schon eher eine Bringschuld zu begründen, warum
etwas so bleiben muss, wie es ist, zumal ich glaube, deutlich gemacht zu haben,
für diese Position den einen oder anderen Aspekt auf meiner Seite zu haben.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Herr Dr. Grüll, ich darf Sie
nachdrücklich unterstützen. Wir haben heute eine andere Beratungsform. Wir
befragen Sie! Einmal dürfen Politiker sich zurücklehnen und brauchen nur
zuzuhören. Das heißt, wir sind im Moment nicht diejenigen, die argumentieren.
Das leisten wir dann in den Sitzungen des Medienausschusses und in den
Veranstaltungen mit Ihnen. Heute stehen Sie uns dankenswerterweise zur
Verfügung.
Dr. Frank Freimuth (SPD): Ich möchte auf einen
weiteren Teilaspekt des Gesetzentwurfes eingehen, nämlich auf § 99. Es
geht um die Frage der Aufwendungen. Im Gesetzentwurf heißt es:
"Die Mitglieder der Medienkommission haben Anspruch auf
Aufwandsentschädigung, Ersatz von Reisekosten und auf Tage- und
Übernachtungsgelder. Das Nähere regelt die LfM durch Satzung, die der
Zustimmung der Landesregierung bedarf."
Eine solche Satzungsregelung durch die LfM wird öfter nach diesem
Gesetzentwurf vorgesehen. Von der jetzigen LfR möchte ich wissen, ob diese auf
der Grundlage dieses Gesetzentwurfes schon über Kriterien nachgedacht hat, nach
denen das entschieden werden könnte. Ich sage Ihnen dazu einmal meine
persönliche Auffassung: Als Richtschnur wäre durchaus denkbar, einmal zu
überlegen, wie die Ratsmitglieder in den Kommunen entschädigt werden.
Werner Jostmeier (CDU): Bei diesem Punkt haben wir den
Kernbereich dessen zu diskutieren, was in den letzten Tagen und Wochen an
Medienkritik und generell an Stellungnahmen von Ihnen vorgetragen worden ist.
Der Kernpunkt, um den es hier geht und den wir diskutieren müssen, ist
u. a. von den Kirchen und dem DGB-Vertreter benannt worden. Nach welchen
Kriterien sind denn die in § 93 Abs. 3 aufgeführten Vertreter benannt
oder ausgesucht worden oder auf welche Weise sind diese in den Gesetzentwurfstext
aufgenommen worden? Diese Frage stelle ich an den Vertreter des Deutschen
Beamtenbundes und an die Vertreter der Einrichtungen, die man unter den freien
Trägern zusammenfasst, z. B. die Landesarbeitsgemeinschaft der
Familienverbände, die drei Heimatbünde und den Landesjugendring.
Ich habe keine Probleme damit, dass die unter § 93 Abs. 3 Ziffer 3
genannten Organisationen vertreten sind. Ich habe gerade versucht, mich
sachkundig zu machen. Dabei handelt es sich um etwa 7.000 Mitglieder,
organisiert sind in diesen Verbänden 25.000. Wie kann der Vertreter des
Landesjugendringes - vorhin ist die Zahl von 4,5 Millionen genannt
worden -, wie können die Vertreter der drei Heimatbünde, die fast
eine Million Mitglieder vertreten, mit den Kriterien leben? Können Sie
Kriterien definieren, nach denen diese Organisationen im Gesetzentwurf benannt
worden sind?
Rainer Schmeltzer (SPD): Ich möchte insbesondere in
Richtung Gewerkschaften, des Deutschen Gewerkschaftsbundes und von Ver.di eine
Frage stellen und das mit einer Feststellung verbinden.
Wir haben in dem derzeit geltenden Landesrundfunkgesetz die Auflistung der
Vertreterinnen und Vertreter in der Kommission. Dort finden sich allein unter
dem Dach der Gewerkschaft, was ich als Gewerkschafter natürlich sehr begrüßt
habe, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft,
zweimal in verschiedener Funktion die Industriegewerkschaft Medien, wir haben
darunter den Deutschen Journalistenverband, außerdem den Deutschen Beamtenbund.
Sind Sie nicht mit mir einer Meinung - das geht insbesondere in Richtung
DGB als Dachverband und Ver.di als Mitgliedsgewerkschaft unter diesem
Dach -, dass es Sinn macht, dass, wenn die Arbeitnehmerschaft in einer
entsprechend reduzierten Kommission vertreten ist, natürlich der Deutsche
Gewerkschaftsbund die Möglichkeit hat, die fachkundige Gewerkschaft - in
diesem Fall meines Erachtens die Gewerkschaft Ver.di - dorthin zu
entsenden? Es muss ja nicht jemand aus dem Haus des DGB sein, sondern es könnte
dort die Sachkunde der ehemals IG Medien, jetzt Ver.di, dort einbezogen
werden, sodass die Interessen der Arbeitnehmerschaft in dieser Kommission
gebündelt werden.
Lothar Hegemann (CDU): Zur Begründung der Verkleinerung der
Kommission wurde mehrfach angegeben, man müsse flexibler und schneller sein.
Dr. Brautmeier, hat es in der Vergangenheit Anmerkungen der Staatskanzlei
gegeben, dass in Ihrem Hause etwas liegen geblieben ist?
Tanja Brakensiek (CDU): Meine Frage geht auch an Herrn
Brautmeier. - Sie müssten jetzt schon innerhalb kürzester Zeit in Ihrem
Hause Vorkehrungen treffen, um Ihrer Satzungskompetenz gerecht werden zu
können. Damit gehen die Fragen der Übergangsregelungen einher, die wir erst
unter Block 5 behandeln.
Welche Maßnahmen veranlassen Sie zurzeit, und wie sehen Sie die Chancen,
sehr schnell handlungsfähig zu werden, wenn der Gesetzentwurf unverändert
verabschiedet werden sollte?
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Damit haben die Abgeordneten
in dieser Runde Ihre Fragen gestellt, denn weitere Wortmeldungen sehe ich nicht
mehr. Ich verfahre dann wieder so, wie zuvor und erteile denen das Wort, die
konkret benannt worden sind. Diejenigen, die dann noch nicht zu Wort gekommen
sein sollten, werden danach die Gelegenheit erhalten, das Wort zu ergreifen.
Wir hören bis zur Mittagspause zunächst die konkret angesprochenen Verbände.
Nach der Mittagspause kehren wir zum Block 2 zurück und geben denjenigen,
die bis dahin nicht zu Wort gekommen sind, aber gern Ihre Stellungnahme zum
Thema Medienkommission abgeben wollen, die Gelegenheit, Ihre Ausführungen zu
machen. Sind Sie mit diesem Verfahren einverstanden? - Ich sehe ein
allgemeines Nicken. Somit hat zunächst Herr Woelk vom DGB das Wort. Ich bitte
noch einmal darum, jeweils nicht zu lange zu reden.
Ralf Woelk (Deutscher Gewerkschaftsbund, Bezirk
Nordrhein-Westfalen): Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist der
Dachverband von acht Mitgliedsgewerkschaften. Er vertritt in
Nordrhein-Westfalen rund 2 Millionen organisierte Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen und nicht zwangsläufig und automatisch nur die Interessen von
Ver.di. Da kann es durchaus schon einmal den einen oder anderen
Interessenkonflikt geben. Von daher ist es durchaus gerechtfertigt, dass wir
als Spitzenorganisation, wie auch an vielen anderen Stellen, nicht nur benennende
Stelle sind, sondern auch versuchen, die zum Teil verschiedenen Meinungen - das
soll vorkommen - der acht DGB-Gewerkschaften zu koordinieren und dann dort mit
einer Stimme zu sprechen.
Zu dem Vertretungsanspruch von IG Medien bzw. Ver.di wird die entsprechende
Gewerkschaft sicherlich selbst etwas sagen wollen.
Peter Schröder-Metz (Gewerkschaft Ver.di, Landesbezirk
Nordrhein-Westfalen): Ich würde ein hohes Maß an sozialpolitischer
Kompetenz beim DGB ansiedeln, die wir als ehemalige IG Medien wahrnehmen. Wenn
Sie ins Gesetz sehen, stellen Sie fest: Dort steht nicht, dass Ver.di in der
künftigen Landesmedienkonferenz vertreten sein soll bzw. nicht vertreten sein
soll, sondern wir reden vom Fachbereich Medien in Ver.di. Das ist etwas ganz
anderes.
Deswegen nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Für die Erfinder des alten
Landesrundfunkgesetzes war der einzige Grund, überproportional journalistische
Gewerkschafter, Schriftsteller und andere Urheber da hineinzusetzen, dass wir
an dem Thema Medien sehr nahe dran sind. Das ist Hintergrund der gesetzlichen
Regelung und der gesamten Diskussion. Noch einmal: Wenn wir mit mehr als ein
oder zwei Personen in einer Kommission vertreten sein sollten, handelt es sich
nur darum, dass wir von Berufs wegen als engagierte Gewerkschafter ein hohes
Maß an medienpolitischer Kompetenz einbringen. Wenn dieses Gesetz an vielen
entscheidenden Stellen ergebnisoffen ist, halte ich es für einen großen Fehler,
wenn man auf diese medienpolitische Kompetenz in einer künftigen Medienkommission
verzichtet.
Wolfgang Hahn-Cremer (Landesanstalt für Rundfunk
Nordrhein-Westfalen): Ich will nur auf die Frage von Herrn Dr.
Freimuth antworten. Natürlich haben wir momentan ganz andere Fragestellungen
als die Frage nach den Kriterien zu klären. Ich bin dankbar, dass Sie eines
genannt haben. Ein weiteres Kriterium könnte sein zu sagen: Wir bleiben bei
dem, wie wir es bisher schon angewendet haben, nämlich bei der Struktur, die
das jetzige Gesetz vorgibt. Es gibt auch die immer von meinem Vorgänger vertretene
These, ob man sich nicht an die Struktur des Westdeutschen Rundfunks anpasst.
In der Bandbreite wird man sich bewegen, wenn man nach Kriterien sucht. Konkret
wird sich diese Frage aber erst für die neue Kommission stellen, weniger für
die alte.
Dr. Jürgen Brautmeier (Landesanstalt für Rundfunk
Nordrhein-Westfalen): Herr Hegemann, die Frage, ob die Staatskanzlei
die Landesanstalt für Rundfunk schon einmal gerüffelt habe, dass etwas liegen
geblieben sei, kann ich mit einem klaren Nein beantworten. Die Staatskanzlei
hat auch nur die Rechtsaufsicht über die Landesanstalt für Rundfunk. Wir
müssten dann durch das Liegenlassen auch gegen das Landesrundfunkgesetz
verstoßen haben. Das versuchen wir tunlichst zu vermeiden.
(Lothar Hegemann [CDU]: Sonst rufen die gar nicht an?)
- Ich bin noch nicht fertig. Das hat auch damit etwas zu tun, dass wir zwei
Organe haben. Wenn ein Organ einmal merkt, dass das andere irgendetwas liegen
lässt, dann meldet sich das Organ. Im Zusammenspiel der beiden Organe sind wir
uns relativ sicher, dass wir die Aufgaben, die wir haben, erfüllen.
Zur Frage nach den Anrufen: Dass man einmal anruft und miteinander spricht,
ist, glaube ich, ganz selbstverständlich und auch nicht verboten. Es hat aber
nichts damit zu tun, dass man uns rüffeln oder uns ermahnen müsste,
irgendwelche Aufgaben zu erfüllen.
Zur Frage von Frau Brakensiek nach der Satzungskompetenz und der
Vorbereitung auf das, was da kommt: Ja, wir sind schon intensiv dabei, uns
vorzubereiten. Wir gucken natürlich den Entwurf daraufhin durch, wo wir überall
eine Satzung machen müssen. Das ist manchmal mehr, manchmal weniger Aufwand. In
manchen Bereichen haben wir schon Satzungen, die wir modifizieren müssen. In
anderen Bereichen müssen wir neue Satzungen erarbeiten, die dann von der
Kommission genehmigt werden müssen. Darauf bereiten wir uns vor.
Wir sind uns bewusst, dass wir in der Anfangsphase, wenn das Gesetz in Kraft
getreten ist, eine gewisse Sonderlast zu tragen haben, um diese Aufgaben
abzuarbeiten und die Satzungen, die von uns gefordert werden, sinngerecht zu
erarbeiten und dann in der Praxis anzuwenden. Aber wir sind darauf vorbereitet,
so schnell wie möglich mit der neuen Kommission über diese Satzungen zu
diskutieren.
Ilse Redemann (Deutscher Beamtenbund, Landesbund NRW): Der
Deutsche Beamtenbund ist die zweitgrößte Spitzenorganisation von Arbeitnehmern
im öffentlichen Dienst, nicht nur in Nordrhein-Westfalen. Aus dem Gesetzentwurf
ist nicht ersichtlich, wieso Meinungsvielfalt in diesem Bereich ausgeschlossen
werden soll.
Alles andere haben wir Ihnen schriftlich vorgelegt. Ich glaube, das reicht.
Richard Feider (Landesarbeitsgemeinschaft der Familienverbände in
NRW): Ich wollte auf die Kriterien zurückkommen. Ich möchte daran erinnern,
dass wir, als das Mediengesetz in der Landesrundfunkkommission vorgestellt
worden ist, von Herrn Dr. Kamps von der Staatskanzlei gesagt bekommen haben,
wir würden hier die Kriterien genannt bekommen. Ich wundere mich heute darüber,
dass man uns sagt, wir dürften zwar Fragen stellen, bekämen aber nicht die
Antworten dazu.
Bei den Familienverbänden war es bisher so, dass wir uns einen Sitz mit dem
Frauenrat teilen durften. Jetzt hat der Frauenrat einen eigenen Sitz bekommen.
Wir sind mit den Kindern, der Jugend und den Senioren in einen Topf geworfen
worden und müssen uns zu viert jetzt einen Sitz teilen. Ich weiß nicht, wie das
in Zukunft funktionieren soll, wie die Vertretung geregelt werden soll, ob man
dann jedes Jahr wechseln muss. Ich würde gerne fragen, wie man sich das
vorstellt.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Herzlichen Dank.
Möglicherweise hat Herr Dr. Kamps Sie falsch informiert. Es gibt natürlich
Diskussionsrunden - die Landesmedienanstalt hat ja auch eine solche
durchgeführt -, in denen über das Gesetz informiert wurde und wo es auch die
Möglichkeit der Diskussion gab. Der Medienausschuss wird dies ja auch in seinen
öffentlichen Sitzungen tun. Viele Organisationen, die hier sitzen, haben ja
auch die Politiker bzw. die Fraktionen zu Diskussionsrunden eingeladen, in
denen man sicherlich vonseiten der Politik erfährt, wo es denn lang gehen soll.
Heute ist es jedoch eine Anhörung, in der die Politik Sie anhört und Sie die
Gelegenheit haben, den Fraktionen mit auf den Weg zu geben, wo Sie Änderungsbedarf
bis zur Gesetzesverabschiedung sehen. Das tun Sie ja auch sehr rege, wofür ich
mich bedanken möchte.
Ich habe jetzt auf meiner Liste noch den Jugendring und würde vorschlagen,
dass wir danach in die Pause gehen.
Martin Wonik (Landesjugendring NRW e.V.): Der
Landesjugendring hat bis jetzt eine eigenständige Vertretung in der
Rundfunkkommission gehabt. Er versteht sich als Vertretung der Kinder und
Jugendlichen im Lande; die Zahlen habe ich vorhin schon genannt. Wenn man sich
überlegt, wer Medien nutzt, dass es auch immer mehr Medien gibt und dass es
zunehmende Probleme gibt, die Medien zu nutzen, dann sehen wir uns, wie ich
vorhin schon kurz betont habe, natürlich als Dialogpartner. Wir sind
diejenigen, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen kennen und die sich
immer nur als Gesprächspartner anbieten können.
Die Konstruktion, die man im Gesetzentwurf gewählt hat - das hat ja der
Kollege von den Familienverbänden auch betont -, ist nicht praktikabel. Wenn
man in sechsjährigen Perioden denkt, könnte das bedeuten: Alle 18 bis 24 Jahre
ist auch einmal der Bereich Kinder und Jugendliche im Lande Nordrhein-Westfalen
gefragt. Das Gleiche gilt für den Kinderschutzbund, für die Senioren und die
Familienverbände. Wir sind gleichzeitig im "Bündnis für Erziehung" in
Nordrhein-Westfalen in der Diskussion, werden dort immer wieder gefragt, und
dann sind auf einmal die Interessen von Kindern und Jugendlichen ganz wichtig.
Ich plädiere deshalb dafür - die Kriterien sind uns von Herrn Dr. Kamps am
17. April in der Tat nicht genannt worden -, eine Regelung zu finden, die
diesen gesellschaftlichen Kräften auch gerecht wird. Entweder sind sie wichtig
- und ich halte den Kinderschutzbund, den Landesjugendring, die
Landesarbeitsgemeinschaft der Familienverbände und die Landesseniorenvertretung
für sehr wichtig, weil sie ganz bestimmte gesellschaftliche Teilgruppen
vertreten -, oder man soll sie ganz herauslassen. Die Regelung, die man hier
gewählt hat, halte ich für absolut unsinnig, weil - das hat der Vertreter vom
DGB vorhin gesagt - die Zeit, die man braucht, um sich die Kompetenz zu
erarbeiten, die man benötigt, um in der Kommission einigermaßen mitreden zu
können und Verständnis dafür zu haben, länger als ein oder zwei Jahre dauert.
Wenn ich im Rahmen dieser "Viererbande" aber fair sein will, müsste
ich ja alle ein bis zwei Jahre die Vertreter wechseln. Das würde dazu führe,
dass dort nie kompetente Vertreter sitzen. Deswegen: Lieber alle vier heraus,
oder aber eine vernünftige Regelung, aber nicht so ein Durcheinander!
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Herzlichen Dank. - Ich würde
jetzt gerne die Sitzung unterbrechen. Sie finden draußen vor der Tür Getränke
und eine Kleinigkeit zu essen. Wir sehen uns um 14.10 Uhr wieder, und wir
bleiben dann in diesem Inhaltsblock.
(Mittagspause von 13.41 Uhr bis 14.13 Uhr)
Wir fahren mit der Anhörung fort. Ich möchte nun, wie ich Ihnen vorhin schon
angekündigt habe, Stellungnahmen von Vereinen, Verbänden und Personen zulassen,
die aufgrund der Nachfragen der Abgeordneten bisher nicht angesprochen worden
sind, aber meinen, sie müssten ihre eigene Stellungnahme hier unterstreichen.
Ich würde Ihnen diese Form, die eigentlich nicht vorgesehen ist, anbieten,
damit nachher jeder den Saal verlässt und sagen kann: Ich habe alles loswerden
können, was ich sagen wollte. Diesen Block möchte ich jedoch auf eine knappe
halbe Stunde begrenzen und das gegen 14.40 Uhr unterbrechen. Ich werde dann die
Fraktionen noch einmal um Fragen bitten und danach den Block 3 aufrufen.
Wir kommen jetzt also zu Stellungnahmen ohne Nachfragen der Abgeordneten.
Ich habe bereits zwei Organisationen benannt. Die übrigen bitte ich, das
Knöpfchen zu drücken, damit ich weiß, wer noch eine Stellungnahme abgeben
möchte. - Zunächst für die Landesseniorenvertretung Frau Scheinemann.
Irmgard Scheinemann (Landesseniorenvertretung Nordrhein-Westfalen
e.V.): Wir als Landesseniorenvertretung begrüßen die Aufnahme in die
Medienkommission natürlich außerordentlich.
Wir sind der Dachverband für die kommunalen Seniorenvertretungen in
Nordrhein-Westfalen. Das heißt, wir vertreten praktisch ein Viertel der
Bevölkerung, nämlich alle Senioren über 60 Jahre. Wir begrüßen es, dass wir
sozusagen das erste Mal bei den Medien auftauchen. Wir haben zwar die ganze
Entwicklung der Medien aufgrund unseres Lebens und unserer Lebenserfahrung mit
verfolgt, aber wir sind zum ersten Mal - so hoffe ich - mit dabei.
In § 93 Abs. 3 Ziffer 10 sind wir aufgeführt; das ist vorhin schon
von Herrn Woelk angesprochen worden. Mit dem Deutschen Kinderschutzbund, der
Landesjugendring Nordrhein-Westfalen, der Landesarbeitsgemeinschaft der
Familienverbände in Nordrhein-Westfalen und der Landesseniorenvertretung haben
Sie die Gesamtbevölkerung erfasst - von der Jugend bis zum Alter. Sie
geben ihnen aber nur eine Stimme.
Die Gewichtung stimmt meiner Ansicht nach nicht. Sie gewähren der Vertretung
der Gesamtbevölkerung nur eine Stimme. Andere Interessengruppierungen
- ich nenne wahllos z. B. den Sport oder die Kultur, welche
Einzelinteressen einer Lebensphase sind - werten Sie auch mit einer
Stimme, und dann soll sich die Vertretung die Gesamtbevölkerung - da komme
ich zum Inhaltlichen - mit einer Stimme einigen, wer für uns spricht.
Betrachtet man es vom Alter und der Erfahrung her, kommt natürlich nur die
Landesseniorenvertretung infrage, denn die hat ihr ganzes Leben verbracht. Sie
ist die Älteste und hat die Übersicht. Wir sind Kinder gewesen, wir sind in der
Familien- und Berufsphase gewesen, und jetzt sind wir im Alter. Das heißt, wir
können das Gesamtleben überblicken, wir kennen die einzelnen
Lebensverhältnisse.
Wie kann ein Kinderschutzbund für die Senioren sprechen? Ich will nicht
sagen, es sei eine Diskriminierung, wenn beispielsweise der Kinderschutzbund
für uns sprechen soll, aber es hat ein bisschen was von Diskriminierung. Ich
denke, das geht einfach nicht. Der Deutsche Kinderschutzbund oder der
Landesjugendring kann nicht die Interessen eines älteren Menschen vertreten,
von dem er gar nicht weiß, wie der Befund ist. Wir haben in den drei Lebensaltern
- Kindsein, mittlere Phase der Familien- und Berufsgründung, Alter -
verschiedene Aspekte der Sicht, des Bedürfnisses, des Befundes. Da kann ein
Jugendlicher nicht für einen Alten sprechen. Ein Alter kann hingegen sehr wohl
für einen Jugendlichen sprechen.
Das Problem ist: Wenn wir uns jetzt nicht einigen können, haben Sie die
gesamte Bevölkerung in diesem Punkt hinausgeschmissen. Dann haben Sie niemanden
mehr. Dann haben Sie nur noch Interessenvertretungen wie beispielsweise den
Landessportbund, den Frauenrat oder wen auch immer. Das kann es doch nicht
sein.
Ich möchte Sie deswegen sehr herzlich bitten: Überdenken Sie diesen Punkt
noch einmal. Geben Sie den entsprechenden Bevölkerungsgruppierungen - den
Kindern und der Jugend, der mittleren Lebensphase und dem Alter - je eine
Stimme. Das wäre von der Gewichtung und vom Inhalt her richtig.
Der Gesetzgeber hat sich in Ziffer 10 auch ein bisschen aus der
Verantwortung gezogen, indem er sagt: Regelt das untereinander. - Das
kann man nicht untereinander regeln bei so divergierenden Ansichten. Dieser
Punkt müsste meiner Meinung nach überdacht werden. Ich bitte Sie sehr herzlich
darum, aus dieser einen Stimme zumindest drei zu machen.
Ulrike Kaiser (Deutscher Journalistenverband Landesverband NRW
e.V.): Ich will auf die Frage von Herrn Hegemann eingehen, wer sich in
der Rundfunkkommission bisher überflüssig gefühlt hat. Ich arbeite seit 1987 in
der Rundfunkkommission und habe mich dort nie überflüssig gefühlt. Im
Gegenteil: Das Gesetz schreibt ausdrücklich medienpolitische Kenntnisse für die
Leute vor, die dort die gesellschaftlichen Gruppen vertreten. Mich verwundert
es als Vertreter der Journalisten, dass das Gesetz ausgerechnet auf diejenigen
verzichtet, die diese Kenntnisse professionell und fast automatisch mitbringen.
Die Begründung leuchtet mir auch nicht ein, weil bisher immer nur davon
geredet worden ist, dass es um Verschlankung gehe. Dann ist der Begriff
"Effizienz" gefallen. Verschlankung ist eigentlich immer gut, aber
man muss sich die Frage stellen, ob es sich um eine Verschlankung handelt. Was
ich sehe, ist, dass aus einem Gremium inzwischen drei gemacht werden, nämlich
Medienkommission, Medienrat und Medienversammlung, deren Kompetenzen
untereinander noch nicht einmal richtig geregelt sind. Es gibt sehr viele
Überschneidungen in ihren Tätigkeitsfeldern, und ob das insgesamt zu einer
größeren Effizienz führt, wage ich zu bezweifeln.
Zur Medienkommission selbst: Ich möchte daran erinnern, dass die
Zusammensetzung der Landesrundfunkkommission bisher analog gewählt wurde zum
WDR-Rundfunkrat und daher auf eine breite gesellschaftliche Beteiligung setzte.
Dass jetzt die gesellschaftlichen Gruppen mehr und mehr zurückgezogen werden
sollen, empfinde ich als ein total falsches Signal, und zwar von der Effizienz
her, weil es zur Fluktuation führt; das haben wir eben schon festgestellt. Die
Vertreter werden laufend wechseln innerhalb dieser Kommission.
Ich sehe es aber auch als ein falsches Signal an, weil es der private
Rundfunk verdient hat, sich nach wie vor einem breiten gesellschaftlichen
Diskurs zu stellen. Wir haben davon in der Landesmedienkommission eigentlich
immer profitiert. Ich weiß nicht, ob das durch die Medienversammlung ersetzt
werden kann, die jetzt ins Spiel gebracht wird. Das bleibt für mich ein
virtuelles Gremium, weil auch diesbezüglich alles Nähere die Landesanstalt für
Medien regeln wird, und das macht mich skeptisch.
Ich denke, es ist prinzipiell eine gute Idee, möglichst viele in eine
Diskussion über die Medien einzubeziehen. Einen wie dort vorgesehenen
unverbindlichen Diskurs gibt es bereits auf vielen unterschiedlichen Ebenen,
beispielsweise in der Weiterbildung, auf Tagungen, im Medienforum usw.
Zum Medienrat: Im Prinzip hat der Medienrat Aufgaben, die die LfR jetzt
schon erfüllt. Insofern sehe ich nicht, dass es eines weiteren Gremiums bedarf.
Hans-Dietrich Kluge-Jindra (Landesarbeitsgemeinschaft lokale
Medienarbeit Nordrhein-Westfalen e.V.): Mir fällt bei der
Zusammensetzung der künftigen Medienkommission auf, dass dort zwei
Gruppierungen nicht mehr vertreten sind, die bislang Sitz und Stimme hatten.
Das sind zum einen die Bürgermedien. Ich denke, da sollte man sich Gedanken
machen, warum gerade die Bürgermedien in ihrer Gesamtheit und Breite
herausfallen.
Zum anderen ist es der Bereich der Medienpädagogik. Im Gesetzentwurf wird
viel über Medienkompetenz geredet; wir werden uns gleich im anderen Block
darüber unterhalten. Ich sehe, dass die fachlichen Vertreter der
Medienpädagogik dort nicht mehr vertreten sein sollen. Da stimmt etwas nicht.
Dann stelle ich fest, dass dort - für mich nicht nachvollziehbar -
Kriterien entwickelt worden sind, die ich sehr nachdrücklich und deutlich zu
überprüfen und zu verändern bitte.
Konstantin von Ahlefeld (Verband der Fernseh-, Film- und
Videowirtschaft NRW e.V.): Als erstes möchte ich kurz auf die
Stellungnahme des VPRT eingehen, der in seinem letzten Satz schreibt: Der VPRT
geht davon aus, dass durch Einschränkung der Kommission zukünftig ein
effizienteres Arbeiten der LfM sichergestellt ist. - Herr Hahn-Cremer hat
sich vorhin schon dazu geäußert.
Ich halte dies persönlich für eine Ohrfeige der bisherigen Kommission, und
wir - ich glaube, da kann ich für meine Kollegin Rafaela Wilde vom Film-
und Fernsehproduzentenverband sprechen - verstehen es einfach nicht, warum
die Wirtschaft, die diese Medien herstellt, die in der Technologie arbeitet,
die Arbeits- und Ausbildungsplätze schafft und nachweislich durch die
Landesregierung immer stark unterstützt worden ist, plötzlich nicht mehr in
einer solchen Kommission, die in diesem Land über die entsprechenden Medien
Entscheidungen fällen soll, vertreten sein soll.
Dr. Edeltraud Klueting (Westfälischer Heimatbund e.V.): Ich
spreche für die drei Heimatbünde in Nordrhein-Westfalen. Wir vertreten als
Dachorganisation der ehrenamtlich betriebenen Heimatpflege mehr als eine halbe
Million Menschen in Nordrhein-Westfalen, die auch Mediennutzer sind. Wir haben
unsere bisherige Mitarbeit - um das in Beantwortung Ihrer Frage zu sagen,
Herr Hegemann - immer so verstanden, dass wir versucht haben, die
gesellschaftliche Pluralität in der Landesanstalt für Rundfunk und in der
Rundfunkkommission abzubilden. Wir haben unsere hauptsächliche Legitimation in
der Sicherung der Programmqualität und der Abbildung der Vielfalt der
Bevölkerung gesehen.
Aufgrund des Trends zur Deregulierung im Gesetzentwurf wird die
gesellschaftliche öffentliche Kontrolle unseres Erachtens nicht weniger
wichtig. Im Gegenteil: Eine gesellschaftliche Kontrolle hat die Maßstäbe
laufend zu konkretisieren und die geforderten Programmstandards auch
tatsächlich zu gewährleisten.
Die Bemühungen des Gesetzentwurfes um eine Gremienreform sind unseres
Erachtens vor diesem Hintergrund auch zu überdenken und in einem breiten
Diskurs, für den man sich auch die notwendige Zeit nehmen sollte in der
parlamentarischen Beratung, gründlich zu erörtern.
Prof. Dr. Erika Bock-Rosenthal (Landesrektorenkonferenz
Nordrhein-Westfalen/ Landesrektorenkonferenz der Fachschulen des Landes NRW): Die
Rektoren der Landesrektorenkonferenz der Universitäten und die der
Fachhochschulen haben mich dringend beauftragt, hier deutlich zu machen, dass
sie ein Zusammenlegen des bisher für beide Verbände vorgesehenen gemeinsamen
Sitzes mit dem Verband der Volkshochschulen und der Arbeitsgemeinschaft der
Landesverbände der Weiterbildung für völlig inadäquat halten.
Christoph Schaefler (Interessenverein gemeinnütziger Rundfunk NRW
e.V.): Der Interessenverein gemeinnütziger Rundfunk vertritt nicht nur
sich selber, sondern alle aktiven Mediennutzer im Lande Nordrhein-Westfalen,
die sich am Lokalradio und Bürgerfunk beteiligen, und zukünftig auch all
diejenigen, die sich in anderen Medien nicht erwerbsmäßig orientiert beteiligen
werden.
Insoweit decken wir von der Nutzerseite her einen Großteil der Gesellschaft
ab und deren Interessen. Man könnte uns unterstellen, wir seien eine
Interessenvertretung, aber dann frage ich mich: Was sind die vom Landtag in die
neue Landesmedienkommission entsandten Vertreter, die den politischen Proporz
höchstwahrscheinlich abbilden? - Sie werden sicherlich auch das, was
intern besprochen wird, dort umzusetzen versuchen; das war bisher so, und es
wird in der Zukunft sicherlich auch nicht anders sein.
Die Bürgermedien stellen einen großen Teil der zukünftigen Aufgabe der
Landesmedienanstalt dar. Sie haben auch in der Vergangenheit schon bei der
Landesanstalt für Rundfunk einen nicht unerheblichen Teil der
Förderungstätigkeit abgebildet.
Ungefähr 33 % - das ist errechnet worden - gibt die
Landesanstalt für Rundfunk in ihrem Haushalt für diesen Bereich aus. Da frage
ich mich, wieso in der Landesanstalt für Medien und deren Gremien dieser
Bereich nicht selbst aktiv rückgekoppelt wird durch ein Gesetz. Das leuchtet
mir nicht ein. Ich will ja nicht sagen, es muss unbedingt der oder der drin
sein. Aber diese Bürgermedien müssen in irgendeiner Weise vertreten sein. Es
macht keinen Sinn zu sagen, man überlässt dies vielleicht den Gewerkschaften
oder den Kirchen, die ja auch einen Großteil der Gesellschaft abdecken. Die
setzen aber immer noch eigene Akzente. Die Vertreter der Bürgermedien werden
ganz sicherlich aus ihrem Erfahrungsspektrum viele wertvolle Erfahrungen
einbringen. Das haben sie in der Vergangenheit auch getan. Viele Satzungen, die
entstanden sind und die in diesem neuen Gesetz ja noch mehr enthalten sind,
sind durch aktive Teilhabe dieser Bürgerfunker zustande gekommen.
Jürgen Mickley (Landesverband Bürgerfunk NRW e.V.): Frau
Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Ich würde ganz gern auch noch einmal aus
der Perspektive meiner dreijährigen Mitgliedschaft in der Rundfunkkommission
das ganz kurz reflektieren.
Ich denke, es hat Sinn gehabt, Mitglied der Rundfunkkommission zu sein. Der
Sinn bestand manchmal darin, Information und Aufklärung betreiben zu müssen
über das, was Bürgermedien sind und tagtäglich leisten. Der Sinn bestand
manchmal darin, Transmissionsriemen sein zu müssen zwischen der Landesanstalt
für Rundfunk, der Rundfunkkommission, dem Direktor der Landesanstalt für
Rundfunk und den Bürgermedien. Das ist auch nicht zu unterschätzen. Darüber
hinaus hat es sich an der einen oder anderen Stelle auch als sehr positiv
herausgestellt, Anregungen aus der Praxis für bestimmte Fördermaßnahmen oder
Projekte geben zu können.
Da ich aus dem Bereich der Politik komme, möchte ich auch gern darauf
hinweisen, dass solche Gremien doch Funktionen haben, nicht zuletzt die
Funktion, gesellschaftliche Kontrolle wahrzunehmen. Das Kontrollgremium so
herunterzufahren und zu reduzieren, heißt auch die Reduzierung gesellschaftlicher
Kontrolle.
Berthold Holzgreve (Sozialverband VdK Landesverband
Nordrhein-Westfalen): Herr Hegemann hat gefragt, sind Sie sich in der
Kommission überflüssig vorgekommen. Ich kann wie Frau Kaiser antworten, nein,
durchaus nicht. Ich denke, wir haben eine Menge Vernünftiges, Verbindendes und
Verbindliches in den Jahren zuvor auf die Beine gestellt.
Aber es macht mich doch betroffen, dass die Sozialverbände, VdK
Sozialverband Deutschland und die mit uns organisierten Selbsthilfeverbände der
Behinderten jetzt überflüssig sein sollen. Das macht mich in der Tat betroffen.
Ich habe das auch verschiedentlich zum Ausdruck bringen dürfen. Das verletzt
mich auch persönlich. Es ist vollkommen unverständlich, dass die
bürgerschaftliche Selbsthilfe und die Behindertenselbsthilfe an der
Mediengestaltung zukünftig nicht mehr beteiligt sein sollen.
Ich habe das Manuskript des Ministers für Arbeit vor mir. Es handelt sich um
eine Rede, die er im vergangenen Jahr bei einer Delegiertenversammlung gehalten
hat. Da sagte er noch: Die Medien sind auf dem Weg in eine Wissensgesellschaft.
Er nannte: Kommunikationstechnologien, die Verlagerung von Informationen ins
Netz, die Veränderung des bestehenden Medienmixes, Verlagerung von
Dienstleistungen ins Netz, Verlagerung von Business ins Netz, Verlagerung von
Arbeitsprozessen ins Netz usw.
Und er fragte dann: Was nützen all die technologischen Entwicklungen, wenn
von ihrem Nutzen ganze Gruppen der Bevölkerung ausgegrenzt werden? Was haben
wir davon, dass das menschliche Wissen immer rasanter wächst, wenn nicht der
Zugang zu diesem Wissen für alle sichergestellt wird? Wir wissen: Je höher
technische Güter entwickelt sind, umso illiberaler sind sie und umso
schwieriger sind die Zugänge für die Bevölkerung.
Er sagt auch: Neue Medien nutzen nichts, wenn sie nicht barrierefrei
zugänglich sind. Die Anbieter müssen dazu verpflichtet werden, die Bedarfe
Blinder und Sehbehinderter sicherzustellen. Wenn hierfür Gesetze zu ändern
sind, bin ich gern bereit, mich dafür einzusetzen.
Harald Schartau hat das getan und war einer der Fürsprecher bei der
Konzeption über den Bundesrat für das Gleichstellungsgesetz, das wir seit dem
1. Mai in Geltung haben. Nordrhein-Westfalen hat den Widerstand der Länder
gegen das Verbandsklagerecht gebrochen, sodass das Verbandsklagerecht auch im
Gleichstellungsgesetz ist. Dieses hohe Haus arbeitet am
Landesgleichstellungsgesetz, das das Bundesgleichstellungsgesetz fortführt und
ergänzt und vor allen Dingen umsetzen will, also Behinderte in die Gesellschaft
integrieren, die bürgerschaftliche Behindertenhilfe und die bürgerschaftliche
Selbsthilfe fördern will.
Wolfgang Hahn-Cremer war so freundlich, unseren Verband zu erwähnen als
Beispiel für die vielen anderen, die hier zu Wort gekommen sind. Nur der Bedeutung
wegen darf ich die Zahlen korrigieren. Wir sind insgesamt 285.000 zahlende
Mitglieder, 1,6 Millionen bundesweit. Und wir haben in Nordrhein-Westfalen
- das wissen Sie mindestens so gut wie ich - 2,1 Millionen
anerkannte - das ist ein unschöner Ausdruck, aber es heißt nun einmal
so - Behinderte, darunter 1,9 Millionen Schwerbehinderte.
Das ist also eine ganz große Bevölkerungsgruppe, die sich aus der
Medienmitwirkung ausgeschlossen fühlen würde. Ich kann mir das nicht denken und
meine eigentlich, ich sollte dieses hohe Haus, obwohl es bestimmt keine
Belehrung nötig hat, vor dem Sachverhalt der Diskriminierung warnen, wenn Sie
ausgerechnet unter der Ägide der Gleichstellungsgesetze, Sozialgesetzbuch 9,
der neuen Behindertenpolitik, aber auch der bürgerschaftlichen Selbsthilfe, der
Bürgergesellschaft, die auch ein politisches Anliegen der Landespolitik und der
Landesgesetzgebung ist, diese Gruppe ausschließen würden.
Ich darf noch aufgreifen, was Frau Prof. Dr. Bock-Rosenthal gesagt hat. Die
Landesrundfunkkommission war immer auch ein landespolitisches Abbild und
demokratisches Forum der Meinungsbildung und eines verständigen
Erfahrungsaustausches. Die Kommission hat - wie ich meine - über den
ihr zugewiesenen Auftrag hinaus gesellschaftsverbindend und -stabilisierend
gewirkt.
Und das bringt mich dazu, mich den Rednern anzuschließen, die gesagt haben:
Beschädigt die Medienkommission nicht. Ihr tut es ja anderswo auch nicht. Das
ist nicht nur ein Fach- und Sachgremium. Das ist auch eine dauernde landespolitische
Konferenz.
Ich persönlich kann sagen, dass ich aus meiner Zeit viele Erfahrungen
mitgenommen habe auch für meine Arbeit. Ich hoffe, dass ich in Gesprächen, die
in den Pausen oder neben den Sachberatungen liefen, auch etwas von den Inhalten
erzählen konnte, die unsere Verbände im Sozialrecht, in der Sozialpolitik, in
der Behindertenhilfe, in der Beratung usw. bewegen.
Ich sehe auch das Problem der Rechtsgleichheit angesprochen, wenn
beispielsweise verfasste Körperschaften gleichsam aus einer Monopolstellung
heraus berücksichtigt werden, die gesellschaftsrelevanten Gruppen aber hier im
Zwang sind, sich unter dem Verdacht, sich selbst darstellen zu wollen oder als
Bittsteller auftreten zu wollen, zu bemühen.
Ich habe mir von Prälat Vogt von vornherein bei diesem Beispiel die
Absolution geben lassen. Wir haben nur einen lieben Gott. Aber wir haben drei
Kirchensitze. Es sei mir verziehen. Wir gesellschaftlichen Gruppen haben hier
auf Erden - noch nicht im Himmel - ein sehr bestimmtes Anliegen, die
Gesellschaft zusammenzuhalten und gerade jetzt unter den neuen
Herausforderungen und auch unter dem Spardruck, der unser Land erfasst hat,
unsere Bürger zu schützen und zu begleiten, damit wir den gesellschaftlichen
Frieden erhalten können.
Harry Boeseke (Verband deutscher Schriftsteller): Wir
sitzen zusammen in der Jugendschutzkommission. Und wie wichtig gerade diese
Arbeit ist, will ich in ganz kurzer Form sagen. Wir haben z. B. eine
Fernsehsendung bei VOX, die darauf ausgerichtet ist, Leute tot zu boxen, herausgekriegt.
Wir haben sie mit unserer Initiative in den Bundestagsausschuss bekommen. Wir
schaffen es auch, in unserem Jugendschutzausschuss bestimmte Stellungnahmen
abzugeben, wenn Verstöße stattfinden. Wir gehen damit ganz offensiv um und
lassen nicht nur das gelten, was vom Gesetz her möglich ist.
Eine weitere Sache haben Sie auch in der Unterlage gesehen. Wir hätten
beinahe einen türkisch-faschistischen Sender lizenziert. Es ist mir mit meinem
türkischen Nachbarn gelungen, das gerade noch abzuwenden.
Das sind nur kleine Beispiele aus 15 Jahren Kommissionsarbeit. Ich kann
nicht mit Quantität argumentieren. Denn wir Schriftsteller sind mit Sicherheit
die kleinste Gruppe. Dennoch hat uns der Gesetzgeber bei der Schaffung des
damaligen Landesrundfunkgesetzes mit einem Sitz betraut und unserem Verband
auch die Stellvertretung gegeben, weil eben Sachkompetenz gegeben war und weil
Clement dieses Medienland haben wollte.
Clement hat auch gesagt: Die Autoren und Filmschaffenden müssen in unser
Land kommen. Es ist gelungen. Wir sind hier. Wir sind die stärkste Gruppe. Wir
sind als Verband deutscher Schriftsteller in der Bundesrepublik Deutschland der
allergrößte Verband. Das hängt mit den Medien zusammen. Das hängt mit den
Arbeitsmöglichkeiten zusammen. In dem Moment ist es wirklich wie ein
Treppenwitz, dass im Medienland Nordrhein-Westfalen wir als erstes herausfallen
sollen. Das ist unverständlich. Das kann, glaube ich, keiner nachvollziehen,
der dieses Gesetz ernst nimmt.
Franz-Josef Schumacher (Arbeitsgemeinschaft der kommunalen
Spitzenverbände NRW): Wir haben zu der Frage Stellung genommen, warum
wir meinen, dass wir weiterhin in der neuen Medienkommission vertreten sein
müssten. Ich möchte Ihnen ersparen, das hier im Einzelnen noch einmal
vorzutragen. Dennoch möchte ich aber doch noch einmal auf allgemeine Aspekte
eingehen, nach welchen Kriterien denn eine solche Kommission zusammengesetzt
sein sollte.
Ich glaube, es ist unstreitig, dass die Zahl 45 sich nicht zwingend ergibt,
wenn man dem Gesichtspunkt der Staatsferne und der Pluralität der
Zusammensetzung des Gremiums Rechnung trägt. Aber wenn man schon verkleinern
will, dann sollte man doch halbwegs transparente Kriterien finden, damit es
denjenigen, die dann ausgeschlossen werden, etwas leichter wird,
nachzuvollziehen, warum sie ausgeschlossen werden.
Ich möchte ein Kriterium nennen. Das halte ich für ganz wichtig. Sie werden
Probleme mit der Akzeptanz bekommen, wenn Sie die Verkleinerung der Kommission
dazu nutzen, das Gewicht der Landtagsvertreter zu verstärken. Das ist im Moment
der Fall.
Ich will jetzt nicht die Diskussion anfangen und insofern Herrn Grüll
folgen, ob überhaupt Landtagsvertreter hineingehören. Aber wenn Sie verkleinern
und die gesellschaftlichen Gruppen reduzieren und gleichzeitig relativ das
Gewicht des Landtags verstärken, werden Sie immer Akzeptanzprobleme haben.
Sie werden auch Akzeptanzprobleme bekommen, wenn Sie nicht den Blick auf das
vergleichbare Gremium des WDR richten. Das heißt, wenn es beim WDR zweckmäßig
ist, ein solches großes Kontrollgremium einzurichten und auch beizubehalten,
müssen Sie Gründe nennen, warum das bei der LfR anders sein soll, auch unter
dem Gesichtspunkt der Effektivität und Effizienz. Und wenn Sie es nicht können oder
politisch nicht wollen, lassen Sie bitte die Finger von der Verkleinerung.
Nächster Punkt: Herr Grüll hat es schon gerade angesprochen. Ich will jetzt
nicht damit anfangen, wie viele Menschen die kommunalen Spitzenverbände
letztlich vertreten. Da kann ich sicherlich auch am Schluss bis auf die
Kommunalwähler heruntergehen. Aber ein Gesichtspunkt ist auch wichtig, wenn Sie
unter mehreren Organisationen auswählen können, nämlich die Frage, inwieweit
Sie stärker oder weniger Allgemeinwohlinteressen bei Ihrer Verbandsarbeit
verpflichtet sind. Denn - Herr Grüll hat es gerade angedeutet mit dem
Stichwort Befangenheit - Ziel ist es ja, dass aus der Perspektive dieser
Verbände Allgemeinwohlinteressen beurteilt und wahrgenommen werden können. Es
liegt der Schluss nahe, dass dies eher Verbände können, die auch in ihrer
klassischen Verbandsarbeit eher dieses Blickfeld haben. Das ist ein
Gesichtspunkt. Dann verbinden das politische Gewicht der Verbände und die
Wichtigkeit der Aufgabe. Das kann mit der Quantität der Mitglieder kollidieren.
Solche Kriterien müssen Sie benennen. Sie werden dann immer noch große
Entscheidungsspielräume haben. Diejenigen, die dann noch ausgeschlossen werden,
werden dann immer noch unzufrieden sein, dass sie ausgeschlossen werden. Aber
Sie werden es zumindest etwas nachvollziehbar machen. Meine Bitte ist, dies zu
tun. Wenn Sie diese Kriterien anwenden, können Sie die kommunalen
Spitzenverbände nicht umgehen. Davon bin ich fest überzeugt.
Dr. Udo Becker (Verband der Betriebsgesellschaften in
Nordrhein-Westfalen e. V./Verband Rheinisch-Westfälischer Zeitungsverleger
e.V.): Frau Vorsitzende, ich will mich gern kurz fassen. Das liegt bei
diesem Thema in der Natur der Sache. Allerdings habe ich heute Morgen zu
anderen Sachverhalten geredet. Deshalb bitte ich darum, nicht von vornherein
begrenzt zu werden.
§ 93 war kein Schwerpunkt unserer Stellungnahmen. Das ergibt sich von
alleine. Wir haben in unserer schriftlichen Stellungnahme nicht darauf Bezug
genommen. Dies geschah bewusst und mit Bedacht. Ich will aber nicht nach dem
Grundsatz "Schweigen gilt als Zustimmung" den Anschein erwecken, dass
wir uns nicht auch in die Reihen der Kritiker dieser Regelung stellen wollen.
Als Zeitungsverlegerverband Nordrhein-Westfalen und als Verband des privaten
Hörfunks in Nordrhein-Westfalen haben wir uns in den letzten zwölf Jahren stets
sachgemäß an der Arbeit der Kommission beteiligt. Wir haben stets im Auge
behalten, das gebotene Maß an Zurückhaltung zu wahren, wenn es um unsere
eigenen Interessen als relativ rundfunknaher Verband geht. Das gilt ebenso wie
für die Bürgerfunker oder andere Gruppierungen in der Rundfunkkommission. Ohne
in Eigenlob verfallen zu wollen, gebe ich zu bedenken, dass eine gewisse
Sachkompetenz bei mediennahen Verbänden durchaus zu unterstellen ist. Diese
wird fraglos verloren gehen.
Verbände wie die unsrigen haben in den letzten Jahren aufgrund ihrer
singulären Stellung keinerlei Einfluss auf Entscheidungen in der
Rundfunkkommission gehabt. Das habe ich selbst reichlich erfahren dürfen. Man
könnte wie in anderen Bundesländern gut damit leben, wenn mediennahe
Institutionen weiter der Rundfunkkommission angehören. Sie bereichern mit ihrer
Kompetenz in der Sache den Dialog, haben aber auf die eigentliche Mehrheits-
und Entscheidungsfindung keinen Einfluss. Wir werden auch mit Interesse die
Diskussion um die Neugestaltung des Rundfunkrats des WDR betrachten.
Frank Böhnke (Verband Lokaler Rundfunk in NRW e. V.):
Ich darf nahtlos an das anschließen, was Herr Dr. Becker gesagt hat. Ich bin
auch einer diesen bösen Interessenvertreter. Ich würde gern einmal einen Blick
auf die praktische Konsequenz werfen, die diese Entscheidung hätte, wenn Sie
die Rundfunkkommission verkleinerten. Es würden auch bestimmte Ausschüsse
wegfallen, z. B. der Ausschuss für Lokalen Rundfunk. Das ist das Gremium,
das in den letzten zwölf Jahren mit dafür gesorgt hat, dass der lokale Hörfunk,
der angeblich so kompliziert ist, weitgehend ohne Rechtsstreitigkeiten
ausgekommen ist.
Wir haben im Moment praktische Probleme. Die Einspeisung in die neuen
Kabelnetze hat Auswirkungen auf die Nutzer, auf die Veranstalter und auf die
Betreiber. Es hat technische Probleme zur Folge. Dieser Ausschuss war ein
ideales Gremium, um das Problem zu definieren, zu diskutieren und irgendwann
auch zu lösen. Bis auf mich selbst sind alle davon Betroffenen in diesem
Gremium. Es fällt eine Arbeitsebene, eine Dialogebene weg. Dann haben Sie einen
verkürzten Effizienzbegriff. Wenn Sie einfach nur entscheiden wollen, benötigen
Sie gar keine Rundfunkkommission. Wenn Sie aber eine gesellschaftliche
Beteiligung möchten, wenn Sie Problemlösungen möchten, die sachgerecht und
kompetent sind, und die hinterher von den Beteiligten und Betroffenen
verhältnismäßig schnell umgesetzt werden, dann ist ein solches Gremium ideal.
Darin lag die Qualität der vergangenen Rundfunkkommission und ihrer Ausschüsse.
Es waren mehr oder weniger alle an einem Tisch. Man hat die Vielfältigkeit der
Probleme auch mit den Vielfältigkeiten der Interessen abgleichen können und ist
dann zu kompetenten Lösungen gekommen. Das ist ein erweiterter
Effizienzbegriff, der zu tragenden Lösungen führt.
Deshalb kann ich mich in vielen Punkten dem anschließen, was Vorredner
gesagt haben. Es geht nicht um die Reduktion einer bestimmten Mitgliederzahl,
sondern es geht um die Qualität von Entscheidungen. Dazu hat die
Vielgestaltigkeit der Mitglieder - nicht nur deren Zahl, sondern auch die
unterschiedliche Herkunft - einen entscheidenden Beitrag geleistet. Die
Ausschüsse der Kommission sind heute nur wenig angesprochen worden. Der
Forschungsausschuss ist einmal angesprochen worden. Die Ausschüsse haben als
Arbeitsebene von dieser Arbeit profitiert. Es ist klar, warum es keine
Kriterien dafür gibt, dass diese Kommission verkleinert werden muss. Die Arbeit
der Kommission gibt diese Kriterien nicht her.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Gibt es noch Fragen
vonseiten der Damen und Herren Abgeordneten? - Das ist nicht der Fall. Ich
möchte jetzt den Block 2- Landesanstalt für Medien - verlassen, danke Ihnen
für die rege Beteiligung und rufe auf den Block 3
Medienkompetenz/Mediennutzerschutz, Lokaler Hörfunk, Bürgermedien
Er betrifft die Abschnitte IV, VII und VIII des Gesetzentwurfs.
Ich darf zunächst die Abgeordneten um Wortmeldungen bitten. - Als erster
Redner hat Herr Keymis das Wort.
Oliver Keymis (GRÜNE): Frau Vorsitzende, meine Damen und
Herren! Der Bürgerfunk ist ebenso wie die eben besprochene
Landesmedienkommission ein wichtiges Thema für die Grünen. Wir haben dazu
ebenso Stellung bezogen wie zum Bürgerfunk. Die beiden Fragen, die ich stellen
möchte, richten sich an die Vertreterinnen des Bürgerfunks in
Nordrhein-Westfalen.
Im neuen Gesetzentwurf gibt es eine Regelung bezüglich der Sendezeiten und
der Sendemengen. Für wie praktikabel halten Sie es aus der Sicht der
Praktikerin? Aus meiner bewertenden Sicht spielen Sie eine Rolle bei dem Thema
der Medienkompetenz der Bürger. Sehen Sie es selbst auch so? Wenn Ja, woran
machen Sie es fest? Welche Chancen sehen Sie in dem Gesetz? Die Frage zur Bürgermedienkompetenz
möchte ich auch an Herrn Dr. Gehrke vom Europäischen Zentrum für
Medienkompetenz richten. Wie viele von uns beschäftigt mich dieses Thema sehr
intensiv. Das ist nicht erst seit dem Stichwort Erfurt der Fall. Ich möchte
gern von Ihnen wissen, ob Sie in dem vorgelegten Gesetzentwurf das Thema
Medienkompetenz schon in der Form berücksichtigt sehen, oder welche Vorschläge
aus Ihrer Sicht zu machen sind, um Verbesserungen aufzunehmen. Mir scheint es
so, als ob noch Möglichkeiten bestünden.
Rainer Schmeltzer (SPD): Natürlich spielen die Bürgermedien
eine wesentliche Rolle in diesem Gesetz. Das ist auch gut so. Im Rahmen der
Medienkompetenz sollen auch die Bürgermedien insgesamt gestärkt werden.
In vielen Stellungnahmen habe ich immer wieder das Thema der
Produktionshilfen in Verbindung mit den Radiowerkstätten gefunden. Für mich
stellt sich folgende Frage - ich sage es ein bisschen flapsig -: Im
alten Gesetz hatten wir eine Formulierung, die durch die Satzungsregelung der
LfR dahin gehend ergänzt wurde, dass auch die Förderung weitgehend geregelt
wurde. Ist es nach Meinung der LfR und auch nach Meinung der Bürgerfunker
richtiger, eine Formulierung in dieses Gesetz einzuarbeiten, die analog zu der
Praxis ist, die derzeit satzungsgemäß bei der LfR gehandelt wird?
Die zweite Frage bezieht sich auf die Zusammensetzung der
Veranstaltergemeinschaft. Ich bin in der Stellungnahme der Gewerkschaft Ver.di
auf einen interessanten Passus gestoßen, der die Befristung der
Mitgliederversammlung anspricht. Sie haben sich sehr deutlich über die
"schwammige Bestimmung" mit der Kann-Regelung über 5 Jahre
ausgelassen, wie sie im alten und im neuen Gesetz formuliert ist. Auch die
Rechte der Abberufung sind sehr eingeschränkt.
Verstehe ich Sie richtig, dass die Mitgliedschaft in der VG definitiv auf
eine Frist von beispielsweise sechs Jahre beschränkt werden soll, wie Sie es
vorschlagen? Soll die Abberufung detailliert angesprochen und somit keine
Mitgliedschaft faktisch auf Lebenszeit gefordert bzw. festgeschrieben werden,
wie es bei einigen Veranstaltergemeinschaften derzeit der Fall ist?
Lothar Hegemann (CDU): Ich habe eine Frage an das
Katholische Büro und an die LfR, Herrn Dr. Brautmeier. Halten Sie es für
nötig, dass in diesem Gesetz auch noch das Zwei-Säulen-Modell optimiert und
angepasst, meinetwegen auch gestrichen werden muss? Gibt es von Ihrer Seite
eine Meinung dazu, die über das hinausgeht, was Sie schriftlich geäußert haben?
Ich habe eine weitere Frage an Professor Dr. Kopper und Herrn
Rath-Glawatz. Wie können Sie sich das Qualitätskennzeichen vorstellen, das in
§ 41 angesprochen worden ist? Was soll vergeben werden? Ein grüner oder
roter Engel? Haben Sie eine Meinung dazu?
Dr. Frank Freimuth (SPD): Wir beabsichtigen mit dem
Gesetzentwurf, den Stellenwert der Medienkompetenz erheblich zu stärken. Meine
Frage richtet sich an das Europäische Zentrum für Medienkompetenz und an die
Landesanstalt für Rundfunk: Wie bewerten Sie den Stellenwert der
Medienkompetenz im Gesetzentwurf?
Als Anschluss an die Frage von Herrn Hegemann, wie die Qualitätskennzeichen
nach § 41 zur Förderung der Belange der Mediennutzer vergeben werden: Wie
können diese Qualitätssiegel aussehen? Dazu möchte ich gerne auch noch die
Verbraucherzentrale hören.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Weitere Wortmeldungen aus
den Reihen der Abgeordneten liegen nicht vor. - Zunächst ist die
Landesanstalt für Rundfunk angesprochen. Bitte schön, Herr Hahn-Cremer.
Wolfgang Hahn-Cremer (Landesanstalt für Rundfunk
Nordrhein-Westfalen): Ich werde zu der Frage der Produktionshilfen und
dem Zwei-Säulen-Modell etwas sagen. Zu dem Fragenkomplex der Medienkompetenz
wird Herr Dr. Brautmeier antworten.
Die Antwort auf die von Herrn Dr. Schmeltzer angesprochene Frage zur Produktionshilfe
kann ich sehr kurz machen: Ja. Wir würden es begrüßen, wenn die gegenwärtige
Regelung mit der Satzungskompetenz wieder aufgenommen würde. Wir halten die
gegenwärtige Praxis für sehr hilfreich und wären Ihnen sehr dankbar, wenn es
wieder so verankert werden könnte.
Herr Hegemann, ich komme zum Zwei-Säulen-Modell: Aus unserer Stellungnahme
ist deutlich geworden, wir halten es für ein Modell, das augenscheinlich
momentan funktioniert. Es funktioniert allen Unkenrufen im Wettbewerb der
anderen Bundesländer zum Trotz. Wenn Sie unsere Stellungnahme aufmerksam
gelesen haben, werden Sie festgestellt haben, dass wir uns bis auf einige
wenige Anmerkungen mit dem einverstanden erklären können, was im Gesetzentwurf
formuliert worden ist. Das einzige, was wir anzumerken hätten, ist, dass nun
eine riesengroße Synopse zu machen ist. Das wird nun allen passieren. Man hat
den Text nicht wesentlich geändert, ihn aber immer an andere Stellen
geschrieben. Das große Suchen beginnt. Das ist ein Punkt, der nicht so gelungen
ist. Alles andere ist in Ordnung. Bis auf kleine Verweisungen, die nicht
stimmen, haben wir an dieser Stelle nichts zu kritisieren.
Dr. Jürgen Brautmeier (Landesanstalt für Rundfunk
Nordrhein-Westfalen): Die Frage nach dem Stellenwert der Medienkompetenz
in diesem Gesetz ist noch offen. Wir begrüßen es außerordentlich, dass die
Medienkompetenz in diesem Gesetzentwurf einen noch größeren Stellenwert bekommt
als bisher. Sie hat bei uns immer schon eine große Rolle gespielt. In diesem
Gesetz ist sie Ausdruck des Funktionswandels, den die Medienanstalten generell
durchleben. Es ist nicht mehr so sehr die Zulassung und Überwachung, sondern
mehr der Aspekt der Förderung, der Pflege dessen, was für sinnvoll und
unterstützenswert angesehen wird. Deshalb begrüßen wir es ausdrücklich.
Wir machen ein Fragezeichen, was die Kopplung unserer Ausgaben - die
25-%-Regelung - angeht. Das wird wahrscheinlich später noch einmal
thematisiert. Es ist auch in unserer Stellungnahme deutlich zum Ausdruck
gekommen, dass wir eine solche Festschreibung erstens immer schon infrage
gestellt haben und zweitens noch Unklarheiten in der Begründung des
Gesetzentwurfs sehen, was aus diesen 25 % alles finanziert werden kann.
Darauf werden wir aber sicherlich später noch einmal zurückkommen.
Dr. Gernot Gehrke (Europäisches Zentrum für Medienkompetenz GmbH):
Aus dem Rundfunkgesetz ist zu Recht ein Mediengesetz geworden. Das trägt der
veränderten Bedeutung der verschiedenen Medien Rechnung. Insofern ist
Medienkompetenz auch als Kulturtechnik zu verstehen - da sage ich Ihnen
auch nichts Neues - und so wichtig wie Lesen, Schreiben und Rechnen.
Medienkompetenz fördern heißt aus unserer Sicht aber, dass man Antworten
darauf gibt, wie sich das Leben, Arbeiten und Lernen in der Informationsgesellschaft
vollziehen soll. Da finde ich es wichtig, Leitbilder und Ziele zu formulieren,
wie so etwas vonstatten gehen könnte. Insofern hätte ich mir bei § 2, in
dem die Grundsätze formuliert sind, ein bisschen mehr Mut gewünscht. Da heißt
es: Die Medienkompetenz der Nutzerinnen und Nutzer soll im Umgang mit
herkömmlichen und neuen Medien gefördert werden.
Nach meinem Eindruck geht es nicht nur um die Kompetenz der Nutzerinnen und
Nutzer; wenn wir Zugang zu den neuen Medien und chancengleiche Teilhabe als ein
wichtiges Leitbild begreifen, geht es gerade darum, jene zu aktivieren oder mit
einzuschließen, die bisher noch keinen Zugang zu den neuen Medien und ihren
Anwendungspotenzialen haben. Insofern könnte ich mir vorstellen, dass man den
Begriff Medienkompetenz breiter fasst und breiter formuliert und dass man auch
das Schaffen der Voraussetzungen, Zugang zu den Anwendungspotenzialen zu den
neuen Medien zu haben, in den Gesetzentwurf integriert.
Sie haben mich nach der Rolle der Bürgermedien in diesem Zusammenhang
gefragt. Die Bürgermedien spielen bei der Vermittlung von und bei der Förderung
von Medienkompetenz eine wichtige Rolle. Es ist aber auch jedem klar, dass sich
viele andere Institutionen und Organisationen im Medienland Nordrhein-Westfalen
auch an dieser Aufgabe beteiligen und da gute Ergebnisse erzielen. Wir führen
das Projekt mekonet, Medienkompetenz-Netzwerk Nordrhein-Westfalen durch. Wenn
Sie da allein auf die Mitglieder schauen - es sind inzwischen über
hundert -, bekommen Sie einen Eindruck davon, wie viele in diesem
Zusammenhang tätig sind. Insofern spielen die Bürgermedien eine wichtige Rolle.
Sie tun es aber neben anderen, die auch bei der Förderung von Medienkompetenz
eine wichtige Rolle spielen.
Zur Frage, wo es noch Verbesserungsbedarf gibt: Ich habe mit Interesse den
§ 41 - Qualitätskennzeichen - gelesen. Ich könnte mir vorstellen,
dass man ein solches Qualitätskennzeichen dahin gehend interpretiert, dass man
eben nicht nur die Angebote von Fernsehsendungen, Radioprogrammen oder Websites
mit einem Siegel versieht, sondern dass man beim Qualitätskennzeichen auch
danach fragt, inwiefern denn Rahmenbedingungen existieren, um chancengleichen
und diskriminierungsfreien Zugang zu den einzelnen Anwendungspotenzialen der
neuen Medien in NRW tatsächlich sicherzustellen, und dass man über dieses
Qualitätskennzeichen die Ergebnisse regelmäßig abfragt, kontrolliert und
vielleicht auch wieder zur Diskussion stellt.
Dr. Bettina Lendzian (Landesverband Bürgerfunk NRW e.V.):
Zunächst möchte ich festhalten, dass der Bürgerfunk, den wir in
Nordrhein-Westfalen seit Bestehen des Lokalfunks haben, gut ankommt und auch
genutzt wird, und zwar täglich von Tausenden von Bürgerinnen und Bürgern
Nordrhein-Westfalens. Sie machen mehr als 76 Stunden nicht kommerzielles
Radioprogramm. Das ist eine ganze Menge. Diese Stunden sind nicht mit
Programmstunden eines Lokalradios zu vergleichen, sondern diese Radiostunden
sind zum Teil in tagelanger ehrenamtlicher Arbeit von unterschiedlichen
Bürgerfunkgruppen vorbereitet worden. Die Menschen - ich arbeite auch in
einer Radiowerkstatt mit - machen das mit so viel Engagement, dass einem
manchmal schwindelig werden kann. Sie lernen dabei eine ganze Menge, und zwar
lernen sie mehr, als nur eine Radiosendung zu produzieren.
Deshalb darf die Bürgerfunk-Sendezeit durch dieses neue Gesetz keinesfalls
beschnitten werden - im Gegenteil: In vielen Verbreitungsgebieten besteht
durchaus Nachfrage nach mehr, nach weiteren Sendeplätzen. Die
50-Minuten-Mindestsendezeit-Regelung, die im Entwurf des neuen Gesetzes steht,
würde in manchen Gebieten die Bürgerfunksendezeit sogar halbieren. Das wäre für
die Macher, die sich engagieren, eine Katastrophe. Es ist absolut nicht
adäquat. Der Bürgerfunk sollte keinesfalls unter das jetzige Maß an Sendezeit
zurückgefahren werden. Und warum auch? Es funktioniert doch: Der LBF fordert
deshalb: Die Sendezeit des Bürgerfunks muss erhalten bleiben.
Genauso wichtig wie es ist, dass es einen Platz gibt, an dem die Bürger ihre
nicht kommerziellen Sendungen machen können, ist es auch, dafür zu sorgen, dass
diese nicht kommerziellen Sendungen gehört werden können und dass dieser
Sendeplatz nicht zwischen 2.00 Uhr und 4.00 Uhr morgens liegt. Das
ist jetzt vielleicht ein bisschen übertrieben. Im Wesentlichen geht es in der
Diskussion hier im Lande um die Sendezeit, die im Moment in den meisten
Gebieten um 18.00 Uhr beginnt, um eine Verschiebung auf 19.00 Uhr,
20.00 Uhr. Der Beginn des Bürgerfunks um 18.00 Uhr oder um
20.00 Uhr macht schon einen großen Unterschied.
Wenn wir uns zurückerinnern, war diese 18.00-Uhr-Sendezeit schon ein
Kompromiss zwischen den Bürgerfunkern, die durchaus Verständnis geäußert haben,
die gesagt haben, sie würden gerne ihre Sendung auch einmal in der prime time
senden, in der man richtig viele Leute erreichen kann, aber sie wüssten um die
kommerziellen Interessen der Sender. Weil es viele Zielgruppensendungen im
Bürgerfunk gebe, sei 18.00 Uhr ein angemessener Kompromiss. Es hätte
keinem Lokalradio geschadet, die massentauglicheren Bürgerfunksendungen
morgens, vormittags oder nachmittags zu senden. Die Bürgerfunker haben sich
damals auf diesen Kompromiss eingelassen und sind dabei fast ans Ende des noch
Erträglichen mit einer abendlichen Sendezeit für den Bürgerfunk gegangen. Wenn
die jetzt noch weiter nach hinten geschoben wird, wird das letzte Engagement
und das letzte bisschen Öffentlichkeit, das man als engagierte Bürgergruppe in
Nordrhein-Westfalen noch erreichen kann, zerstört.
Es gibt eben Versuche, den nicht kommerziellen Sendeanteil immer weiter nach
hinten zu schieben. Das sollte auch in diesem Gesetz verhindert werden. Es
sollte dem Bürgerfunk garantiert werden, dass er spätestens ab 18.00 Uhr
laufen kann. Vor Ort kann man sich immer anders einigen. Es kann frühere und
spätere Zeiten geben, wenn alle einverstanden sind.
Wie immer, wenn es um Bürgerfunk geht, gilt etwas ganz Besonderes, nämlich
die Tatsache: Was nicht im Gesetz abgesichert ist, hat keine Chance, dass es
auch eingehalten wird. Wenn bei der Sendezeit steht "mindestens 50 Minuten",
dann wird es irgendwann 50 Minuten geben und nicht freiwillig mehr. Bei
der Sendezeit "im Laufe des Tages" ist es so: Wenn da steht
"spätestens ab 20.00 Uhr ", dann wird die Sendung um 20.00 Uhr
laufen. Das heißt, der Bürgerfunk ist in gewisser Weise darauf angewiesen
- das ist mein Appell -, dass diese Sache gesetzlich abgesichert
wird. Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass manchmal sogar Tatsachen,
die im Gesetz stehen, nicht eingehalten werden. Der Bürgerfunk musste in einem
Fall sein Recht auf Sendezeit auf dem Rechtswege einklagen. Nur mittels einer
Klage war die Einhaltung dieses Gesetzes erreichbar. Es ging aber, weil das
Gesetz gewisse Vorschriften gemacht hat, die wir nur einfordern
mussten. In vielen Fällen ist es sinnvoll zu deregulieren, auf die Kräfte
des Marktes zu vertrauen, aber im nicht kommerziellen Bürgerfunkbereich ist es
das nicht. Der Bürgerfunk, wenn man ihn denn haben will, braucht eine
Absicherung.
Das Gleiche gilt auch für die Verbreitungswege. Der Bürgerfunk muss
integraler Bestandteil des Lokalfunks bleiben. Das ist nicht nur so, weil das
Bundesverfassungsgericht dies auch als Vielfaltsreserve so vorgesehen hat,
sondern weil nur so die Bürgerinnen und Bürger, die sich engagieren, auch die
lokale Öffentlichkeit wirklich erreichen können. Wenn der Bürgerfunk in
reichweitenschwache Sendezeiten oder auf weniger populäre Verbreitungswege
abgeschoben wird, dann zerstört das den Bürgerfunk. Deshalb muss das Gesetz
auch dafür sorgen, dass der Bürgerfunk ein integraler Bestandteil des
Lokalfunks bleibt.
Es gibt noch einen dritten Fall von Deregulierung, bei dem es besser wäre,
wenn wieder reguliert würde. Das ist das Programmschema der
Veranstaltergemeinschaften als Bestandteil der Lizenz. Es müsste nur ein Wort
wieder eingefügt werden, nämlich das Wort "Programmschema". Das
Gesetz würde deshalb auch nicht viel länger, wenn man das wieder macht. Aber
Änderungen im Programmschema müssen korrigierbar sein, müssen von der
Aufsichtsbehörde korrigiert werden können. Sonst wäre es auch zum Beispiel
möglich, dass der Bürgerfunk im Programmschema abgeschoben wird, und die
Aufsichtsbehörde kann dagegen nichts mehr unternehmen.
Was die Frage nach der Medienkompetenz angeht, so ist der Bürgerfunk in
Nordrhein-Westfalen, so wie er gewachsen ist, schon längst ein
Medienkompetenz-Netzwerk. Das heißt, wir haben schon längst durch den
Bürgerfunk ein Medienkompetenz-Netzwerk. Denn Bürgerfunk heißt schon lange
nicht mehr, einfach nur zuzusehen, dass es Technik gibt, die gut funktioniert,
und dass es Leute gibt, die Gruppen erklären, welche Regler sie schieben müssen
- und das war es dann -, sondern Bürgerfunk ist längst sehr viel
mehr. Der Bürgerfunk hat sich weiterentwickelt. Er hat sich prächtig
weiterentwickelt.
Die Radiowerkstätten, die dafür sorgen, dass es den Bürgerfunk gibt und dass
die Menschen Zugang zu ihrem lokalen Radio haben, leisten eine
medienpädagogische Arbeit, die weit über die bloße Produktion hinausgeht. Ich
nenne Beispiele: Es gibt jugendliche Aussiedler, die einmal gekommen waren, um
eine Sendung zu machen und die dann bleiben und gleichzeitig eine
Internet-Seite machen und natürlich auch Audiofiles ins Netz stellen, das
heißt, unterschiedliche Medien vernetzen. Oder Schüler erarbeiten mit ihren
Lehrern zusammen eine CD-Rom, die im Unterricht eingesetzt wird. Oder Senioren
machen einen Radioworkshop. Sie überwinden eine Schwelle, kaufen sich einen PC
und belegen weiter Computerkurse. Wir hatten eine Mädchengruppe, die einen Kurs
belegt hat: Wie repariere ich einen CD-Player? Solche Kurse bieten
Radiowerkstätten auch noch an.
Es gibt zahllose Beispiele dafür, wie sich unterschiedliche Medien und
unterschiedliche Arten in der Medienkompetenzvermittlung in den
Radiowerkstätten schon vernetzen. Deshalb haben wir hier ein richtiges
Multimedianetzwerk.
Die Digitalisierung haben die Radiowerkstätten ohne zusätzliche Förderung
schon längst vollzogen. Bürgerinnen und Bürger präsentieren ihre Sendungen im
Internet. Die Radiowerkstätten kooperieren auch vor Ort mit anderen Medienanbietern,
mit Universitäten, mit Bürgerzentren - je nachdem. Deshalb ist eine
Radiowerkstatt längst ein Zentrum, ein Knotenpunkt für Medienpädagogik
geworden, Kontaktbörse und Bildungszentrum gleichzeitig. Bildungsarbeit ist für
Radiowerkstätten auch vorgeschrieben. Es ist gleichzeitig auch noch
Reparaturwerkstatt, Treffpunkt - je nach Verbreitungsgebiet auch noch
alles Mögliche andere mehr - und das alles für relativ wenig Geld, von
Landesseite aus gesehen.
Die öffentliche Förderung, die vonseiten der LfR kommt, beträgt im
Durchschnitt - wir haben 160 Radiowerkstätten in
Nordrhein-Westfalen - 12.000 Euro pro Jahr für jede Radiowerkstatt.
Das ist schon wenig. Mit dieser geringen Förderung haben es die
Radiowerkstätten aber geschafft, eine enorme Menge an Drittmitteln zu
akquirieren, jede Menge ehrenamtliche Arbeit als Eigenleistung einzubinden und
das zu schaffen, was wir jetzt haben. Woran es vielleicht krankt, ist die
Öffentlichkeitsarbeit. Viele Menschen wissen gar nicht, was Radiowerkstätten in
Nordrhein-Westfalen als Netzwerk alles leisten.
Der Regierungsentwurf, so wie er im Moment vorliegt, würde diese Arbeit der
Radiowerkstätten zerstören. Er würde theoretisch sogar zulassen, dass die
Bürgerfunk-Förderung sogar auf null zurückgefahren würde, dass Radiowerkstätten
nicht mal mehr ihre Miete bezahlen können. Wir als Landesverband Bürgerfunk
fragen uns natürlich: Warum soll das so sein? Wir sehen das anders. Wir regen
an, dem Bürgerfunk weiterhin eine Garantiesumme zu geben. Wir hatten diese
15 % im letzten Gesetz. Das ist eine Grundfinanzierung, die, wie gesagt,
12.000 Euro je Radiowerkstatt beträgt, womit man erst einmal grundsätzlich
arbeiten kann. So kann der Bürgerfunk weiterarbeiten. Aber auch das muss im
Gesetz verankert werden. Der Bürgerfunk kann nämlich den Verteilungskämpfen und
den Gesetzen des Marktes mit seiner ehrenamtlichen und ziemlich überlasteten
Struktur niemals standhalten.
Wir regen deshalb an, dass man diese langjährigen Erfahrungen, die es im
Bürgerfunk gibt, und die Kompetenzen, die im journalistischen, im technischen
Bereich und in der Medienpädagogik und im Internet gesammelt wurden, vor allem
auch in der Kunst, aus sehr wenig Geld sehr viel zu machen, nutzt, indem man
sie als Basis für neue Aufgaben der Medienkompetenzförderung nimmt, die es auch
gibt. Man hat so eine Basis, auf der man aufbauen kann. Das ist auf jeden Fall
besser und billiger, als alles neu aufzubauen.
Peter Schröder-Metz (Gewerkschaft Ver.di, Landesbezirk
Nordrhein-Westfalen): Zur Frage der Zusammensetzung der
Veranstaltergemeinschaften, a) die Entsendung, b) die Abberufung durch die
entsendenden Organisationen: Die Anregungen, die wir in unserer Stellungnahme
niedergeschrieben haben, resultieren aus den Erfahrungen unserer Mitglieder in
den einzelnen Veranstaltergemeinschaften, der Vertreter und Vertreterinnen des
Journalistenverbandes und der Deutschen Journalisten Union in Ver.di.
Dabei hat sich herausgestellt, dass es nur eine schwache
"Kann-Bestimmung" im alten Rundfunkgesetz und auch im Entwurf des
Landesmediengesetzes gibt, wonach per Satzung die Angehörigkeit zur
Veranstaltergemeinschaft auf fünf Jahre befristet werden kann. Das erscheint
uns nach den praktischen Erfahrungen zu kurz und unzureichend. Wir regen daher
an, die Mitgliedschaft in den Veranstaltergemeinschaften auf sechs Jahre zu
begrenzen, wobei eine Wiederwahl durchaus ermöglicht werden kann.
Es gibt konkrete Beispiele dafür, dass Vertreter in den
Veranstaltergemeinschaften aus persönlichem Interesse oder aus anderen Gründen
ausscheiden. Mir ist ein Fall bekannt, da war jemand zur Fahndung
ausgeschrieben. Er befand sich auf der Flucht. Solche Positionen können nicht
nach- oder nicht neu besetzt werden. Wenn ich also davon spreche, dass es ein
Rückrufrecht geben muss, soll das nicht damit begründet werden, dass ich als
entsendende Organisation sage: Der Vertreter oder die Vertreterin arbeitet
nicht in unserem Sinne. Wir rufen sie zurück. Nein, darum geht es nicht. Es
geht darum, dass die Veranstaltergemeinschaften arbeits- und funktionsfähig bleiben.
Bleibt jemand regelmäßig den Sitzungen der Veranstaltergemeinschaft fern, muss
man das Recht haben, ihn abzuberufen. Mehr steckt nicht dahinter.
Eine weitere Anregung: In einigen Teilen ist das Gesetz nach wie vor
schwammig formuliert, soweit es um die Zusammensetzung der
Veranstaltergemeinschaft geht. Das gilt z. B. in Bezug auf den Vertreter
aus dem Kulturbereich sowie den Vertreter/die Vertreterin der Ausländer in den
Veranstaltergemeinschaften. Wir regen an, für die Kulturbank einen Vertreter aus
den anerkannten Kulturorganisationen zu ziehen. Das reicht vom Berufsverband
Bildender Künstler über den Verband Deutscher Schriftsteller bis hin zur
Fachgruppe Darstellende Kunst in Ver.di. Das allerdings sind nur Beispiele.
Dabei reicht es natürlich nicht, sich nur auf dem Dorf umzusehen, wer schon
einmal ein Gedicht geschrieben hat und dass der zum Vertreter/zur Vertreterin
der Kultur in der Veranstaltergemeinschaft gemacht wird. Das ist nicht im Sinne
des Gesetzgebers.
Für die Berufung eines Vertreters/einer Vertreterin der ausländischen
Mitbürger regen wir an, die örtlichen Ausländerbeiräte einzubeziehen.
- Das wären unsere Wünsche und Anregungen zum Lokalfunk und den
entsprechenden Passagen im Entwurf des Landesmediengesetzes.
Dr. Karl-Heinz Vogt (Katholisches Büro Nordrhein-Westfalen,
Kommikssariat der Bischöfe in NW): Ich möchte zur Frage von Herrn
Hegemann Stellung nehmen, die sich auf das Zwei-Säulen-Modell bezog und ob die
Säule "Veranstaltergemeinschaft" stabil ist. Nach der Lektüre des
Textes haben wir es so verstanden, dass nach § 62 Abs. 3 geregelt
werden soll, dass die Veranstaltergemeinschaft nicht ordnungsgemäß besetzt ist,
wenn die dort benannten vier Personen aus Kultur, Kunst, Bildung und
Wissenschaft sowie der ausländischen Mitbürgerinnen/Mitbürger und dem Bereich
der anerkannten Radiowerkstätten nicht komplett vertreten sind. Von daher haben
wir angeregt - immerhin gibt es gelegentlich Schwierigkeiten, auf die
gerade auch Herr Schröder-Metz hingewiesen hat, aus den Bereichen Kunst und
Kultur sowie Bildung und Wissenschaft Vertreter zu finden, die bereit wären, in
einer Veranstaltergemeinschaft mitzuarbeiten -, ob man das nicht auf
organisatorischem Wege stärker absichern kann. Von daher unsere Anregung: Statt
"muss" sollte eine Soll-Bestimmung dort stehen.
Ein durchgängiges Thema bei Veranstaltergemeinschaften - das sollte ich
noch hinzufügen - ist, wie es eben bereits schon genannt wurde, dass das
Sendeumfeld ausgesprochen schlecht ist und unglaublich schwierig, an der
Situation im Sinne von Akzeptanz etwas zu verbessern.
Prof. Dr. Gerd Kopper (Universität Dortmund): Ich möchte
auf die Frage eingehen, ob und wie Sie sich ein Qualitätssiegel vorstellen
können. Danach hatte Herr Hegemann gefragt: Ein Qualitätssiegel kann ich mir
technisch in jeder Form vorstellen, angefangen bei einem abgewandelten
UNO-Engel für Qualitätspapier bis hin zu vielen anderen Varianten aus der Welt
von Walt Disney oder kreativen Könnern in Nordrhein-Westfalen. Das einzige
Problem, auf das ich auch in meiner schriftlichen Stellungnahme hingewiesen
habe, besteht darin, dass ich so etwas nicht für zum Aufgabenbestand einer
Aufsichtsbehörde zugehörig halte. An der Stelle wäre definitiv eine Grenze
überschritten.
Die Grundfunktion der Landesmedienanstalten auf der Basis des
Rundfunkstaatsvertrages sind eindeutig aufsichtsbehördliche Funktionen.
Aufgrund der Finanzierungsbedingungen, über die man dann in der ersten Runde
schon Ende der 80er-Jahre hat nachdenken müssen, ist die Regelung geschaffen
worden: 2 % der Rundfunkgebühren werden den Landesmedienanstalten zur
Verfügung gestellt, und zwar ohne jede weitere Einschränkung.
In meiner schriftlichen Stellungnahme habe ich auch darauf hingewiesen, dass
es sich im Grunde genommen um eine Grauzone handelt, auf die nicht nur ich,
sondern auch Experten der Rechnungshöfe und Kommissionen wiederholt hingewiesen
haben. Dahinter verbirgt sich nämlich ein klassischer Verstoß gegen
finanzhoheitliche Haushaltsregelungen. Die Landesregierungen haben bei der Ratifizierung
der Staatsverträge das selber eingestehen müssen. Schließlich gab es diese
Expertenhinweise. In einer Fußnote zur letzten Ratifizierung des
Rundfunkstaatsvertrages ist kenntlich gemacht worden, dass spätestens ab dem
Jahre 2004 eine solche quasi automatische Erhöhung des 2-Prozent-Anteils
mit den notwendigerweise steigenden Rundfunkgebühren nicht mehr erfolgen soll.
Damit wird ein Stück weit Hoffnung zum Ausdruck gebracht, weil nämlich bereits
eine vorherige Ankündigung schon nicht realisiert worden war.
Wir haben es jetzt mit einer Situation zu tun, in der man sagen kann, was
auch schon in einem alten Haushältergrundsatz niedergeschrieben ist: Geld sucht
sich seine Aufgaben! - Dieser Grundsatz wird jetzt realisiert. Insofern
sieht man jetzt eine gewisse Fortentwicklung. Es geht nicht nur um Aufsicht.
Das ist nämlich bei einer Qualitätssiegelvergabe keineswegs der Fall. Es geht
auch nicht um Medienförderung. Auch das wäre nämlich noch ein Teil, der im
Rundfunkstaatsvertrag festgeschrieben ist. Wir bewegen uns in einen Bereich
hinein, der absolut kritisch ist. Die rote Lampe sollte an der Stelle angehen.
Nicht nur die Obergerichte, sondern die höchsten Gerichte der Bundesrepublik
haben im Pressewesen jedes Differenzierungsgebot absolut ausgeschlossen. Das
gilt bei etwaigen gesetzlichen Vorschriften bis hin zu Verordnungen. Würde eine
Richtung eingeschlagen, nach der das Qualitätssiegel von einer Aufsichtsbehörde
vergeben würde, die dann über die Geldvergabe an Dritte - die
Verbraucherverbände als mögliche Empfänger haben sich schon angemeldet -
zu entscheiden hätte, müssten wir uns mit dem kritischen Punkt auseinander
setzen, dass eine solche Geldzuweisung stets eine Differenzierung in Bezug auf
Wertmaßstäbe verlangt. Ich meine, dass an der Stelle eine verfassungsrechtliche
Bruchstelle vorhanden ist. Nach meiner persönlichen Meinung ist das schon vom
Fundament her ein Konstruktionsfehler, der sich wie ein Riss durch das gesamte
Gesetzeswerk zieht, weil nicht klar genug zwischen Aufsichtsfunktionen einerseits
und weiter reichenden Funktionen andererseits der Anstalt getrennt wird.
Aufgrund der merkwürdigen Fehlentwicklung im Bereich der Finanzierung und des
Mangels an Kontrolle hat diese Anstalt in gewisser Weise den Auftrag, sich
stets selber mit neuen Aufgaben zu versorgen. Aus der Sicht eines
Gesetzesmachers halte ich das für eine recht abwegige Erscheinung.
Dr. Michael Rath-Glawatz (Rechtsanwalt): Es entspricht dem
Zeitgeist, heutzutage für Medienkompetenz und die Stärkung von Medienkompetenz
zu sein und dafür einzutreten. Im § 39 gibt es eine allgemeine
unverbindliche Einführung. Der § 40 beschäftigt sich mit der
Medienversammlung, einer Art immerwährendem Reichstag der Medieninstitutionen.
So etwas hatten wir schon einmal im Mittelalter. Damals ist das auch nicht gut
ausgegangen. Diejenigen, die dort sitzen, müssten, so hoffe ich jedenfalls,
Medienkompetenz besitzen. Der § 39 stellt insofern einen unverbindlichen
Grundsatz dar, und nach § 40 geht man davon aus, dass dort diejenigen versammelt
sind, die ohnehin schon Medienkompetenz haben.
Die Schulen und die Eltern, die den Jüngeren Medienkompetenz beibringen
könnten, ist überhaupt keine Rede. Als einziger Paragraph verbleibt § 45.
Es folgt der Datenschutz mit den alt bekannten Kamellen, die in jedem
Landesrundfunkgesetz stehen.
In § 41 heißt es dann so schön: Zur Förderung der Belange der
Mediennutzerinnen usw. - Man hat es also jetzt mit etwas ganz Neuem zu
tun, einer Belangförderung.
Ich frage Sie: Was sind das für Belange? - Möglicherweise müsste die
LfR über das Qualitätskennzeichen eine
Belangförderungsqualitätskennzeichensatzung machen. - Schon alleine davon
können Sie ablesen, dass dieser Gedankengang nicht zu Ende geführt worden ist.
Wenn ich jetzt versuche, das etwas ironisch darzustellen, dann geschieht das
nur deshalb, weil man doch viel über Staatsverdrossenheit liest, hört oder
spricht. Der Gesetzentwurf weckt unter dem Stichwort
"Medienkompetenz" gewisse Erwartungen. Bei genauerem Nachlesen wird
man aber vielleicht nur noch einen Paragraphen finden, der diesem Anspruch
gerecht wird. Das, so meine ich, ist etwas wenig. Herr Prof. Kopper hat schon
darauf hingewiesen: Im Zusammenhang mit diesem § 41 wird es arg
gefährlich. Denn durch die Satzung einer zwar staatsunabhängigen aber dem öffentlichen
Bereich zuzurechnenden Behörde soll Qualität ausgezeichnet werden. Wir kennen
Unterscheidungen unter dem Gesichtspunkt des Jugendschutzes, werden dort doch
im Rahmen der Klassifizierung von Filmen gewisse Altersgrenzen gesetzt. Das hat
aber nichts mit Qualität zu tun. Denn ein Film, der für Kinder freigegeben ist,
kann durchaus gut oder schlecht sein. Mit Qualität hat das überhaupt nichts zu
tun.
Im Zusammenhang mit dem diskutierten Gesetzentwurf wird nach meiner Kenntnis
zum ersten Mal per staatlicher Satzung Qualität "obrigkeitsrechtlich"
zensiert, und zwar gut oder schlecht, denn eine Wertung muss enthalten sein,
weil es sonst den Belangen der Mediennutzer nicht weiterhilft. Es müssen also
Aussagen kommen wie: Das können Sie unbeschadet konsumieren! - Oder: Sie
tragen folgende Schäden davon! - Wenn Sie nur von "sehenswert"
oder "nicht sehenswert" sprechen, Sternchen, Herzchen oder was auch
immer vergeben, würde das zumindest mittelbar staatlicherseits eine Bewertung
von Programminhalten zur Folge haben. Das aber verbietet Artikel 5 GG
glasklar. Es kann keine staatliche Bewertung der Qualität von Medienangeboten
geben. Staatsferne Institutionen können eine solche Bewertung vornehmen,
Programmveranstalter, Vereinigungen von Jugendschützern oder wer immer das
will. Senioren können z. B. für Senioren geeignete Angebote qualifizieren.
Aber der Staat kann keine Qualitätssiegel vergeben. Ich bitte darum, von diesem
Vorhaben abzulassen.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Ich darf bei der Gelegenheit
bemerken, dass sich die LfR natürlich dagegen wehren wird, als Staatsbetrieb
bezeichnet zu werden, ist sie doch eine staatsferne Organisation. Aber das
haben dann die Fraktionen zu beraten.
Ich darf Ihnen noch bekannt geben, dass die Verbraucherverbände angesprochen
worden sind, die sich aber für den Nachmittag bereits haben entschuldigen
lassen, sodass wir sie jetzt nicht mehr um eine Stellungnahme bitten können.
Damit wären wir am Ende der ersten Runde. Die zweite Runde ist eröffnet.
Herr Dr. Grüll hat das Wort.
Dr. Stefan Grüll (FDP): Ich habe zwei Fragen, die sich
zunächst an die LfR richten. Herr Dr. Brautmeier, es geht mir um § 82
Abs. 2, Satz 1. Was eigentlich verbleibt Ihnen - nimmt man
diesen Satz ernst - nach diesem Satz 1 noch zur Verteilung, wenn man
- wie es hier steht - die Ausgaben abzieht, die nach diesen
gesetzlichen oder staatsvertraglichen Vorschriften aus den Einnahmen zu leisten
sind?
Weil es Ihre Antwort im Sinne einer Verkürzung vielleicht erleichtert,
möchte ich Ihnen meine Auffassung mit auf den Weg geben: Eigentlich bleibt
Ihnen so gut wie nichts mehr übrig, was zur Verteilung anstünde. Aus
politischer Betrachtung heraus würde mich das gar nicht in große Unruhe
versetzen. Ich möchte aber Klarheit haben, ob es so ist, wie ich das gerade
bewertet habe.
Dieser Satz 1 gilt nach Satz 2 nicht, wenn - jetzt kommt
diese 25-Prozent-Passage - man es mit der Anmerkung versieht, dass die
Staatssekretärin im Medienausschuss deutlich gemacht hat, dass der Gesetzestext
und eben nicht die Begründung gilt. Würde Ihnen diese Erklärung das Maß an
Flexibilität und Spielraum verschaffen, die 25 % - jetzt äußere
ich einmal einen Wunsch - deutlich zugunsten von Medienkompetenzprojekten
einzusetzen?
(Zuruf des Dr. Frank Freimuth [SPD])
- Das in Abgrenzung zu Bürgermedien und Bürgerfunk, lieber Herr
Dr. Freimuth.
Eine weitere Frage würde ich in der Hoffnung, dass es unsere positive
Atmosphäre nicht belastet, gerne an Sie richten, liebe Frau Dr. Lendzian, an
den Landesverband Bürgerfunk. Sie haben - ich will das ausdrücklich
bestätigen und anerkennen - das hohe ehrenamtliche Engagement derer
gewürdigt, die das Programm machen. Ich vermute, ich trete Ihnen zu nahe:
Würden Sie mir widersprechen, wenn ich behaupte, dass zwischen dem
anzuerkennenden ehrenamtlichen Engagement und der Akzeptanz bei denen, für die
das Programm gemacht wird, nämlich den Hörerinnen und Hörern, eine gewisse
Kluft besteht? Sollte ich mich irren, sollte die Akzeptanz also größer sein,
als ich es unterstelle, wäre ich sehr dankbar, wenn ich das gelegentlich einmal
belegt bekommen würde. Denn wenn es so wäre, würde ich mich dazu entschließen
können, die Förderungshöhen anders zu bewerten, als ich es derzeit tue.
Insofern schließt sich der Kreis. Wenn die 25 % so eingesetzt werden
können, wie ich den Gesetzestext verstehe, könnte die LfR mehr für die
Medienkompetenzförderung tun und müsste deutlich weniger als bisher - den
Spielraum haben Sie dann - dem Bürgerfunk zur Verfügung stellen.
Dr. Jürgen Brautmeier (Landesanstalt für Rundfunk Nordrhein-Westfalen):
Ich habe zwischendurch versucht, deutlich zu machen, dass die 15-%-Regelung,
die gegenwärtig im Gesetz steht, von uns von Anfang an hinterfragt worden ist.
Wir geben für Bürgermedien mehr als 15 % aus, und zwar schon seit langer
Zeit. Wenn wir die Medienkompetenzprojekte im weitesten Sinne hineinrechneten,
wäre dies noch viel, viel mehr und ginge auch über die 25 % hinaus.
Ihre Frage war, inwieweit wir dann überhaupt noch flexibel sind. Wir sind in
unserem Kapitel, in dem die Fördermaßnahmen Bürgerfunk, aber auch Forschung,
Beratung etc. verankert sind - gegenwärtig mit 41 % für die Zwecke
Bürgermedien gebunden. Das heißt, die freie Spitze, die wir noch hätten, wäre
für alles andere, was ich erwähnt habe.
Wenn wir eine größere Flexibilität bekämen, müsste die Rundfunkkommission,
müsste die LfR entscheiden, ob man bei den bisherigen Zahlen bleibt oder ob man
in der Tat unterschiedliche Schwerpunkte setzt. Wie und in welche Richtung, dem
kann und will ich nicht vorgreifen. Die gesellschaftliche Debatte muss dann in
der Rundfunkkommission stattfinden.
Noch einmal: Die Festschreibung auf einen gewissen Anteil unserer Mittel
- überwiegend der Fördermittel - hat uns von Anfang an große
Probleme, auch rechtliche Probleme bereitet. Wir
haben dazu rechtliche Fragen. Weil wir das sowieso schon übererfüllen, noch
einmal der Appell, mit diesem Instrumentarium nicht hantieren zu müssen. Wir
kommen auch ohne aus.
Dr. Bettina Lendzian (Landesverband Bürgerfunk NRW e.V.):
Vielleicht habe ich das ehrenamtliche Engagement ein wenig überbetont. Es ist
eine ganz wichtige Sache im Bereich Medienkompetenzverteilung, auf den ich
abgehoben habe.
Ich nehme an, Sie meinen mit Hörerakzeptanz die Einschaltquoten. Wenn Sie
meinen, dass man die Hörerakzeptanz mit Einschaltquoten messen kann, dann muss
man sagen, dass der Bürgerfunk diese Akzeptanz hat. Der Bürgerfunk hat zu
seiner Zeit, abends, eine höhere Einschaltquote als alle WDR-Programme
zusammen. Die Hörer sind da. Es gibt keinen Abschaltfaktor, den man anhand der
Einschaltquoten messen könnte.
Den Bürgerfunk gibt es nicht. Bürgerfunk ist unglaublich vielfältig.
Er ist genauso vielfältig wie andere lokale Kulturräume. Da gibt es alle
möglichen Sachen. Dass dem einen oder anderen eine Sendung nicht oder aber besonders
gut gefällt, ist nicht nur Fakt, sondern natürlich auch gewünscht.
Sie haben nach Untersuchungen gefragt. Die LfR hat einmal die Qualität des
Bürgerfunks untersucht. Ich weiß nicht, ob einer der Herren die
Untersuchungsergebnisse in der Tasche hat und sie Ihnen geben kann. Da kam
heraus: Die Qualität stimmt. Die Sendungen des Bürgerfunks sind ganz wenig mehr
mit Fehlern behaftet als die des redaktionellen Lokalprogramms. Ein leichter
Schwerpunkt ist das Thema Kultur. Ansonsten gibt es an der Bürgerfunkqualität
nichts auszusetzen.
Sie führen Einzelfälle an und sagen: Ich kenne aber einen, der hat mal
abgeschaltet. - Ich kenne Leute, die sind mit dem Auto sogar vom Kreis Borken
an die Stadtgrenze von Münster gefahren, um den dortigen Bürgerfunk zu hören.
Beide Gruppen wird es geben. Welche größer ist, wird man wahrscheinlich nicht
messen können.
Abschließend die Bemerkung: Bei vielen Sendungen handelt es sich um
monothematische Zielgruppensendungen, die um 18 Uhr gut aufgehoben sind.
Ein Magazin mit lokalen oder weltpolitischen Umweltthemen passt gut auf eine
18-Uhr-Sendezeit, ebenso ein Multikultimagazin, ein
Amnesty-International-Magazin, ein Karnevalsmagazin usw.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Mir liegen keine weiteren
Wortmeldungen zu Block 3 vor. Ich darf mich recht herzlich für die
konzentrierte Diskussion, für Ihre Beiträge bedanken. Ich schließe
Block 3.
Ich rufe auf Block 4:
Kabelbelegung und Digitalisierung
Frau Brunn, bitte.
Anke Brunn (SPD): Ein Teil dieser Debatte ist schon heute
Morgen geführt worden. Aber ich denke, man muss die sehr kontroversen
Meinungsäußerungen in diesem Zusammenhang aufgreifen. Es ging darum, dass im
Gesetz die Belegung von Kabelanlagen für den analogen und den digitalen Bereich
getrennt bzw. verschieden geregelt ist.
Ich habe es so verstanden, dass die LfR ein Verfahren befürwortet, wonach es
diese Trennung nicht gibt. Sie möchte den analogen und den digitalen Bereich
nach gleichen Kriterien belegen. Das könnte vielleicht Herr Hahn-Cremer kurz
darstellen. - RTL und auch die Verbandsorganisation scheinen das genauso zu
sehen.
Bei den Vertretern der Kabelanbieter sehe ich unterschiedliche Positionen.
Da möchte Ish eher noch weiter gehende Spielregeln, während ANGA eher der
Position der LfR zugeneigt ist. Da bitte ich um Erläuterung.
Ich glaube, die Position der freien Fernsehveranstalter brauchen wir nicht
zu wiederholen. Aber die anderen müsste man vielleicht kurz darstellen. Dann
sieht man das Spektrum des Widerspruchs in diesem Bereich. Das erleichtert uns,
glaube ich, das Entscheidungsverfahren und kann relativ schnell gehen.
Lothar Hegemann (CDU): Ich wende mich an Ish nur zu den
Themen, die heute anstehen und nicht zu aktuellen Pressemeldungen. Herr
Schnepper, die sind, glaube ich, nicht Gegenstand des Verfahrens.
Wie beurteilen Sie den Entwurf des Landesmediengesetzes angesichts der
Belegungsmöglichkeiten, die Sie haben? Wie beurteilen Sie den Wunsch der
Privaten, dass Buketts abgenommen werden? Wie beurteilen Sie die
Must-carry-Regelung, die hier getroffen worden ist?
Auch an den VPRT die Frage: Wie beurteilen Sie die Regelung? Äußern Sie sich
nach wie vor kritisch zu Teleshoppingkanälen? Ich glaube, der ein oder andere
von Ihnen betreibt mittlerweile sogar selber einen.
Dr. Frank Freimuth (SPD): Ich habe eine allgemeine
Frage an Ish: Wie bewerten Sie das Tempo der Digitalisierung des Kabels?
Eine Frage an das FORMATT-Institut: Sind aus Ihrer Sicht die unabhängigen
Produzenten bei der Kabelbelegung genügend berücksichtigt?
Ich habe noch eine Spezialfrage an den WDR, die ich aber besser in der
zweiten Runde stellen werde.
Wolfgang Hahn-Cremer (Landesanstalt für Rundfunk
Nordrhein-Westfalen): Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Ich
will nicht alles wiederholen, was Herr Dr. Schneider aus unserer Sicht
heute Morgen schon zu diesen Fragen gesagt hat. Ich will es konkret machen:
Nach unserer Auffassung müssten in § 18 der Abs. 8 und in Abs. 3
die Worte "für höchstens 15 Kanäle" gestrichen werden. Das wäre
das Fazit des Beitrags von Dr. Schneider.
Ich will das an zwei Punkten deutlich machen. Wir wiederholen das Verfahren,
das der Rundfunkstaatsvertrag für die Digitalisierung vorsieht, nun für den
analogen Bereich. Wir meinen, es wäre besser, es bei dem derzeitigen Verfahren
zu belassen, der Rangfolgeentscheidung im analogen Bereich. Dafür gibt es
zumindest zwei Gründe:
Erstens. Der Kabelnetzbetreiber hat am Ende nach denselben Kriterien zu
verteilen, wie sie die Landesanstalt für Rundfunk ansetzt, nämlich
Vielfaltsgesichtspunkte. Das heißt, die müssen sich eine starke Rechtsabteilung
leisten, um das Verfahren so sicher zu machen, wie es bei uns mittlerweile ist.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin - ich darf auch etwas Positives sagen,
nachdem ich heute gelernt habe, dass wir unser Geld nur verpulvern - hat
festgestellt, man möchte bitte eine Rangfolgeentscheidung erlassen, wie die LfR
das bisher getan hat. Das heißt, dahinter stecken eine ganze Menge
verschiedener Gründe. Dieses Vorgehen verlangen Sie nun auch vom
Kabelnetzbetreiber. Ich halte das für sehr schwierig auch angesichts dessen,
dass das Verfahren sicher sein soll.
Zweitens. Ich darf zitieren, was Herr Dr. Schneider heute Morgen gesagt hat.
Wer sind die fünf, die man zum Schluss hat? Sind das nicht möglicherweise die,
die sagen: Wir zahlen dafür, dass wir das Kabel bekommen? Wenn das im
Zusammenhang mit dem ersten Punkt, den ich gerade angesprochen habe, sieht,
dann muss man befürchten, dass wir uns mit der Kabelentscheidung vor den
Verwaltungsgerichten, vor allem vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf
wiedersehen werden, und zwar in einer Häufigkeit, die wir bisher vermieden
haben.
Deshalb sagen wir: im Analogen bleiben wie bisher. Im Digitalen greift eh
der Rundfunkstaatsvertrag. Da sind die Regelungen vorgegeben, u. a. auch
"must carry".
Dr. Jürgen Brautmeier (Landesanstalt für Rundfunk
Nordrhein-Westfalen): Eine kurze Ergänzung - man muss den
Gesetzentwurf auch einmal loben : In § 27 Abs. 4 gibt es schon, was
man bei der Kabelbelegung eigentlich wollte, nämlich größere Flexibilität für
den Kabelanlagenbetreiber. In dem Moment, in dem er die Digitalisierung
vorantreibt, ist es ihm nach § 27 Abs. 4 in Zukunft möglich, die Zahl
der analogen Kanäle zu reduzieren. Der Umstieg ins Digitale wird dadurch also
gefördert.
Deswegen sagen wir: Das ist der richtige Weg. - Aber an dieser Stelle das
bisherige analoge Regime zu ändern, also während des Rennens die Pferde zu
wechseln, halten wir für nicht vernünftig.
Henning Schnepper (Ish GmbH & Co KG): Aus gegebener
Veranlassung möchte ich - auch wenn Herr Hegemann sagte, hier wäre nicht
der Ort, um über tagesaktuelle Meldungen zu sprechen -, bevor ich mich den
Aspekten "operativer Markt" und "Bedeutung von Vielfalt und
Kabelbelegung" zuwende, den Kreis schließen und betonen, dass es in der
jetzigen Situation auch um politische Signale geht. Denn wer wie
Nordrhein-Westfalen Investitionen will - und dies durch Unternehmen wie
unseres schon in erheblichem Umfange erfahren hat -, braucht Investoren.
Und solche Investoren brauchen ihrerseits verlässliche politische
Rahmenbedingungen, die darauf hinauslaufen müssen, dass sich unternehmerisches
Engagement und Risikoinvestitionen zumindest abstrakt auf Grundlage eines
Regelungsrahmens refinanzieren können. Diese Grundeinstellung wird sich
widerspiegeln, wenn ich zu den einzelnen angesprochenen Punkten und dabei
zunächst zu dem analogen Belegungsregime komme.
Frau Brunn konstatiert einen Widerspruch zur ANGA, den ich so nicht sehe. -
Ich will in meine Darstellung Ihre Frage, Herr Hegemann, danach einbeziehen,
wie wir die entsprechenden Freiheiten bewerten. - Ja - das konnten Sie
unserer Stellungnahme entnehmen -, wir halten die Freiheiten im Ergebnis
für noch gar nicht weit genug. Warum meinen wir nun, das so fordern zu können?
Dazu zwei Antworten:
Erstens. Die erste Antwort ergibt sich schlicht aus dem Marktgeschehen.
Unser Produkt nämlich, das Kabelfernsehen, ist nur dann attraktiv, wenn wir dem
Zuschauer aktives, vielfältiges, buntes und zahlreiches Programm bieten. Wenn
wir dem Zuschauer nur künstlich verknappte, willkürliche Inhalte gewähren, so
wird das die ohnehin schon zu verzeichnende Migrationsbewegung hin zu
alternativen Empfangsquellen eher noch verstärken.
Es gibt also einen nicht zu übersehenden Marktdruck. Und auch wenn man
grundsätzlich misstrauisch ist gegenüber privatwirtschaftlicher Betätigung:
Marktzwänge wirken. Der Marktdruck verlangt, ein vielfältiges und buntes
Angebot zusammenzustellen.
Zweitens. Diese Inhalte kommen von einflussreichen Marktteilnehmern. Ohne deren
Inhalte kann ish kein attraktives Fernsehprodukt liefern. Es sind zum einen zu
nennen die Öffentlich-Rechtler, die ohnehin einen von niemandem in Zweifel
gezogenen Must-carry-Status besitzen. Es sind sodann zu nennen die Unternehmen,
die hier vertreten sind; nicht nur über den VPRT, sondern auch persönlich mit
Frau Haas für die RTL GmbH und den inzwischen wohl nicht mehr anwesenden Herrn
Doetz. Es muss jedem klar sein, dass man ohne die führenden Programme dieser
beiden Senderfamilien wiederum kein attraktives Produkt stricken kann.
Diese Senderfamilien wiederum fordern aus ihrer Verhandlungsmacht - mir
liegen die konkreten Vertragsvorschläge vor - heraus, wenn wir ihr
Programm haben wollen, eine Aussage, wie mit VOX oder etwa dem RTL-Shop
verfahren werden soll. - Für die anderen gilt das Gleiche.
Wiederum also regelt der Markt die Dinge, sodass sich Regulatorisches nicht
gerade aufdrängt. Regulatorisches führt im Gegenteil zur Schwächung der
Verhandlungsposition des Kabelnetzbetreibers in einer solchen Situation, in der
es an ihm ist, neue tragfähige Marktmodelle zu entwickeln - die dem natürlich
auch nicht völlig problemfreien werbefinanzierten Fernsehen ebenso helfen wie
dem Kabelnetzbetreiber -, der darauf angewiesen ist, seine Investitionen zurückzuverdienen,
wenn er sich parallel mit einer Must-carry-Verpflichtung ausgestattet sieht,
also auch über das Ob einer Einspeisung des kleinsten Senders schon gar nicht
mehr verhandeln kann, weil er sich nämlich in einem Verwaltungsakt von Dr.
Schneider fangen würde, berücksichtigte er diesen kleinsten Sender
nicht. - So viel aus Marktsicht.
Gestatten Sie mir ein Strukturargument! In anderen Ländern existieren
bereits modernere Regeln. Exemplarisch möchte ich Baden-Württemberg erwähnen,
weil unser Unternehmen dort mit dem Schwesterunternehmen Kabel
Baden-Württemberg tätig ist. Nach der baden-württembergischen Rechtslage gibt
es seit 1998 dort nur noch zwölf Must-carry-Kanäle. Mir ist - einige von
Ihnen wissen, dass ich auch eine ganze Zeit für Programmveranstalter gearbeitet
habe - schlicht nicht bekannt, dass dort jemals die Rüge mangelnder
Pluralität erhoben worden wäre. Diese Regelung funktioniert. Unlängst hat unser
Schwesterunternehmen dortselbst eine Belegungsanzeige unterbreitet. Diese ist
nicht nur bei den betroffenen und bei den begünstigten Programmveranstaltern
breit aufgenommen worden, sondern hat auch bei der insoweit zur
Missbrauchsaufsicht berufenen LfR zu keiner wie auch immer gearteten Kritik
geführt. Es geht also auch anders. Und dieser Regelung wohnt der Charme inne,
im dualen System ausgewogen zu sein. Sie geht von sechs öffentlich-rechtlichen
Programmen und sechs privaten Must-carry-Programmen aus.
Was sich in Nordrhein-Westfalen abzeichnet, ist ein 7 plus 2 Regime -
einerseits der Must-carry-Programme plus der zwei regionalen bzw. lokalen
Programme, die die LfR bestimmt - plus 15 weiterer qua Must-carry-Vorgabe zu
belegender Kanäle.
Für uns ist nicht einsichtig, warum der private Funk in doppeltem Maße qua
Kanalvorgabe berücksichtigt sein muss, um Vielfalt herzustellen? Ich wiederhole
noch einmal: Vielfalt, soweit sie Massenattraktivität bedeutet, ergibt sich
schon aus dem schlichten Umstand, dass der Endnutzer danach verlangt. Deswegen
werden wir sie ihm auch anbieten. Sie wissen: Unser Unternehmen zieht die
Refinanzierung seiner Tätigkeiten im Wesentlichen aus den neuen Diensten. Diese
werden wir attraktiv und trotz gelegentlicher Schwierigkeiten im Ergebnis nur
erfolgreich vertreiben können, wenn das Basisfernsehprodukt mindestens so attraktiv
ist wie heute. Man braucht dazu die engeren Regelungen nicht. Sie sind darüber
hinaus strukturellen Bedenken ausgesetzt. Sie verschlechtern unsere
Verhandlungsposition gegenüber den Sendern. Wir meinen: Weniger wäre hier mehr.
Wenn Sie aber Kriterien für die vielfaltsichernde Kanalbelegung anwenden
wollen - auch dazu in Erwiderung auf Herrn Hahn-Cremer ein paar
Sätze -, ist es wichtiger, auf die Kleinen zu schauen, die nicht so
eindeutig massenattraktive Angebote machen, die nicht die Familieunterstützung
der großen Sender oder öffentlich-rechtlichen Status haben. Sie nämlich würden
am ehesten der vielfaltsichernden Begleitung durch die LfM bedürfen und nicht
so sehr die aus dem Katalog ablesbaren großen Familienmitglieder.
Noch kurz zu dem Vorschlag von Dr. Schneider, Dr. Brautmeier und Herrn
Hahn-Cremer, § 18 Abs. 8 doch ganz zu streichen, und zwar mit der Begründung,
die Kabelbetreiber wären schon strukturell gar nicht in der Lage, die vom
Gesetz vorgesehenen Ausfallkriterien anzuwenden. - Mir erscheint das
Argument - mit Verlaub - bedenklich. Wir haben zwar, von uns so
hervorgehoben und von der LfR zum Teil unterstützt - Schwierigkeiten mit
den Kriterien, aber wenn ein Verfahren als verbesserungsbedürftig kritisiert
wird, man nicht dieses missglückte Verfahren als Argument dafür nutzen zu
verlangen, dass die Freiheit nicht ausgeübt werden könnte. Was die Kriterien in
§ 14, auf die in § 8 Abs. 8 verwiesen wird, anbelangt, so habe ich eben etwas
zu den Inhalten und dazu gesagt, was nach Meinung von ish im engeren Sinne
vielfaltsichernd wäre. Was für einen Kabelnetzbetreiber anwendbar ist und in
der gegebenen Marktsituation zu vernünftigen Ergebnissen führt, hat der
Rundfunkstaatsvertragsgeber für den digitalen Bereich bereits entwickelt. Dies
findet sich auch in diesem Gesetz, nämlich in § 21 Abs. 3. Es gilt
schlicht und einfach, die aufgezählten Programmangebote und die Interessen der
angeschlossenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu berücksichtigen. Mit einem in
dieser Art richtig verstandenen Verfahren - Dr. Charissé geht noch viel
weiter und erklärt, im Prinzip reichten die allgemeinen Grundsätze des
Willkürverbots - ist Ihr Argument meines Erachtens entkräftet. Denn dann
kann sich die LfM - dafür ist sie ausgerüstet, und das hat sie über viele
Jahre betrieben - der Vielfaltsicherung im engeren Sinne widmen und der
Kabelnetzbetreiber sodann in der ihm zukommenden Freiheit vernünftige
Entscheidungen fällen.
Herr Dr. Freimuth, Sie haben nach dem Tempo der Digitalisierung gefragt. -
Auch hier besteht ein Zweiklang. Das Tempo hängt natürlich von der weiteren
Investitionsbereitschaft ab. Wir brauchen politische Signale, aber natürlich
auch Signale aus dem Markt, die zeigen, dass sich solche Entwicklungen
ökonomisch rechnen. Und wir brauchen - das wird gerade für ish
entscheidend sein - die neuen Geschäftsmodelle mit den großen
Content-Anbietern. Diese suchen wir. Es fehlt nicht an Vorschlägen. Aber sie
werden erst auf Augenhöhe und belastbar zu verhandeln sein, wenn sich aus den
entsprechenden Rechtsvorgaben Verhandlungspositionen ableiten, die es
verdienen, als solche bezeichnet zu werden.
Ich wiederhole noch einmal: In dem Moment, in dem wir großen Senderfamilien
gegenüber stehen, die strukturell nicht daran interessiert sind, analoge
Reichweiten zu verlieren, weil sie heute ihr Geschäft ausmachen, und die
parallel noch mit Must-carry-Vorschriften ihre Marktsituation
öffentlich-rechtlich abgesichert haben, muten Sie uns Kabelbetreibern schon
sehr viel zu, wenn wir in einer solchen Situation die Marktmodelle verhandeln
müssen, die die Digitalisierung überhaupt erst tragen werden. - Das waren
meine grundsätzlichen Anmerkungen. Es gäbe mehr.
Dr. Peter Charissé (ANGA Verband privater Kabelnetzbetreiber
Satelliten- und Kabelkommunikation e.V.): Es ist bekannt, dass die
Firma Ish und die traditionelle Kabelbranche, wie wir sie in der ANGA
repräsentieren, in den letzten Monaten nicht immer einer Meinung waren.
Allerdings ist es in der Tat so, dass wir, was das Landesmediengesetz betrifft,
weitgehend dieselbe Auffassung vertreten. Alleine das sollte dem Gesetzgeber
Anlass bieten, noch einmal über den Entwurf nachzudenken. Es besteht zwischen
uns auch weitestgehend Konsens sowohl was die analoge Kabelregulierung als auch
die digitale anbelangt.
Ich möchte direkt auf die Einlassung von Herrn Hahn-Cremer und Herrn Dr.
Brautmeier eingehen, nämlich den Kabelnetzbetreibern diese "Last der
Auswahl" zu ersparen. Ich würde das ganz gerne direkt zurückgeben: Uns
geht es darum, Ihnen Arbeit abzunehmen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob sich
die Entwurfsverfasser bewusst waren, was diese Kabelregulierung in der Praxis
bedeutet. Denn es gibt in Nordrhein-Westfalen nicht nur einen
Kabelnetzbetreiber namens Ish; es gibt unzählige Kabelnetzbetreiber, die auch
teilweise Programme selber einspeisen. Das heißt: In der Praxis würde dieses
neue Regelungsregime dazu führen, dass die LfR Hunderte von Kabelnetzen
regulieren und damit auch Hunderte von Belegungsentscheidungen treffen müsste.
Als letzten Schritt müsste sie auch damit rechnen, dass all diese
Belegungsentscheidungen von Programmanbietern angefochten werden. Denn das neue
Landesmediengesetz sieht keine allgemeine Rangfolgeliste mehr vor, sondern sagt
eindeutig: Wenn das konkrete Netz nicht genug Kapazität aufweist, trifft die Landesmedienanstalt
eine Entscheidung. Insofern, lieber Herr Hahn-Cremer, lieber Herr Dr.
Brautmeier, hätten Sie sehr viel Arbeit vor sich. Und auch die Prozesse würden
sich sicherlich häufen. Ob das förderlich ist: Wir haben da große Zweifel!
Es gibt aber auch noch andere Gründe, weshalb wir in der Tat meinen, dass es
allmählich an der Zeit ist, auch das analoge Belegungsregime infrage zu
stellen. Das erste Stichwort lautet "Flexibilität". Die im Entwurf
enthaltene Regelung, dem Netzbetreiber wenigstens für einen Teilbereich der
Kapazitäten Spielraum zu gewähren, muss selbstverständlich einen legitimen
Zweck verfolgen. Nun hat man öfter gelesen, es drohte in Zukunft ein
Verschachern der Kapazitäten durch die bald in ihrem Handeln völlig freien
Kabelnetzbetreiber. Aber auch hier muss man wohl ganz genau hinschauen. Ich
kann Ihnen durchaus Beispiele nennen, bei denen sich diese Flexibilisierung bei
der analogen Kabelbelegung bemerkbar machen würde:
Wie schon gesagt, gibt es eine Vielzahl von Netzen. Stellen Sie sich vor,
Sie wollen mit einem Kabelnetz Wohnanlagen mit einem sehr hohen Anteil an
ausländischen Mitbürgern versorgen. Dann möchten Sie natürlich als
Dienstleister durchaus mehrere Fremdsprachenprogramme einspeisen, um diesem
Kundenwunsch zu entsprechen. Das ist derzeit nicht möglich, weil sie derzeit an
eine allgemeine Rangfolgeliste gebunden sind. Und ein solches Unterfangen wäre
auch in Zukunft immer von einer konkreten Belegungsentscheidung der LfR
abhängig.
Hier ist auch ein Grund gegeben, mehr Flexibilität im Interesse des Kunden
einzuräumen. Das können Sie an Beispielen nahtlos fortsetzen. Stellen Sie sich
vor, in einem Seniorenheim würden Sie möglicherweise das eine oder andere
landesfremde Dritte zusätzlich einspeisen. Also, auch hier geht es nicht darum,
dass der Kabelnetzbetreiber Programme hinausdrängt, sondern darum, dass er ein
Angebot zusammenstellt, das seinen konkreten Kunden besser entspricht, als es
eben von der einmaligen Entscheidung, wie wir sie in der Vergangenheit hatten,
vorbestimmt ist.
Letztendlich - ich sagte es schon -: Man hat häufig gelesen, jetzt wäre der
Verschacherung der Kabelplätze durch den Netzbetreiber Tür und Tor geöffnet. -
Auch das ist nicht ganz richtig. Man muss schon deutlich sehen: Es bleibt ja
bei einer Aufsicht durch die Landesmedienanstalt. Es ist ja gerade nicht so,
dass in diesem verbleibenden variablen Bereich der Netzbetreiber völlig frei
ist. Es ist auch in diesem Entwurf eindeutig normiert, dass der
Kabelnetzbetreiber an die Vielfaltsvorgaben gebunden ist und dass er auch hier
der Missbrauchskontrolle durch die Landesmedienanstalt unterliegt. Also von
einem Freiraum, von Wildwestversteigerung kann auch nach diesem Entwurf gar
keine Rede sein. Deswegen geht er uns eigentlich nicht weit genug.
Wir wünschen uns - da stimmen wir mit den Wünschen der Firma Ish überein -
eher ein Modell, wie es in Baden-Württemberg gilt. Dort trifft zunächst der
Kabelnetzbetreiber die Auswahl bis auf einige Must-carry-Plätze, die wir hier
ja auch hätten. Und dann obliegt es der Landesmedienanstalt, gegebenfalls zu
protestieren. Ich kann also auch bestätigen: Auch in Baden-Württemberg ist uns
bisher nicht bekannt geworden, dass man mit dieser Regelung, die schon seit
zwei Jahren gilt, den Untergang des Abendlandes zu befürchten hätte. Das läuft
eigentlich ganz gut. Das würde in NRW genauso funktionieren. Insofern würden
auch wir uns in der Tat eine Liberalisierung der analogen Kabelbelegung
wünschen, zumindest in dem Umfang, wie sie jetzt vorgesehen ist.
Ich sage aber ganz offen: Uns beschäftigt noch mehr die Frage der
Digitalisierung. Ich kann Ihnen berichten, wir sind wirklich erschrocken, als
wir diesen Entwurf zum ersten Mal bekommen haben. Denn dieses Gesetz wäre das
erste Landesmediengesetz in Deutschland, das ein Digitalisierungsverbot
enthält. Ich bitte doch zu beachten, dass nach der Regelung auf Dauer rund 25
Kanäle für die analoge Verbreitung festgeschrieben wären, und zwar auch nicht
durch eine Entscheidung der Landesmedienanstalt aufhebbar. Lesen Sie es bitte
noch einmal nach. Es heißt also auch in der Begründung zu § 27 eindeutig, dass
nach Abs. 4 der Bestimmung "im Zusammenhang mit § 18 Abs. 8"
vorgesehen wird, "dass höchstens die analogen Kanäle einer Kabelanlage
digitalisiert werden dürfen, über deren Belegung der Kabelanlagenbetreiber
entscheidet". Wir haben also hier für 25 Kanäle eine Festschreibung der
analogen Verbreitung. Das ist ein Digitalverbot. Ich muss schon sagen: Das ist,
wenn man wie ich seit Jahren in der Initiative "Digitaler Rundfunk"
sitzt, wo man Lösungswege für die Digitalisierung sucht, schon außerordentlich
bemerkenswert.
Deswegen - ich komme zum Ende - auch von der ANGA die dringende Bitte, noch
einmal die konkreten Folgen dieses Entwurfes zu überdenken.
Ingrid Haas (RTL Television GmbH): Es kommt wohl immer sehr
stark auf die Perspektive an, die man einnimmt. Das zeigt sich sehr deutlich in
dem, was Herr Schnepper vorhin dargestellt hat. Wenn man sozusagen im Klartext
das sagt, was bei ihm so leicht mitklingt - er spricht davon, dass er gerne
eine Verhandlungsposition "auf gleicher Augenhöhe" erreichen möchte
-, dann ist das natürlich genau das, was wir auch gerne haben wollen.
Das Kabel ist der Verbreitungsweg mit der höchsten technischen Reichweite in
Deutschland. Wir erreichen etwa 54 % der Haushalte über das Kabel. Gerade
im bevölkerungsstärksten Bundesland NRW wären Einbußen der technischen
Reichweite für alle privaten Sender nur sehr schwer zu verkraften. Auch wenn
uns gesagt wird, dass nicht das große Geschachere losginge und man diese fünf
verbleibenden Kabelplätze nicht meistbietend verkaufen würde, so befindet sich
der Kabelnetzbetreiber, der sozusagen diesen Engpass hin zum Zuschauer
beherrscht, doch in einer sehr privilegierten Position. Wir können nur davor
warnen, bereits in der analogen Welt, in der wir immer noch über dramatische
Kapazitätsengpässe verfügen, den Kabelnetzbetreiber diese Freiheiten zu geben,
die hier in dem Gesetzentwurf vorgesehen sind.
Wir glauben, dass es mit der Belegung durch die Landesrundfunkanstalt, wie
wir sie in der Vergangenheit hatten, gut gelaufen ist. Um es ganz drastisch zu
sagen: Mit der Regelung, die hier vorgeschlagen wird, minimieren Sie auch den
Druck auf die Kabelnetzbetreiber, das Netz überhaupt zu digitalisieren, weil
der Kabelnetzbetreiber mit den Vorgaben, die hier gemacht sind, wunderbares
Geld verdienen kann, ohne auch nur einen Euro in den Ausbau zu stecken.
Wir sind von Herrn Hegemann zur Frage der Shoppingkanäle gefragt worden. Wir
beurteilen es natürlich positiv, dass ein Kanal für Teleshopping vorgesehen
worden ist.
Erlauben Sie noch eine Bemerkung zum Umstieg: Was wir bei dem
Umstiegssenario vermissen, ist ein Einspruchsrecht der betroffenen Sender. Der
Entwurf sieht vor, dass innerhalb einer laufenden Lizenz Kapazitäten digitalisiert
werden können, d. h. bei geringer digitaler Reichweite in den Haushalten würde
der betreffende Sender, dessen Lizenz und dessen Kabelkanal das betrifft,
massive Einbußen bei der Reichweite haben - natürlich mit unmittelbaren
Auswirkungen auf die Werbegelder.
Noch eine Bemerkung zu den unabhängigen Produzenten, die vorhin schon
angesprochen worden sind und die auch bei der Vergabe von Kabelkapazitäten eine
Rolle spielen: Es ist ja eine Mär zu glauben, dass die Sender immer nur die
sozusagen eigenen oder verwandten Produktionsfirmen bei der Vergabe von
Produktionsaufträge berücksichtigen würden oder sie zumindest bevorzugt
beauftragen. Das einzige Kriterium, das in einem hoch kompetitiven Fernsehmarkt
wie dem deutschen gelten kann, ist das der Qualität. Wenn Sie die Qualität
nicht bei den eigenen Unternehmen oder bei den verschwisterten Unternehmen
finden, dann suchen Sie eben andere, bzw. Sie nehmen gleich andere, bei denen
Sie das sehen, was Sie von Ihrer Produktion erwarten, in die Auswahl. Wenn eine
Regelung, wie sie hier vorgesehen ist, durchkommt, würden Sie z. B. eine
preisgekrönte Produktion wie den "Tunnel", der von teamWorx, einer
Freemantle-Tochter, die zur RTL-Group gehört, produziert worden ist, nicht mehr
auf SAT 1 sehen, weil das nämlich mit der Definition, die hier in dem
Gesetzentwurf vorgesehen ist, nicht mehr als unabhängiger Produzent gesehen
wird;, denn die Definition knüpft an dem Gesamtunternehmen und nicht an dem
konkreten Sender an.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Wenn gewünscht, können wir
jetzt eine zweite Fragerunde eröffnen. - Herr Hegemann.
Lothar Hegemann (CDU): Ich habe das Gefühl, dass hier etwas
durcheinander geworfen wird, nämlich die Digitalisierung des Kabelnetzes und
die weiteren Dienste, die Sie anbieten. Können Sie noch einmal sagen, wie die
Digitalisierung allein für den klassischen Fernseh-/ Hörfunkbereich bei Ihnen
aussieht? Das war ja Ihre Eingangsbemerkung; sie sind selber darauf
eingegangen. Ist es so, dass wir dazu eine Verlangsamung zu erwarten haben,
weil der andere Bereich eben nicht so boomt, wie er sollte? Wie viel Prozent
ist denn schon digitalisiert?
Dr. Frank Freimuth (SPD): Zum einen: Die Frage nach
den unabhängigen Fernsehsender ans FORMATT-Institut ist noch offen.
Zweitens. Meine Frage an den WDR lautet: §§ 27 bis 30 regeln ja die
Umstellung vom analogen auf das digitale Fernsehen. Können Sie sich vorstellen,
dass es sinnvoll sein könnte, solche analogen Vorschriften auch für den WDR zu
übernehmen?
Anke Brunn (SPD): Herr Charissé hatte eben für ANGA gesagt,
dass die Differenz zu Ish doch nicht so groß wäre, und er hat die jetzt
vorgeschlagenen Formulierungen als Digitalisierungsverhinderungsvorschriften
bezeichnet. Da ist natürlich zu fragen, inwieweit die jetzt bereits geltenden
Vorschriften denn schon als Digitalisierungsverhinderungsvorschriften zu sehen
wären, weil Sie das eigentlich umso mehr im Verhältnis zu dem geltenden Recht
sagen müssten, mit dem Sie sich bisher behindert geführt haben. Das müsste man
vielleicht doch noch etwas genauer ausführen, um zu solchen Schlussfolgerungen
zu kommen.
Der andere Punkt: Die Vertreterin von VPRT hat gesagt, man müsste bei dem
Übergang von den analogen Kabeln zu digitalen Kabeln ein Einspruchsrecht der
Sender oder Senderfamilien einfügen. Dazu würde ich gerne nachfragen, ob es
nicht vielleicht besser wäre, bei den Übergangsregelungen aufseiten der LfM,
also der Landesanstalt für Medien, mindestens eine Anhörungsmöglichkeit der
Sender zu schaffen, dass dies also nicht allein zwischen der LfM und den
Kabelnetzbetreiber ausgehandelt wird, sondern dass die Sender bei dem Übergang
- das ist ja eine zeitlich befristete Periode, wie lange sie auch immer dauert
- Stellung nehmen, ehe man also praktisch vollständige Einspruchsmöglichkeiten
bietet. Das würde ich gerne wissen.
Dann möchte doch noch mal zur Digitalisierung fragen. Das geht jetzt an die
Vertreter von Ish und ANGA. Sie haben also dargestellt, wie viel neue,
zusätzliche schöne Freiheiten es gibt, aber gleichzeitig - und das erschwert
die Debatte etwas -, fordern Sie jetzt eine Beschränkung des
Must-carry-Bereichs, d. h. aktuell keine Erweiterung, sondern zunächst nur eine
Einschränkung der Übertragungsmöglichkeiten im analogen Bereich. Könnten Sie
sich nicht vorstellen, dass es da Wege geben könnte, die das für alle
Beteiligten vertretbarer machten, um dann zu neuen Möglichkeiten zu kommen? -
Denn das ist der Widerspruch in Ihrer Stellungnahme.
Horst Röper (FORMATT-Institut): Zunächst möchte ich doch
eine Gefahr verringern. Ich glaube nicht, dass wir, wenn dieses Regelwerk in
Kraft träte, demnächst keine teamWorx-Produktionen mehr sehen könnten. Ganz im
Gegenteil! Das Gesetz sieht ja nur vor, dass Chancengleich auch in der
Produktion hergestellt wird, also in einem Bereich, der sich heute zum Teil den
Marktgesetzen entzieht, weil wir es eben mit großen Gruppen zu tun haben, die
im Sinne des integralen Konzerns über die Programmveranstaltung auch selbst
produzieren. Also, kein Produktionsverbot für Konzernunternehmen, für abhängige
Unternehmen, Frau Haas, sondern nur eine Chancengleichheit zugunsten von
Unabhängigen!
Ähnlich, denke ich, ist auch die Problemlage bei den Programmveranstaltern,
bei den kleineren zumal. Herr Schnepper hat ja darauf hingewiesen, dass die
beiden großen Senderfamilien ob ihrer Marktkraft natürlich in der Lage sind,
auch gegenüber Kabelbetreibern ganz bestimmte Positionen zu besetzen, u. a.
eben durchzusetzen, dass sämtliche ihrer Programme übertragen bzw. ins Kabel
aufgenommen werden. Dies gilt für die jetzigen, aber womöglich auch für
weitere. RTL 2 hat beispielsweise vor kurzem angekündigt, ein weiteres Programm
aufzulegen.
Hier gilt es also auch - das ist ein wesentlicher Punkt - dafür zu
sorgen, dass Chancengleichheit in Bezug auf die unabhängigen Anbieter besteht,
also jene, die nicht den beiden großen Senderfamilien angehören. Eine der
Familien wird ja mindestens so groß bleiben, wie sie heute ist; die andere wird
sich vielleicht verändern. Daneben gibt es lediglich relativ begrenzten
Spielraum für konzernunabhängige Anbieter, und das scheint mir auch schon im
geltenden Gesetz nur unzureichend ausgeprägt zu sein. Den Schutz für
unabhängige Anbieter und auch die Entwicklungsperspektive im Digitalen zu haben
ist ein ganz wesentlicher Punkt, zumal demnächst diese großen Gruppen
- womöglich zwei noch mächtigere Gruppen - über enormen Einfluss
verfügen.
Eva-Maria Michel (Westdeutscher Rundfunk): Ich möchte auf
die Frage von Herrn Freimuth eingehen, ob es von uns als sinnvoll erachtet
wird, eine Regelung ähnlich wie § 27 Abs. 3 auch in das WDR-Gesetz
aufzunehmen. Diese Frage kann ich nur ganz klar bejahen. Wir bräuchten für den
Umstieg Analog auf Digital in der Terrestrik eine Regelung, die es uns
ermöglicht, auch dort Zug um Zug die analoge terrestrische Verbreitung
einstellen zu können, um in die Digitalität überzugehen.
Dabei - das habe ich bereits heute Morgen erwähnt - wäre es aus
unserer Sicht notwendig, die Frage, was als angemessene Bedingungen anzusehen
ist, noch stärker zu konkretisieren. Hier bietet, wie wir meinen,
§ 52 a Rundfunkstaatsvertrag in der Begründung einige Kriterien, die
in den Text des WDR-Gesetzes aufgenommen werden könnten. Ich darf noch einmal
erwähnen, welches das für Kriterien sind: Ein Kriterium wäre die Anzahl der
betroffenen Teilnehmer in einem Umstellungsgebiet, dann die Frage, ob es
bereits zu vertretbaren Kosten die erforderlichen Empfangsgeräte am Markt gibt,
weiterhin insgesamt die digitale Versorgung im Umstellungsgebiet, das
Programmangebot und die sonstigen digitalen Dienste, natürlich auch die Kosten
für den Netzbetreiber, den Programmanbieter und den Endkunden. Was für uns auch
wichtig ist, weil es erhebliche finanzielle Auswirkungen hat, ist die Dauer des
Simulcast-Betriebes; wir haben ein Interesse daran, die Simulcast-Phase so kurz
wie möglich zu halten.
Für den Kabelbetrieb sehen wir eine solche Regelung im WDR-Gesetz nicht für
erforderlich an, weil es die entsprechenden Regelungen im neuen
Landesmediengesetz gibt.
Zu dem, was wir bereits schriftlich vorgetragen haben und was Ihnen
vorliegt, möchte ich ergänzend auf einen Punkt hinweisen, den wir aufgrund
unserer Erfahrungen in verschiedenen Ländern erkannt haben. Ich möchte anregen,
dass die Umstellung im Kabel von Analog auf Digital - das ist hier bereits
angesprochen worden - im Benehmen mit den betroffenen Kabel-, nein
Programmanbietern erfolgen sollte. Wir stellen uns vor, dass es hier ein
konstruktives Zusammenwirken geben muss. Es muss klar sein, dass vorher
ausreichende Informationen an die Haushalte erfolgen. Das muss vorher mit dem
Programmanbieter festgelegt werden. Das gilt auch für die Frage, in welchen
Schritten umgestellt wird. All das muss zuvor mit den Programmanbietern
besprochen werden, weil die praktische Erfahrung zeigt, dass die Zuschauerbeschwerden
zum großen Teil bei den Rundfunkveranstaltern auflaufen. Ich weiß nicht, was
bei den Kabelnetzbetreibern ankommt, aber bei uns läuft relativ viel auf.
Ergänzend noch eine weitere Anregung: Im Hinblick auf die digitalen
Kabelanlagen haben wir Erfahrungen in anderen Ländern, also nicht in
Nordrhein-Westfalen. Insbesondere haben wir in Sachsen die Erfahrung mit
Primakom. Dort befinden sich die Programmanbieter mit dem Kabelbetreiber bei
den Verhandlungen keineswegs auf Augenhöhe. Primakom hat als Kabelbetreiber die
digitalen Buketts der Programmangebote der öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten, aber auch der Privaten einfach entbündelt, ohne vorher die
Rundfunkveranstalter zu fragen. Aus unserer Sicht muss sichergestellt sein,
dass jedenfalls für öffentlich-rechtliche Programme, für die der Zuschauer
Rundfunkgebühren bezahlt, vom Kabelnetzbetreiber nach seinen Geschäftsmodellen
nicht noch einmal zusätzlich ein programmbezogenes Entgelt gefordert wird.
Das sind Regelungen, die aus unserer Sicht noch bei § 21 des
Gesetzentwurfs aufgenommen werden müssten.
Henning Schnepper (Ish GmbH & Co KG): Herr Hegemann hat
noch einmal nach der Digitalisierung gefragt. Gibt es Verzögerungen? Wie viel
haben wir eigentlich schon?
Vielleicht zunächst noch kurz zur Begrifflichkeit! Das Breitbandkabel, wie
wir es übernommen haben - auch das der ANGA auf der NE 4 -, wird
schon heute für digitales Fernsehen genutzt. Wir haben eine ganze Reihe von
Kanälen, in denen aufgrund langfristiger vertraglicher Abreden etwa die Angebote
von Premiere - toi, toi, toi! - weiterverbreitet und auch mit
entsprechendem Empfangsgerät gesehen werden können.
Es gibt zweitens die Bestrebungen von Ish, das Kabel auszubauen und zu einer
bidirektionalen, also einer Zweiwegstraße zu machen. Das erfolgt gleichzeitig
mit einer Kapazitätserweiterung um fast das Doppelte.
Damit wird Zweierlei erreicht: Wir können individual kommunizieren, wir
können über das Kabel Rückmeldungen haben - seien es einfache, sei es ein
schnelles Internet, sei es ein Telefongespräch -, aber wir haben eben auch
einen Kapazitätszuwachs. Wir können mehr auf dem Kabel machen. Da bietet es
sich an, dieses Mehr in digitaler Technik zu machen.
Wie viel haben wir insoweit erreicht? Insoweit sind hier in
Nordrhein-Westfalen mit immerhin im vergangenen Jahr schon rund
500 Millionen Euro Investitionen - insgesamt sollen es
2 Milliarden Euro werden - über 1 Million Haushalte auf der
Netzebene 3 in diesem Sinne bidirektional gemacht worden. Die entsprechenden
Planungen diskutieren wir im Augenblick mit unseren Shareholdern und
Investoren. Es wird zu einer Verlangsamung des Ausbaus kommen. Aber wir können
Ihnen die Details - wie viele Haushalte? - heute noch nicht sagen.
Das können wir seriöserweise erst dann tun, wenn diese Gespräche abgeschlossen
sind. Sie dauern an.
Das bedeutet nicht eine Abkehr von der Struktur, aber eine engere
Ankoppelung der weiteren Ausbautätigkeit an die Markterfolge unserer Produkte
und auch an die Kooperationserfolge mit den Kollegen z. B. von der
NE 4, aber auch von der Wohnungswirtschaft, die in letzter Zeit recht
vielversprechend voranschreiten.
Kurz eine Fußnote zu dem häufig zu hörenden und auch eben zitierten
Argument, wir nutzten etwaige Freiheiten, um sie dann meistbietend zu
versteigern, die Vielfalt werde durch die Kraft des ökonomisch Stärksten
ersetzt. Inwieweit das, wenn es denn so wäre, Teufelswerk wäre, falls zunächst
einmal die Vielfalt gesichert ist, will ich an dieser Stelle einmal ganz
bewusst offen lassen. Die LfR weist selber darauf hin, dass ein
Kabelnetzbetreiber wie Ish mit Marktbeherrschung in der Programmverteilung auf
der Endkundenseite entgeltreguliert ist, was die Teilnehmerentgelte anbetrifft
- davon haben Sie alle viel gehört; in den entsprechenden Abstimmungen befinden
wir uns im Augenblick -, aber auch was zumindest diskriminierungsfreie
Gleichbehandlung auf der Einspeiseentgeltseite betrifft. Insoweit ist auch
dieses wohlfeile Argument bei näherer Betrachtung so nicht ganz richtig.
Frau Haas, seien Sie doch hier ein bisschen selbstbewusster, wie Sie es in
Ihren Vertragsverhandlungen auch sind. Sie haben in der Kritik meines Beitrags
die Massenattraktivität Ihrer Inhalte unterschlagen. Ohne Ihre Programme werden
wir kein attraktives Kabelfernsehen machen. Das prägt Ihre Verhandlungsposition.
Wenn diese zusätzlich mit Must-carry-Verpflichtungen, also
Transportverpflichtungen ausgestattet ist, dann frage ich Sie offen: Was
verhandele ich denn dann noch? Ich brauche Sie aus der Marktsicht sowieso. Wenn
dann noch eine entsprechende kanalbelegungsrechtliche Absicherung hinzutritt,
müssen wir, glaube ich, nicht mehr verhandeln.
Jetzt zur Digitalisierung als solcher! Das wird unseres Erachtens nur im
Schulterschluss gehen; dafür ist Augenhöhe erforderlich. Ein Netzbetreiber hat
ein hohes Interesse daran, sein Netz insgesamt digital zu betreiben. Zwar sind
weitere Investitionen erforderlich. Aber ich kann auf einer Kapazität nach
derzeitigem Stand der Technik Inhalte mit dem Faktor 8 produzieren,
theoretisch auch entsprechend intensiver betriebswirtschaftlich produzieren.
Wer hat kein Interesse daran, zügig digital zu werden? Derjenige, der in
einem engen analogen Markt gut eingerichtet ist und potenziell die Abwesenheit
von Wettbewerb, solange sein Geschäft funktioniert, nicht zu scheuen braucht.
Frau Michel hat eben, wenn ich ihr das unterstellen darf, den freudschen
Versprecher mit dem Einvernehmen mit dem Kabelnetzbetreiber bei der
Digitalisierung gebracht. Ish ist kein Programmhaus, Ish braucht die veredelten
Inhalte der großen Content-Anbieter dieser Republik. Die wollen wir gemeinsam
in die Netze bekommen. Dazu sind Marktmodelle erforderlich, die dem dritten
Investor in diese Technik, unserem gemeinsamen Kunden und Zuschauer, zumutbar
sind und die deswegen die vorherige Investitionslast auf die Schultern der
Anbieter genauso wie der Netzbetreiber verlagern. Um das erreichen zu können,
brauchen wir die Augenhöhe.
Ein Wort zu dem von Ihnen aufgezeigten Widerspruch, Frau Brunn. Wenn ich Sie
richtig zusammenfasse, sagen Sie: Ish, du forderst weniger analoge
Must-carry-Vorschriften, sagst aber umgekehrt, die Digitalisierung verzögere
sich. Wie passt das denn zusammen?
Wir wollen eine Freiheit erreichen. Ich sage nicht: Wenn ich weniger
analoges Must-Carry habe, wird im Umfang der Must-carry-Kanäle analog
verbreitet werden. Bis wir das massenfähige Marktmodell mit attraktiven neuen
Inhalten gefunden haben, werden wir weiter analog verbreiten. Ich will nur ein
höheres Maß an Freiheit, um selber entscheiden zu können in Abstimmung mit dem,
was meine Kunden wollen, was Leute sehen wollen und was ich ökonomisch unter
Gleichbehandlungsgrundsätzen erzielen kann. Dann werde ich weiter Analog
nutzen. In dem Moment, in dem ich die neuen Inhalte und entsprechende
Geschäftsmodelle mit öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern habe, wobei
ich der Forderung von Frau Michel, was die Abwesenheit von spürbaren
Zusatzentgelten anbetrifft, hier nicht förmlich widerspreche, werden wir
gemeinsam zum Roll-out kommen, der ökonomisch verträglich die Dinge ermöglicht.
Sie haben es in der Hand, dazu ein Rahmenwerk zu schaffen, das die
notwendigen Freiräume schafft. Ish ist nicht Primakom. Deren Marktmodelle haben
sich - Stichwort "Augenhöhe", Frau Michel - bei rechtlicher
Überprüfung auch nicht als allzu tragfähig erwiesen, zumindest was den privat
finanzierten Ansatz angeht. Ish wird die weitere Entwicklung am Markt im
Konsens mit den Marktpartnern durchführen, braucht aber dafür ein
entsprechendes grundsätzliches Handwerkszeug. Dazu müssen Sie Freiheiten geben.
Wenn ich es zum Schluss vielleicht so sagen darf: Es geht darum, das Kabel
aus der dienenden Funktion zu entlassen in eine nach marktwirtschaftlichen
Kriterien funktionierende Telekommunikationsinfrastruktur. Sie haben mit Ish
Investoren hier. Sie müssen aber auch gewisse Freiheiten geben.
Ich hoffe, ich habe Ihnen aufzeigen können, dass sie schon qua Markt den
Vielfaltskriterien, die Sie anlegen, entsprechen. Sie können solche
Investitionen nicht erwarten - von dem erheblichen Kaufpreis, der
geleistet wurde, einmal ganz zu schweigen - und gleichzeitig das alte
Belegungsregime fortsetzen. Wie sagen die Engländer? "You can't have the
cake and eat it." Wenn man solche Investitionen will - und man will
sie und hat sie hier ja auch schon bekommen -, dann muss man auch bereit
sein, die damit korrespondierenden Freiheiten zu gewähren. "Tertium non
datur" - wem das Anglizistische zu jovial war.
Dr. Peter Charissé (ANGA Verband privater Kabelnetzbetreiber
Satelliten- und Kabelkommunikation e. V.): Zu der Nachfrage: Ist das
Digitalisierungsverbot wirklich eine Verschlechterung gegenüber dem jetzigen
Rechtsstand? Dies kann man ganz klar mit Ja beantworten, weil das
Landesrundfunkgesetz derzeit keine Vorschrift zu dieser Frage enthält und man
sich weitestgehend einig ist, dass die vor der tatsächlichen Belegung zu
beantwortende Frage, wie viel Kapazitäten analog und wie viel digital verwendet
werden, primär vom Netzbetreiber zu entscheiden ist.
Man kann das an einem einfachen Beispiel festmachen: Wenn Sie sich vorstellen,
Sie hätten ein Netz mit ca. 40.000 Haushalten, Sie würden aufrüsten und sich
als Netzbetreiber entscheiden, Geld in die Hand zu nehmen und die
entsprechenden Digitalboxen, die auch alle Standards - z. B. MHP -
erfüllen, bereitzustellen, dann dürften Sie das nach Rundfunkrecht derzeit tun.
Nach dem neuen Landesmediengesetz, wie es im Entwurf vorliegt, wäre das
untersagt, weil Sie 25 Kanäle analog aufrechterhalten müssten.
Natürlich würden wir so eine Entscheidung nicht gegen die Programmanbieter treffen.
Auch wir bei der ANGA sind der Meinung, dass das im Konsens geschehen muss. Nur
Frau Michel, es bringt nichts, wenn wir uns mit ARD, ZDF und dem privaten
Rundfunk einig sind, dass wir digitalisieren wollen, das aber nach dem Gesetz
gar nicht erlaubt ist. Insofern wären wir dann zwangsläufig in einer Sackgasse.
Zu der Frage: Fordern wir denn weniger "must carry" im analogen
Bereich? Nein, wir fordern nicht weniger "must carry". Uns geht es
primär um die Frage: Wo liegen die Zuständigkeiten? Bisher ist es so, dass die
Belegung in jedem Fall durch die Landesmedienanstalt getroffen wird. Wir
wünschen uns eine Regelung, dass zunächst der Netzbetreiber nach den gleichen
Kriterien die Auswahlentscheidung trifft, und in dem seltenen Fall - das hat
die Praxis in Baden-Württemberg gezeigt - eines Missbrauches dann die
Landesmedienanstalt nachträglich einschreiten kann. Es geht keinesfalls um
andere inhaltliche Maßstäbe, sondern es geht primär um die Frage des
Verfahrens. Wir sind für Verfahrenserleichterungen.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Sie haben jetzt zum zweiten
Mal die 25 Kanäle angesprochen, die nicht der Digitalisierung zur Verfügung
stehen. Ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor, aber das kann sicherlich
gleich aufgeklärt werden.
Ingrid Haas (RTL Television GmbH): Ich glaube, Ish kann
kein besonders ausgeprägtes Mitleid von uns dafür erwarten, dass sie für das
Kabelnetz einen so hohen Kaufpreis bezahlt haben, der es schwierig macht, das
Geld wieder zurückzuverdienen. Ich höre immer gern die enormen Summen, die dort
im Raum stehen, und frage mich, ob einmal jemand zusammengerechnet hat, wie
viel Investitionen die privaten Fernsehveranstalter über die Zeit da
hineingesteckt haben, sodass wir im europäischen Vergleich eine vielfältigere
Fernsehlandschaft haben als in jedem anderen europäischen Land.
Insofern glaube ich, dass man auch unsere Investitionen und die
Unternehmenswerte, die wir im Laufe der Zeit geschaffen haben, schützen sollte.
Auch wir sichern direkt und indirekt eine Vielzahl von Arbeitsplätzen. Es ist
nun einmal so, Herr Schnepper, dass Sie mit dem regionalen Monopol und der
Beherrschung der Infrastruktur, die für die Verbreitung von Fernsehprogrammen
die wichtigste ist, sozusagen die Hand auf dem "bottle-neck" haben. Es
kommt aber immer auf die Perspektive an. Es geht nicht ohne uns, sagen Sie, und
dann fordern Sie uns immer zu mehr Selbstbewußtsein auf.
Was das Haus, das mich bezahlt, angeht, kann ich mit Selbstbewußtsein
sprechen und habe keine Angst, dass ich aus den Kabelanlagen herausfliege. Ich
spreche aber in meiner Eigenschaft als Vizepräsidentin des VPRT, und dort sind
etliche Rundfunkveranstalter - auch unabhängige Rundfunkveranstalter -
versammelt, bei denen es eben nicht so sicher ist, die nicht so
publikumsattraktiv sind und nicht so hohe Marktanteile haben wie der Sender
RTL-Television. Es gibt auch in unserer eigenen Sendergruppe Sender, die klein
sind und evtl. hinten über fallen würden. Diese versuchen wir alle miteinander
zu schützen.
Frau Brunn hat gefragt, wie wir damit umgehen würden, wenn es ein
Anhörungsrecht gäbe. Ein Anhörungsrecht ist sicher schon besser als das, was
derzeit im Entwurf steht, nämlich gar nichts. Natürlich wäre es uns lieber,
wenn es - wie Frau Michel gesagt hat - nur im Benehmen mit uns ginge. Wenn wir
nur die Wahl haben zwischen digitaler Einspeisung und je nach Penetration der
Haushalte mit digitalen Set-Top-Boxen eine Reichweite von 5 % erreichen
können oder gar keiner Einspeisung, wird sich natürlich jeder für die 5 %
entscheiden. Wir müssen der digitalen Einspeisung auf jeden Fall zustimmen,
weil es sich um einen urheberrechtlich relevanten Vorgang handelt.
Unser Problem ist nicht die Digitalisierung. Wir wollen die Digitalisierung,
und zwar so schnell wie möglich, weil es besser für die kleinen Sender mit
Spartenangeboten ist, aber auch für die großen Senderfamilien, die aufgrund der
Kapazitätsengpässe derzeit große Schwierigkeiten haben, neue Angebote in den
Markt zu geben.
Das Schwierigste für uns ist die Zeit "in between", wenn wir
sozusagen digitalisiert haben, aber die Kunden keine digitalen Set-Top-Boxen
annehmen. Angesichts dessen, was im Moment - ich beobachte das für den Raum
Köln sehr genau - an Verunsicherung bei den Kunden stattfindet, was die
Leistungsfähigkeit der Kabelnetzbetreiber angeht, befürchte ich, dass die
Emphase der Kunden für die digitalen Angebote doch sehr reduziert sein wird.
Für uns ist die Reichweite das Wichtigste und dass wir ohne unsere
Zustimmung nicht von der Reichweite abgeschnitten werden können, deswegen
unsere Vorschläge in den diversen Anmerkungen.
Dr. Jürgen Brautmeier (Landesanstalt für Rundfunk
Nordrhein-Westfalen): Wir reden über § 27 Abs. 4. Wenn man dem
Vorschlag der LfR folgt, § 18 Abs. 8 zu streichen, nämlich diese 15 Kanäle, die
noch im Regime der LfR sind und danach nicht mehr, dann wäre auch in § 27 Abs.
4 der Bezug zu § 18 Abs. 8 zu streichen. Damit ist dann auch dieses angebliche
Digitalisierungsverbot gefallen. Dann stünde dort nur noch: Der
Kabelanlagenbetreiber kann mit Einwilligung der LfM analoge Kanäle
digitalisieren.
Im Übrigen steht einen Absatz weiter: Das Nähere regelt die LfM durch
Satzung. Natürlich würden wir in die Satzung hineinschreiben, dass das nicht
ohne Anhörung der Veranstalter zu geschehen hat. Ich würde aber davor warnen,
Benehmen, geschweige denn Zustimmung der Veranstalter, hineinzuschreiben. Dann
bestimmt das langsamste Schiff im Geleitzug das Tempo.
Wenn man dies wie es hier steht lässt und nur den Bezug zu § 18 Abs. 8
streicht, können wir gut in diese Richtung weitermarschieren.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Es gibt vonseiten der
Abgeordneten keine weiteren Nachfragen. Damit schließen wir Block 4 ab. Ich
danke Ihnen auch hier für Ihre konzentrierte und sachliche Mitarbeit.
Ich rufe nun auf den Block 5:
Sonstige Vorschriften
Das sind all die Paragraphen, die wir bisher noch nicht behandelt haben. Sie
befinden sich im Abschnitt XI, XII und XIII. Gibt es vonseiten der Abgeordneten
dazu Fragen? - Herr Hegemann
Lothar Hegemann (CDU): Ich habe eine Abschlussfrage an die
LfR: Fühlen Sie sich jetzt mehr als Medienanstalt statt als Rundfunkanstalt?
Jetzt haben Sie die Gesamtkompetenz auch in Medienfragen bekommen. Kommt die
überhaupt bei Ihnen an, oder steht die nur im Gesetz?
Wolfgang Hahn-Cremer (Landesanstalt für Rundfunk
Nordrhein-Westfalen): Ich glaube schon, konstatieren zu können - das
konnten wir aber schon vor der Anhörung -, dass wir im Bereich dessen, was
die Aufgabenstellung der Landesanstalt für Rundfunk und der künftigen LfM
angeht, eine ganze Menge an Zuwachs bekommen. Das heißt, das Aufgabenprofil
wird vielfältiger. Damit wird auch die Einflussmöglichkeit, die die
Landesanstalt für Rundfunk auf bestimmte medienpolitische Bereiche nehmen kann,
größer. Ich habe die Satzungsermächtigungen zwar nicht gezählt, aber es sind
eine Reihe. Wenn man sich allein das Thema digital und analog ansieht, so heißt
es in fast jedem zweiten Absatz: "Das Nähere regelt die LfM." Hier
wird natürlich schon ein Gestaltungsspielraum geschaffen, den wir auch
begrüßen. Die Kritikpunkte, die wir haben, sind von uns genannt worden.
Bei den Übergangsbestimmungen möchte ich auf einen Punkt hinweisen. Ich habe
den Eindruck - das kann ich auch nachvollziehen -, dass man versucht,
das Gesetz jetzt zügig zu beraten. Irgendwann Ende Juni wird wohl eine dritte
Lesung des Gesetzentwurfes stattfinden. Im Juli wird dann das Gesetz in Kraft
treten. Dazu muss man sich dann den Ferienplan des Landes Nordrhein-Westfalen
ansehen. Man wird feststellen, dass die Zeit, in der der Vorsitzende nach der
Übergangsvorschrift aufgefordert ist, die neue Kommission zu besetzen und allen
Organisationen das mitzuteilen, in die Ferien fällt. Ich bitte deshalb darum,
in dieser Frage die Übergangsfrist wenigstens von drei Monate auf vier Monate
auszudehnen, damit mindestens zwei Monate in der ferienfreien Zeit liegen.
Sonst ist das, glaube ich, nicht hinzubekommen.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Herzlichen Dank, Herr
Hahn-Cremer für diesen sehr konkreten Vorschlag. - Frau Brunn, bitte.
Anke Brunn (SPD): Die letzte Anregung ist sehr praktischer
Natur, und es ist auch wichtig, diese aufzunehmen. - Ich habe heute Morgen
dazu eine Frage Herrn Professor Stock gestellt. Es werden sehr viele
zusätzliche Definitionen im Gesetz gefordert. Ich hatte Professor Stock
gefragt, wie wirksam die bisherigen Regelungen sind bzw. wie sich die
Kontroll-, Sanktions- und Aufsichtspraxis aktuell darstellt. Die Vertreter der
LfR haben darauf mimisch heftig reagiert, weil diese die Deregulierung als sehr
angemessen ansehen. Jetzt frage ich Sie noch einmal explizit: Wie beurteilen
Sie aufgrund Ihrer bisherigen praktischen Erfahrung die Sanktionsmechanismen im
Hinblick auf die sehr viel strengeren Vorgaben, die das bisherige Gesetz
enthält?
Wolfgang Hahn-Cremer (Landesanstalt für Rundfunk
Nordrhein-Westfalen): Ich darf die Aussage noch einmal wiederholen:
Wir sind uns in der Tendenz völlig einig, was die Frage der Deregulierung und
des so genannten Führerschein-Prinzips angeht und was die Frage der Zulassung
und Trennung der Verbreitung betrifft. Ich glaube, das muss man aus der Praxis
heraus sehen - deswegen kamen wahrscheinlich auch die heftigen
Reaktionen -, weil Sie ja den letzten analogen Fernsehveranstalter vor
Jahren zugelassen haben und es momentan am Horizont nicht die Hoffnung auf neue
große Veranstalter gibt. Wir haben eher das Gefühl, dass es weniger
Veranstalter geben wird. Bei den Spartenprogrammen wird das dann schon sehr
schwierig.
Ich will das noch einmal an drei Punkten deutlichen machen: Wir streiten uns
nicht mit denen, die heute Morgen hier Bedenken geäußert haben, was den
bisherigen § 5 angeht, nämlich die Frage des Nachweises der
wirtschaftlichen Fähigkeit. Das ist in Ordnung; das kann man mit aufnehmen.
Natürlich haben wir noch Vollprogramme und müssen deswegen auf den § 12
Abs. 3 rekurrieren. Auch das ist in Ordnung. Das große Problem liegt bei
§ 11. Wer § 11 eins zu eins übernehmen will, wie das vorgeschlagen
wird, unterwirft dann auch Spartenprogramme und vor allen Dingen Mediendienste einem
Regime, das wir nicht mehr für adäquat halten. Dann kann der Gesetzgeber
entweder darauf verzichten oder er müsste sich zu differenzierenden Regelungen
durchringen. Das wäre die einzige Möglichkeit, die er hat. Eine
Eins-zu-eins-Übernahme ist aber aus unserer Sicht nicht machbar. Dann muss man
die Mediendienste aus diesem Gesetz herausnehmen. Das wäre ansonsten sehr
schwierig für uns. Ich bin dankbar, dass ich auf diesen Punkt noch einmal
eingehen konnte.
Vorsitzende Claudia Nell-Paul: Herzlichen Dank, Herr
Hahn-Cremer. Sowohl durch die Frage als auch durch Ihre Antwort haben wir jetzt
den Kreis zu heute Morgen wieder geschlossen. Das ist also ein rundes Ergebnis
unserer Anhörung. Das heißt aber nicht, dass wir wieder von vorne anfangen
sollten.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen für Ihre sehr sachliche und
konstruktive Mitarbeit bei unserer Anhörung zum Landesmediengesetz. Ich danke
Ihnen auch für Ihre Geduld, denn wir haben einige Stunden in diesem Plenarsaal
verbracht.
Ich sichere Ihnen zu, dass die Fraktionen und der Medienausschuss sowohl
Ihre schriftlichen Stellungnahmen als auch das heute mündlich Vorgetragene sehr
intensiv beraten werden. Diese Anhörung war keine Scheinanhörung, wie ich das
schon einmal gehört habe. Ich glaube, Sie haben am heutigen Tag gespürt, dass
eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Anregungen im Rahmen der heutigen
konstruktiven und kritischen Diskussion stattfindet. Vieles von dem, was Sie
eingebracht haben, wird sich wohl auch in den Änderungsanträgen der Fraktionen
wiederfinden, manches vielleicht auch nicht. Das obliegt nun der politischen
Debatte.
Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung und Hilfe. Ich hoffe, dass wir nach
den Beratungen am Ende ein gutes Landesmediengesetz Nordrhein-Westfalen haben
werden, mit dem alle gedeihlich arbeiten können.
Ich wünsche Ihnen einen guten Weg nach Hause und noch einen schönen Abend.
Noch einmal herzlichen Dank. Sie sind auch herzlich willkommen bei den
öffentlichen Sitzungen des Medienausschusses.
gez. Nell-Paul
Vorsitzende
jo/07.05.2002/08.05.2002
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Aktuelles